Das Besondere an diesem Wagen ist, dass es eigentlich kaum etwas über ihn zu erzählen gibt. Er hatte kein sehr aufregendes Leben, war in keine Skandale oder krummen Geschäfte verwickelt und hatte auch keinen berühmten Film-Auftritt. Er verbrachte sogar die letzten 52 Jahre beim selben Besitzer. Aber das, was in den fünf Monaten davor passiert ist, macht ihn heute dennoch zu einem der wohl begehrtesten Wagen seines Typs.
Die unbeliebte Serie Zwei
Die zweite Serie des Jaguar E-Type gilt unter Liebhabern nicht unbedingt als die beliebteste. Zu komfortabel, zu klobig war der Jaguar 1968 mit ihr geworden, nachdem er 1961 als filigraner und asketischer Sportwagen erschienen war. Doch jene Engländer, die bei einem plötzlichen Platzregen eher die Wachsjacke als das Cabrioverdeck schlossen, machten seit jeher nur einen verschwindend geringen Anteil an den E-Type-Kunden aus. Den mit 84 Prozent weit grössten Teil der Produktion verkaufte Jaguar in den USA. Kein Wunder, dass sie den dort "XK-E" genannten Sportwagen mehr und mehr den amerikanischen Bedürfnissen anpassten.
Die bestanden freilich nicht nur aus Kundenwünschen, die solche Annehmlichkeiten wie eine Klimaanlage in die Aufpreisliste brachten, sondern vor allem aus gesetzlichen Vorgaben. Vorgerückte Scheinwerfer ohne Abdeckhaube, grössere Blinker und Rückleuchten sowie seitliche Positionsleuchten kosteten ein wenig Feinheit im Detail. Ansaugluftvorwärmung, Abgasrückführung sowie nur noch zwei statt bisher drei Vergaser liessen die Motorleistung des 4,2-Liter-Sechszylinders von 210 auf rund 170 Netto-PS nach DIN-Norm sinken. Die englische Brutto-Messmethode ergab 220 statt 265 HP.
Ein Amerikaner in Le Mans
Einen solchen XK-E in US-Ausführung kaufte sich im Sommer 1970 auch Schauspieler Steve McQueen: einen Roadster in der Farbe "Silver Grey Metallic" mit schwarzen Lederpolstern. McQueen war Autoliebhaber und begeisterter Rennfahrer auf zwei und vier Rädern und wollte zu jener Zeit dem berühmtesten Langstreckenrennen der Welt ein filmisches Denkmal setzen. Natürlich wollte er am Set in Le Mans (und insbesondere in unmittelbarer Nähe zu einer Rennstrecke) angemessen motorisiert sein, weshalb sein Jaguar zunächst in England mit der Nummer "VDU 574H" auf McQueens Produktionsfirma Solar Productions zugelassen und nach Frankreich verschifft wurde. Nach Abschluss der Dreharbeiten würde er ihn dann mit zurück in die USA nehmen.
Die Dreharbeiten in Le Mans begannen am 7. Juni 1970 und waren legendär unorganisiert. Ein Drehplan oder gar ein Drehbuch gab es nicht. McQueen filmte wie bei einem Studenten-Projekt einfach drauf los. Nur dass Studenten eben selten ein Langstreckenrennen mit einem Porsche-Kamerawagen unsicher machen und für eine 800 Mann starke Filmcrew eine eigene Kleinstadt mit fliessendem Wasser und Telefon errichten. Irgendwann hatte Regisseur John Sturges die Nase voll und warf entnervt das Handtuch. Nachdem Harry Kleiner ein rudimentäres Drehbuch verfasst hatte, übernahm Lee H. Katzin die Aufgabe, den Film abzuschliessen.
Ein exklusives Geschenk
Mittendrin in all dem Trubel war auch der Schweizer Fredy Zurbrügg. Der 27-Jährige aus Frutigen war gelernter Koch und hatte schon beim James-Bond-Film "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" das Produktionsteam kulinarisch versorgt. Auch im sogenannten "Solar Village" in Le Mans kochte Zurbrügg für die ganze Truppe, inklusive Hauptdarsteller Steve McQueen für den er sogar ein eigenes Gericht kreierte: ein Rinderfilet mit Honig-Senf-Sauce, genannt "Steve-Steak".
McQueen muss es anscheinend gemundet haben, denn gegen Ende der Dreharbeiten nahm er Zurbrügg mit zum Parkplatz und blieb mit den Worten "Such' dir einen aus" vor seinem kleinen, privaten Sportwagen-Fuhrpark stehen – nicht für eine Runde auf der Strecke, sondern als Dankesgeschenk für seine Dienste als Koch. Zurbrüggs Wahl fiel auf den silberfarbenen Jaguar, obwohl die Alternativen in Form eines Mercedes-Benz 280 SL und des heute berühmten, schiefergrauen Porsche 911 S sicher nicht schlecht waren und er zu diesem Zeitpunkt noch gar keinen Führerschein hatte.
Am 10. November 1970 waren endlich alle Szenen im Kasten, und Zurbrügg machte sich mit frischem französischem Führerschein, einem nagelneuen Jaguar und zwei Kisten Cognac auf den Heimweg. Der graue Roadster mit der Fahrgestellnummer 1R13134 hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine 1000 Kilometer hinter sich, einige davon allerdings im Renntempo auf dem Circuit de la Sarthe. Das hatte sich McQueen nicht nehmen lassen, auch wenn es ihm als Hauptdarsteller aus Sicherheitsgründen eigentlich nicht erlaubt war.
Trennung nach 52 Jahren
Heute zeigt das Zählwerk des Tachometers knapp 46'000 Meilen (74'000 km) an. Der Lack und die Lederpolster sind immer noch dieselben wie im Sommer 1970. Nur ganz leicht haben sich Spuren der Zeit auf ihnen abgezeichnet. Zurbrügg wurde erst spät bewusst, welch wertvolles Fahrzeug dort eigentlich seit einem halben Jahrhundert in seiner Garage steht. Vielleicht ist es ihm nun sogar zu wertvoll, denn nach 52 Jahren soll der Jaguar nun einen neuen Eigentümer finden.
Am 13. Mai 2022 wird Bonhams den McQueen-Roadster deshalb im Rahmen des Grand Prix de Monaco Historique im Fürstentum versteigern. Der Schätzpreis liegt bei 250'000 bis 300'000 Euro. Angesichts der Tatsache, dass Erstserien-Roadster auch ohne prominenten Vorbesitz manchmal diesen Preis erzielen, erscheint der Tarif für ein Auto aus dem Besitz des "King of Cool" fast wie ein Schnäppchen. Aber die Serie Zwei ist ja auch nicht so beliebt.
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