Es war fast alles anders nach zwei Jahren Pause an der Rétromobile Paris, die ihre Tore vom 16. bis 20. März 2022 an der Porte de Versailles öffnete. Wer sich die alten, etwas in die Jahre gekommenen und verwinkelten Hallen 1 und 2 von früher gewohnt war, der erschrak erst mal, denn diese standen nicht mehr zur Verfügung.
Die Oldtimermesse fand anstellte davon in zwei Stockwerken der moderneren Halle 7 am Ende des Messegeländes statt und bis man von der Porte de Versailles dorthin gelangt war, hatte man bereits fast einen Kilometer zurückgelegt. Immerhin gab’s wie am Flughafen Rollbahnen, die das Schuhwerk und die Kondition der oftmals nicht mehr ganz jungen Besucher schonten.
Geschrumpft
Die einmonatige Verschiebung vom Februar in den März 2022 war nicht spurlos an der Messe vorbeigegangen. Viele Aussteller, die man sonst jedes Jahr antraf, fehlten. Weder Lukas Hüni, noch Gregor Fisken, Max Girardo, RM/Sotheby’s, Axel Schütte oder Richard Mille richteten einen ihrer jeweils grosszügigen und stets sehenswerten Stände ein.
Auch viele Autohersteller blieben (offiziell) der Messe fern und wohl auch mancher andere Aussteller, so dass schliesslich zwei Etagen der Halle 7 (oder etwa 54’000 Quadratmeter) ausreichten, um die ganze Messe zu beherbergen. Und selbst da blieb die eine oder andere Ecke noch ungenutzt.
An Besuchern fehlte es trotzdem nicht, jedenfalls füllten sich die Gänge wie einst und je, ob die Zahlen an die Vorjahre heranreichten muss dennoch bezweifelt werden. Die Stimmung vor Ort aber war gut, vielleicht sogar etwas gemütlicher als in vergangenen Jahren. Einzig bei den Essensständen bildeten sich teilweise arg lange Schlangen und wer möchte schon für ein Schinken-Brot eine halbe Stunde anstehen?
Übersichtlich
Durch die Konzentration auf zwei rechteckige und gut beleuchtete Hallen wurde die Rétromobile aber dafür deutlich übersichtlicher. Es war kaum möglich, grössere Aussteller zu verpassen und auch für die Besucher war Platz genug in den Gängen vorhanden. Die Wege blieben dank der zweigeschossigen Konzeption mit zentralen Rolltreppen immer relativ kurz, wenn man von einem Stand zu einem anderen zurückgehen wollte. Und wie früher, gab es auch in der neuen Halle die Möglichkeit, ausserhalb des Gebäudes Fahrdemonstrationen zu organisieren. Doch dazu später.
Gordini-Sonderschau
Ein Höhepunkt der Messe war sicher die Ausstellung der Gordini-Renn- und Sportwagen, ergänzt um die Strassenfahrzeuge mit Renault-Prägung. Nur selten sind die verschiedenen Kreationen des Amédée Gordini (1899 bis 1979) zusammen zu sehen.
Gezeigt wurden unter anderem der Type 31S von 1954 (Chassis 043), der 1954 bei den 24 Stunden von Le Mans auf Platz 1 der Kategorie 2 bis 3 Liter fuhr, im selben Jahr die Tour de France Automobile gewann und noch 1956 den Grand Prix von Pescara siegreich beendete.
Zu sehen war auch der Formel-1-Wagen Typ 16/24, der 1955 den Grand Prix de Paris in Montlhéry auf Platz 1 beendete und normalerweise in Mulhouse ausgestellt ist.
Die ganze Sonderschau umfasste fünf Rennwagen, dazu kam ein Renntransporter und Strassenfahrzeuge wie der Renault 12 Gordini.
Als Leichtigkeit und Einfallsreichtum noch für Rennsiege reichten
Kaum weniger interessant als die Fahrzeuge der Gordini-Schau waren die Autos, die auf dem Stand des Vintage Revivals Montlhéry präsentiert wurden.
Da gab es Autos mit Propeller-Antrieb, abenteuerliche Dreiräder, aerodynamisch optimierte Kleinstwagen, aber auch die bekannteren Cycle Cars und Leichtgewichts-Sportwagen der Zwanziger- und Dreissigerjahre.
Höhepunkte auf dem Stand waren sicherlich der Amilcar C6, aber auch die ausgestellten BNC und S.P.A.G.
Die sieben McLaren F1 bei Kidston
Einen richtigen Coup hatte Simon Kidston gelandet. Als einer der wenigen grossen internationalen Händler, die in Paris antraten, widmete er seinen Stand dem McLaren F1 und den Beatles, vor allem aber natürlich dem dreisitzigen Supersportwagen.
Der Wert der sieben gezeigten Sport- und Rennwagen dürfte locker neunstellig gewesen sein.
Unter den Exponaten gab’s nicht nur den in weniger als 100 Exemplaren entstandenen Strassen-Supersportwagen, sondern auch Rennwagen und Prototypen wie XP3 oder der bisher nur selten gezeigte grüne Langheck-Prototyp 053 XPGT, der letztmals am Genfer Autosalon 2015 zu bewundern war.
Kreisförmig angeordnet zogen die sieben McLaren die Besucher an wie Fliegen und manche übersahen dann vermutlich die Beatles-Dekoration im hinteren Teil des Standes.
Der mysteriöse Bugatti 73
Die Bugatti-Typen 35 oder 57 waren vermutlich fast jedem Rétromobile-Besucher ein Begriff, aber beim Typ 73, der bei einem Restaurierer wie ein Neuwagen stand, stutzten wohl sogar die meisten Enthusiasten. Tatsächlich hatte Ettore Bugatti versucht, nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem neuen Vierzylindermotor und neuen Fahrzeugen an seine früheren Erfolge anzuschliessen.
Der sogenannte Typ 73 kam aber nie aus den Startlöchern heraus und neben den Rennwagen weiss man eigentlich nur von einem nicht besonders attraktivem strassengängigen Coupé, das Teil der Schlumpfsammlung im Mulhouse ist. Auf der Rétromobile stand aber ein elegantes Cabriolet!
Und der Bugatti 73 war natürlich nicht die einzige Rarität, die zu Diskussionen Anlass gab.
Bei Aguttes etwa gab’s das einzige überlebende Exemplar eines Omega Six von 1928 zu bewundern. Das stattliche Cabriolet soll einst die als Model, Tänzerin und Rennfahrerin bekannt gewordene Hellé Nice gefahren haben. Die Technik kam damals von Hispano-Suiza.
Kaum bekannter als der Omega Six dürfte hierzulande der Bianco S sein, den Ottorino Bianco in den Siebzigerjahren in Brasilien produzierte. Der passionierte Rennfahrer nutzte dabei wie auch die bekanntere Konkurrentin Puma die lokal gefertigte Volkswagen-Basis, um Kosten zu sparen und setzte eine Kunststoff-Coupékarosserie darauf. Es soll bei einer zweistelligen Zahl Exemplare geblieben sein, deshalb sind die Autos selbst in Brasilien rar.
Es war wie jedes Jahr, man musste nur mit offenen Augen durch die Hallen spazieren und man erblickte viele Spezialitäten und Raritäten und es gab insgesamt recht wenige Wiederholungen, wie man es von anderen Messen teilweise gewohnt ist.
50 Jahre Renault 5
Richtig ins Zeug gelegt hatte sich Renault, um den 50. Geburtstag des Renault 5 zu feiern. Nicht nur hatte man die Zahl “50” als Teppich unter den Stand gelegt, der Schriftzug “Renault 5” wurde den Besuchern auch noch als Sitzgelegenheit angeboten.
13 Renault 5 Modelle erzählten die Geschichte des “kleinen Freunds” und es fehlten weder die frühen Einfachmodelle, noch die späten Mittelmotor-Turbo-Varianten. Mit dem Prototyp des elektrischen R5, der 2021 an der IAA gezeigt wurde, konnte die Brücke in die Zukunft geschlagen werden.
Eine stimmige Präsentation!
Da gab sich der Stand von Citroën schon deutlich übersichtlicher. Immerhin wurden auch hier wichtige Modelle aus der Geschichte (Rosalie, Traction, 2 CV und Co.) gezeigt und auch der Geburtstag des Citroën BX (40 Jahre) wurde gefeiert, aber neben Citroën blieben die übrigen PSA-Marken, zu denen ja seit einiger Zeit auch Opel gehört, unberücksichtigt.
Präsenz zeigte dafür Nissan, wo u.a. ein Datsun 240 Z und ein Patrol aus den Siebzigerjahren gezeigt wurde.
Vertreten waren auch Morgan (mit Neuwagen) und Lamborghini, wo mit dem wiedergeborenen Countach LP500 von 1971 und einem im Aufbau begriffenen Miura SV auf die Restaurierungsfähigkeiten hingewiesen wurde. Das war’s dann, was die Markenstände anging.
Clubs mit französischer Prägung
Immer interessant in Paris sind die Clubstände, denn natürlich werden in Frankreich natürlich insbesondere die eigenen Automarken gefeiert, auch solche, die bei uns kaum je zu sehen sind.
Da machte die Rétromobile 2022 keine Ausnahme, denn die Freunde des Simca Vedette, die D.B. Amicale oder der Salmson-Club brachten wie jedes Jahr rare Fahrzeuge in die Hauptstadt, die Facel-Vega-Vereinigung tat es ihnen gleich. Und wer da au Freunde oder Bekannte trifft, musste sich nicht wundern, wenn er sich erst nach Stunden, verköstigt mit Wein, Käse und Brot, wieder auf die Weiterreise machen konnte.
Für den internationalen Ausgleich sorgten u.a. die Lotus-Anhänger, die den 60. Geburtstag des Lotus Elan mit einem roten Sprint DHC und bunter Dekoration feierten.
Rallye-Autos der Youngtimer-Generation
Die französische Zeitschrift “Youngtimers” widmete ihren Stand den Rallye-Ikonen der Neunzigerjahre.
Gezeigt wurden in einer farbenfrohen Zusammenstellung Evolutions- aber auch Rallye-Modelle von Lancia, Ford, Subaru und Toyota, um einige Beispiele zu nennen.
Die Schau in der Schau
Mit 170 Autos trug Artcurial nicht unerheblich zum Gelingen der Rétromobile bei. Nicht nur bespielte das französische Auktionshaus rund einen Drittel einer Hallenebene, die drei Versteigerungen am Freitag-, Samstag- und Sonntag-Nachmittag waren Höhepunkte der Messe. Abgehalten wurden die Auktionen nicht wie in vergangenen Jahren separat von der Ausstellung sondern als integraler Teil.
Zutritt zu den interessanten Autos hatten allerdings nur jene Besucher, die auch Interesse bekundeten mitzubieten oder zumindest einen Auktionskatalog zu kaufen. Wer es nicht hinter die Balustraden schaffte, verpasste einiges!
Bei Artcurial gab’s nämlich nicht nur einen Werks-Porsche 907 von 1968 mit Le-Mans-Geschichte zu sehen, sondern auch einen Gordini 18S, den damals Juan Manuel Fangio gefahren hat.
Atemberaubend schön präsentierte sich der Bugatti Type 57 Aérolithe und eine Zusammenstellung von drei Zagato-Giulietta-/Giula-Modellen der Marke Alfa Romeo sieht man genauso selten wie sieben Bandini Sport- und Rennwagen.
Jüngere Besucher erlabten sich derweil an einer Ferrari-Supersportwagen-Sammlung von F40 bis LaFerrari, während Kunststoffauto-Fans mehr Freude an den beiden CGs oder an der Alpine A110 zeigten.
Auch für Motorradfans gab’s einiges zu sehen, für Vorkriegs-Anhänger war auch eine schöne Auswahl präsentiert.
(Die Ergebnisse der Artcurial-Versteigerung sind in einem separaten Bericht dokumentiert worden.)
Die Verkaufsfläche für die günstigeren Fahrzeuge
Interessant und eine gute Idee war, wie schon in vergangenen Jahren, die Verkaufsfläche für günstige Oldtimer und Youngtimer, die maximal mit EUR 25’000 angeschrieben werden durften.
Dies schränkte die Auswahl keinesfalls auf die lokalen Sympathieklassiker wie 2 CV oder R4 ein. Nein, man konnte auch ein von Vignale eingekleidetes Fiat 600D Coupé oder einen knallgelben Puma 1600 GTE aus Brasilien finden, zudem eine grosse Auswahl an Fiat 500 und diverse interessante Youngtimer.
Die Anfänge der Motorisierung drinnen und draussen
Einen der Höhepunkte haben wir uns für den Schluss aufgehoben, die ältesten Autos an der Rétromobile. Tatsächlich musste man bis in die Geschichte des 18. Jahrhunderts zurückblättern, um auf die Anfänge des selbstfahrenden Wagens zu stossen.
Bereits 1770 setzte sich “Le Fardier de Cugnot” zum ersten Mal selbständig und rund 15 Minuten lang in Bewegung, mit Dampf angetrieben und vier Kilometer schnell. Eigentlich war das riesige Gefährt einer Lokomotive ähnlicher als dem späteren Automobil, aber Schienen wurden nicht benötigt.
Das Original ist schon lange nur noch im Museum ruhend zu besichtigen, aber ein Nachbau war an der Rétromobile nicht nur stehend sondern sogar fahrend zu bewundern, wenn man denn genügend Geduld aufbrachte, bis der Kessel genügend Druck aufgebaut hatte für eine Losfahrt.
Die Zeit verkürzten allerdings die “Teuf Teuf”-Freunde, so nennen sich in Frankreich die Anhänger der ganz frühen Automobile. Diese stellten ihre Fahrzeuge ebenfalls nicht nur stehend zu Schau, sondern führten mit ihren Darracq oder Salmson auch Publikumsfahrten vor den Hallen durch.
Die Oldtimerfreunde, die einen Beifahrerplatz ergattern konnten, zeigten sich begeistert, auch wenn kaum viel mehr als hundert Meter Strecke zur Verfügung standen.
So dürften dann die meisten Besucher die Rétromobile trotz geschrumpftem Umfang und weniger Superlativen als in anderen Jahren mit einem Lächeln auf den Lippen verlassen haben, schliesslich waren sie auch weniger müde geworden als in anderen Jahren, ausser sie hatten die Artcurial-Versteigerung am Freitag besucht und bis zu deren Ende nach 21:00 Uhr ausgeharrt.
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