Es wird jeweils mit Spannung erwartet, das Buch von Adolfo Orsi und Raffaele Gazzi über das zurückliegende Auktionsjahr. Dieses dauert traditionell beim “Classic Car Auction Yearbook” vom 1. September bis 31. August, was wiederum bedeutet, dass die Pebble-Beach-Versteigerungen zwar drin sind, spätere Auktionen im Jahr aber nicht mehr.
Für das vorherige Auktionsjahr 2019-2020 war diese Periodenwahl verheerend, entsprechend deutlich war die Erholung in der Periode 2020-2021, denn im aktuellen Jahr fanden die Versteigerungen rund um den Concours d’Elégance von Pebble Beach eben wieder statt. Doch dies ist nicht der einzige Grund, warum Orsi und Gazzi, der im übrigen mit dieser Ausgabe aufhört, ein eher rosiges Bild der Marktentwicklung zeigen können.
Kein Auto auf dem Titelbild
Erstmals wurde nicht der teuerste Wagen des Jahres auf dem Cover des Buchs abgebildet, sondern eine Person. Es handelt sich dabei um Robert Brooks, der im Jahr 2021 verstorben ist. Brooks war nicht nur ein Automobil-Enthusiast sondern auch eine begabter Auktionator und Innovator im Classic-Car-Geschäft. Gemäss Adolfo Orsi wäre das Auktionswesen heute anders, hätte es Robert Brooks nicht gegeben.
Das 26. Classic Car Auction Yearbook unterscheidet sich nicht grundsätzlich von seinen Vorgängern, es enthält wiederum einen umfangreiche Datenteil mit den Verkaufsergebnissen von 5407 angebotenen Autos von 334 Herstellern. Erwähnt sind jeweils auch die Chassisnummer, der Schätzwert und der Hammerpreis in US Dollar, britischen Pfund und Euro.
Ergänzt wird dieser fast 300-seitige Block durch Marktanalysen und Kommentare, sowie Rückblicke auf die vergangenen 28 Jahre in Form von Top-X-Listen. Nicht fehlten dürfen auch die über 60 ganzseitigen Inserate der Werbepartner nicht, welche gemäss Orsi die “Raison d’ètre” der Publikation mit Kräften unterstützten.
Es ging aufwärts
Der Markt hat sich wieder etwas erholt, darin sind sich Mathieu Lamoure (Artcurial), Philip Kantor (Bonhams), David Gooding (Gooding & Co), Gord Duff (RM/Sotheby’s) und Dave Magers (Mecum), die als Marktvertreter wie immer die Situation kommentieren, im Prinzip einig. Es ist auch allen klar, dass die reinen Online-Auktionen, die sich gerade wegen Covid-19 erstaunlich schnell auch für teurere Autos etablieren konnten, nicht mehr verschwinden werden.
Einig sind sich die Vertreter der Auktionshäuser aber auch darin, dass der direkte Kontakt von Leuten, die Live-Präsentation eines Autos, der Austausch zwischen den Leuten im Gespräch von Auge zu Auge wichtig bleiben wird. Vor allem aber würden die Face-to-Face-Begegnungen vielen Leuten in diesem Geschäft fehlen …
Autos wieder älter
Während über die vergangenen Jahre das Durchschnittsalter der gehandelten Autos fast stetig sank, stieg es im Beobachtungszeitraum gemäss der Analysen von Orsi/Gazzi gleich um zwei Jahre an und lag damit wieder deutlich über 50 Jahren.
Angestiegen ist auch der Wert des teuersten gehandelten Wagens (von USD 8,3 auf 20,5 Millionen) und das Niveau des 100. Hammerpreises (von USD 1,086 auf 1,76 Millionen), doch dies hat natürlich viel mit der Pandemie zu tun, die man aber auch im Berichtsjahr weiterhin spürte.
Auch der durchschnittliche Zuschlagspreis stieg und lag sogar über jenem der Periode 2018-2019. Eigentlich hat man sich nun wieder auf dem Preisniveau eingependelt, welches im Jahr 2012-2013 erstmals erreicht wurde.
75 Prozent aller Autos konnten verkauft werden im Berichtsjahr, damit ist man etwa besser als im Jahr zuvor.
Wieder mit Preisentwicklungen von spezifischen Autos
In der Ausgabe 2019-2020 fehlten wegen des Jubiläums anlässlich der 25. Ausgabe die interessanten Grafiken, die die Preisentwicklung von einzelnen Chassisnummern zeigten. Jetzt sind sie wieder da, 30 Beispiele gibt es zu analysieren. Nur bei Autos, die auch in der Periode 2013 bis 2016 verkauft wurden, zeigen sich nachlassende Preise, ansonsten stiegen die Fahrzeuge (fast) immer im Wert, egal ob sie von Ferrari, Duesenberg, Bugatti oder Lamborghini stammen.
Da gibt es den 94er Toyota Supra mit Chassis 9030, der sich zwischen 2011 von 2021 fast verfünfundzwanzigfachte, aber auch den Porsche 918 Sypder (Chassis 800089) aus dem Jahr 2015, der zwischen 2017 und 2021 fast die Hälfte seines Werts verlor.
Die 192 teuersten Autos
Es waren 192 Autos, die 2020-2021 für eine mindestens siebenstellige Summe den Besitzer wechselten. An der Spitze liegt der McLaren F1, den Gooding & Co in Pebble Beach für knapp über 20 Millionen USD vermittelte, gleich dahinter folgen die drei BAT 5-7-9, die vom RM/Sotheby’s als Gruppe für USD 14,84 Millionen verkauft wurden.
Den 15 wertvollsten Autos widmeten Orsi/Gazzi wie immer einen ausführlicheren Artikel. Neben den bereits erwähnten tauchen hier natürlich diverse Ferrari, aber auch mehrere Bugatti, ein Matra, ein Aston Martin, ein Jaguar, ein McLaren Monoposto, eine Cobra und ein Duesenberg auf.
Die Seite 74 zeigt dann einen Citroën 2CV Charleston, der am 30. August 2021 von Aguttes für EUR 141’960 verkauft wurde. Bereits der Schätzwert von EUR 50’000 bis 70’000 hatte darauf hingewiesen, dass hier ein spezieller Wagen angeboten wurde, die Bieter aber gaben dem an und für sich nicht seltenen Wagen noch mehr Kredit. Dies lag sicherlich daran, dass der Wagen nie gefahren und nie eingelöst wurde und sozusagen im Neuwagenzustand zu haben war.
Unterhaltung
Natürlich richtet sich das Auction Yearbook vor allem an jene Leute, die sich aktiv mit dem Oldtimer- und Klassikerhandel beschäftigen. Man kann sich damit aber auch unterhalten, denn es ist beispielsweise durchaus spannend zu verfolgen, wieviele BMW über die Jahre versteigert wurden und wie hoch jeweils die Verkaufsquote war.
Auch einer eher unterhaltenden Aspekt hat die Seite mit den Top 20 der letzten 28 Jahre. 11 davon stammen aus Modena, die Liste führen zwei GTO mit USD 48 und 38 Millionen Hammerpreis an.
Fast schon zum Weinen können einen die Seiten ab 374 bringen, wenn man sieht, zu welchen Preisen einst ein Ferrari LM (USD 589’119) oder ein Maserati Birdcage (USD 1,1 Millionen) vor vielen Jahren versteigert wurden und es so in die Top 5 des Jahres schafften.
Mit EUR 80 / CHF 90 ist das Auction Yearbook nicht billig, aber wer bereits die vergangenen Jahrgänge gekauft hat und es liebt, derartige Informationen auf Papier zu sammeln, der wird auch um die jüngste Ausgaben nicht herumkommen. Lesenswert ist das Werk auf jeden Fall, denn die Kombination von Datensammlung, Analyse und Kommentarteil ist wertvoll.
Bibliografische Angaben
- Titel: The Classic Car Auction Yearbook 2020 - 2021
- Autoren/Editors: Adolfo Orsi und Raffaele Gazzi
- Sprache: Englisch
- Verlag: Historica Selecta SRL
- Auflage: 1. Auflage Oktober 2021
- Format: Gebunden, 24,3 x 31,5 cm
- Umfang: 400 Seiten, 834 Farb- und Schwarzweissabbildungen, viele Grafiken
- Preis: EUR 80.00 / CHF 90.00
- ISBN: 978-88-96232-13-2
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