Die Rétromobile Paris gehört zu den Fixterminen in vielen Terminkalendern von Oldtimer-Enthusiasten aus aller Welt. Hier trifft man sich, hier gibt es etwas zu sehen, seit Jahrzehnten ist das so.
Und immer wieder kann sich der Rétromobile noch steigern, dies zeigen die leuchtenden Augen der Besucher.
Wieder etwas grösser
Quadratmetermässig gesehen gehört die Rétromobile eigentlich zu den kleineren Messen, aber immerhin konnte die Ausstellungsfläche für die Austragung 2017 wieder etwas gesteigert werden. Mit 65’000 Quadratmetern und 500 gezeigten Fahrzeugen blieb aber die Messe weiterhin übersichtlich. Die Vergrösserung und die hinzugekommene Halle wurden dazu benutzt, die Ausstellung etwas zu entwirren. Clubs waren nun vornehmlich oben im hinteren Teil, während den Ersatzteilhändler und den Künstlern unten in Halle 1 etwas mehr Platz eingeräumt wurde.
Staugefahr
Wer gehofft hatte, dass sich die Vergrösserung in einem geringeren Gedränge der 118'266 (8 % mehr als im Vorjahr) registrierten Besucher auswirken würde, sah sich spätestens am Freitag getäuscht. Sowohl beim Eingang wie auch bei den Verpflegungsmöglichkeiten bildeten sich schon bald grössere Staus und auch zwischen den Ständen gab es manchmal kaum ein Durchkommen.
Erfahrene Rétromobile-Besucher kennen nichts anderes und sind auch gerne bereit, damit zu leben. Das Gebotene entschädigt reichhaltig.
Versteigerungs-Marathon
Zur Rétromobile gehören auch die drei Fahrzeug-Versteigerungen, die jeweils am Mittwoch, Donnerstag und Freitag von den Auktionshäusern RM/Sotheby’s , Bonhams und Artcurial durchgeführt werden. Während RM und Bonhams zwar in Paris, aber nicht gerade in nächster Nähe der Messe einladen, findet die Artcurial-Versteigerung gleich vor Ort statt und zieht jeweils Massen an Zuschauern an. Insgesamt dauerten die drei Auto-Versteigerungen rund 20 Stunden, wer überall dabeisein wollte, musste also echte Marathon-Kondition aufweisen.
70 Jahre David Brown
Vor 70 Jahren übernahm der Unternehmer David Brown, der sein Geld unter anderem mit Traktoren machte, die Sportwagen-Firma Aston Martin. In der Folge entstanden elegante und schnelle Gran-Turismo-Fahrzeuge, aber auch konkurrenzfähige Rennwagen, die u.a. die 24 Stunden von Le Mans gewinnen konnten.
Am bekanntesten aus jener Zeit ist aber wohl das Auto, das James Bond gleich in mehreren Filmen fuhr, der Aston Martin DB5. Und exakt dieses Auto mit all den aus dem Film bekannten Q-Ausstattungselementen (Maschinengewehr, Ortungssystem, Schleudersitz, Ölwerfer, Reifenschlitzer, Kugelschutz, usw.) gab es in Paris auf der Mitte eines grossen Stands zu sehen, der mit vielen weiteren edlen Aston Martin Automobilen bestückt war.
Beginnend mit dem Aston Martin DB1 konnten die meisten relevanten Modelle bis zu den V8-Typen gezeigt werden und natürlich fehlte auch ein Traktor nicht.
Bugatti gegen Bentley
Sie kamen aus verschiedenen Welten, Ettore Bugatti und Walter Owen Bentley, aber sie wollten beide dasselbe: Schnelle Autos für eine erlesene Kundschaft bauen. Die Rezepte waren verschieden, Erfolge konnten sie beide feiern. Bugatti baute ästhetische Gesamtkunstwerke, Bentley die schnellsten Lokomotiven der Welt und damit die Le-Mans-Sieger ovn 1924, 1927, 1928, 1929 und 1930.
Auf dem Stand von Lukas Hüni konnte man die Erzeugnisse der beiden Autobauer vergleichen und dies anhand einmaliger Exemplare. Da war beispielsweise der Bugatti 35C von Maurice Trintignant oder der Bentley von Captain Woolf Barnato. Fast zwei Dutzend Fahrzeuge der beiden Marken zeigten, wohin die Reise ging.
Nicht nur Franzosen - edles Blech für edle Preise
Anziehungspunkte waren auch im Jahr 2017 die aufwändig aufgemachten Händler- und Spezialisten-Stände. Ob sie nun Fisken, J.D. Classics, Zweimüller oder RM/Sotheby’s hiessen, sie alle hatten rare Klassiker nach Paris gebracht. Dass derartig edles Blech nicht günstig sein kann, zeigte ein kurzer Blick auf die Preisschilder, sofern es solche überhaupt gab.
Viele Fahrzeuge waren allerdings gar nicht verkäuflich, sondern dienten eher der Generierung von Interesse. Paris ist halt, weniger als Essen oder Padua, eher eine Marketing- als eine Verkaufsveranstaltung, was für das Publikum eher ein Vor- denn ein Nachteil ist. Zumindest wird damit verhindert, dass man an jedem zweiten Stand die fast schon uniforme Auswahl an “Blue Chip”-Klassikern findet.
Französische Spitzentechnik der Vergangenheit
Ernest Henry, ein Schweizer Ingenieur, entwickelte anfangs der Zwanzigerjahre für Ballot einen Dreiliter-Rennwagen, der seiner Zeit voraus war. Das Herzstück war ein Achtzylinder-Reihenmotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen und vier Ventilen pro Zylinder. Über 100 PS leistete dieses Aggregat und die Ballot-Werksfahrer waren damit ziemlich erfolgreich. Die Plätze 2 und 3 beim Französischen Grand Prix von 1921, sowie der zweite Platz in Indianapolis im Jahr 1920 und der Sieg beim Grossen Preis von Italien 1921 zeigten, dass der Wagen schnell war.
Zwei der vier Werkswagen konnten an der Rétromobile wieder zusammengeführt werden, ihre Technik und Eleganz beeindruckt noch heute.
Im Jahr 1927 dominierte die Marke Delage die Grand-Prix-Szene. Roger Benoist und sein Delage 1500 waren kaum zu schlagen. Ausgerüstet war dieser Wagen mit einem für die Zeit sehr fortschrittlichen Achtzylinder-Reihenmotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen, der für 100 PS pro Liter Hubraum und Drehzahlen von 8500 Umdrehungen gut war.
Vier Wagen wurden für die Saison 1927 gebaut, zwei weitere im Jahr 1936. Sie haben alle überlebt und an der Rétromobile konnten sie erstmals alle zusammen gezeigt werden, eigentlich eine Weltsensation. Die filigranen Rennwagen sind eine Augenweide und man hätte sich nur gewünscht, dass ihre Motoren gestartet worden wären. Man hätte sich wie im Paradies gefühlt.
Alpine in Weiss, die anderen in Farbe
Eindrücklich waren auch dieses Jahr wieder die Auftritte der französischen Marken.
Alpine-Renault zeigte fast die ganze Palette aus 50 Jahr Fahrzeugproduktion, Citroën, Renault und Peugeot versammelten Raritäten auf ihren Ständen.
Interessant wir insbesondere auch die Aufstellung der Renault Prototypen, die den Bogen von den Neunzigerjahren bis in die Neuzeit schlugen.
Die Gruppe B im Stand
Im Jahr 1982 wurde die Gruppe B als Ersatz für die Gruppen 4 und 5 als Basis der Rallye-Weltmeisterschaft eingeführt. Es reichte, 200 Fahrzeuge zu produzieren, die auf einem Serienfahrzeug basieren mussten und fertig war der potentielle Rallye-Sieger. Die grossen Automobilhersteller investierten kräftig, die Ingenieure erhielten fast komplette Freiheit.
So entstanden Fahrzeuge wie der Peugeot 205 T16 mit Mittelmotor und Allradantrieb, aber auch der Audi quattro Sport S1 E2 mit über 600 PS. Lancia baute zuerst den 037 und dann den Delta S4, Citroën den BX 4TC, Ford den RS 200, Nissan den 240 RS, Opel den Manta 400 und die Rover-Gruppe den Austin Metro 6R4.
Auch Modelle von Mazda, Toyota und Ferrari mischten in der Rallye-Meisterschaft mit, bis man 1986 entschied, dass die Autos zu schnell zu zu gefährlich waren. Kurzerhand wurde die Gruppe B abgeschafft, geblieben aber sind die Rennwagen von damals, von denen an der Rétromobile eine beeindruckende Auswahl gezeigt werden konnte.
Die Experimente der Formel 1
Sie waren eigentlich allesamt nicht erfolgreich, die vier- und sechsrädrigen Experimente der Formel-1-Ingenieure der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre. Interessant aber waren sie allemal, ob es sich dabei nun um vierradangetriebene Monoposti von BRM, Cosworth, Lotus oder McLaren handelte, oder um sechsrädrige Einsitzer von Tyrrell oder March handelte.
Der Tyrell P34 konnte sich immerhin zwei Jahre behaupten, ein Rennen beendete er siegreich. Die anderen Autos nahmen nur an wenigen oder keinen Rennen teil und kamen nie auf nennenswerte Resultate. Technisch aber sind sie alle hochinteressant, auch 40 bis 50 Jahre nach ihrer Entstehung. In einer Sonderausstellung wurden sie einander gegenübergestellt und sorgten sicherlich für viele Diskussionen bei den Besuchern. Ein separater Artikel erklärt die interessanten Rennwagen.
Zweimal 70 Jahre Ferrari
Gleich auf zwei Ständen wurde der Marke Ferrari gehuldigt. Da war einmal die Sonderschau “70 Jahre Ferrari” in der oberen Halle, auf der Fahrzeuge wie der 166 MM, der 250 LM oder 500 TRC zu sehen waren.
Und da gab es noch eine kleine aber feine Ausstellung mit Ferrari Formel-1-Wagen in der Halle 1, auf der man zum Beispiel den 312 B3 Spazzaneve von 1973 mit dem 312 B3 von 1974 oder dem 312 F1 von 1969 vergleichen konnte, Autos aus einer Zeit, in der die Rennequipe zwar nicht immer sehr erfolgreich war, aber immer mit optisch interessanten Autos aufwarten konnte.
Französische Exoten
Jedermann kennt die Autos von Peugeot, Citroën und Renault. Aber es gab neben den grossen Automarken auch viele Tüftler und Entwickler, deren Autos nie in Grossserie produziert wurden. Solche gab es auch an der Rétromobile 2017 wieder zu entdecken.
Da war zum Beispiel der Minima von 1968, einem indirekten Vorläufer des Smart. Sein Entwickler Victor Bouffort hatte erkannt, dass ein kompaktes Auto im immer enger werdenden Verkehr viele Vorteile haben würde. So baute er einen Zweisitzer, der 120 km/h schnell fahren konnte, aber so kurz war, dass er quer in einer Parklücke Platz fand. Dank Schiebetüren konnte man auf engstem Raum aus- und einsteigen. Präsentiert wurde der Wagen auf dem Pariser Autosalon des Jahres 1973, der Presse vorgestellt wurde er auf dem 56. Stock des Tour de Montparnasse. Trotz interessanten Ansätzen wurde der Wagen nie in Serie hergestellt.
Noch früher entstand der Chasson CHS. Während der französischen Besetzung wurde dieser Kleinstwagen entwickelt, der für die Grosserienproduktion ausgelegt war. Doch das Fehlen von Stahl und andere Limitierungen der Zeit verunmöglichten den Bau. Auch ein Unternehmer in Grossbritannien, der den Prototypen und die Ideen übernahm, schaffte es nicht. So blieb der Prototyp verschollen, bis er 2012 wieder auftauchte. Nun ist er restauriert und konnte in Paris erstmals öffentlich gezeigt werden.
Französische Turbos
Vor 40 Jahren trat Jean-Pierre Jabouille erstmals mit einem Turbomotor in der Formel 1 an. Trotz vieler Rückschläge glaubte man bei Renault an die leistungssteigernde Technik. Zwei Jahre später konnte man den ersten Grand Prix gewinnen, wenige Jahre später starteten alle Formel-1-Teams mit Turbo-Motoren.
Renault selber aber übernahm die Turbo-Technologie in den Serienwagenbau. Mit dem Renault 5 Turbo wurde 1980 das erste Turbo-Fahrzeug lanciert, es folgten der Renault 5 Alpine Turbo, Turbo-Varianten des R9, R11, R18, R21 oder R25. Auch den Fuego gab es mit Turbolader und natürlich auch die Flundern von Renault-Alpine. Ihnen alle wurde eine Youngtimer-Sonderschau gewidmet.
Französische Zweiräder
Die Franzosen hatten nicht nur eine reichhaltige Automobil- sondern auch eine vielfältige Motorrad-Industrie. Eine Auswahl deren Erzeugnisse wurde in einer sehenswerten Sonderausstellung in der oberen Halle gezeigt.
Da konnte man lernen, dass Blériot nicht nur Flugzeuge, sondern eben auch Motorräder gebaut hatte. Dass man dabei auf den Werbespruch “elle ne roue pas, elle vole” kam, lässt sich mit der Provenienz ganz gut erklären.
Richtig alte Autos - auch im Fahrbetrieb
Natürlich stehen die Autos auf Messen vornehmlich, aber an der Rétromobile wurde auch gefahren und zwar u.a. mit durchaus abenteuerlichen und altertümlichen Geräten der Marke GN aus dem National Motor Museum von Beaulieu. Und die Besucher durften dabei sogar auf dem Beifahrersitz Platz nehmen.
Dass diese sich dann ab und zu mit den Bedienungselementen verhedderten und den Fahrer zum Verlassen des Wagens zwecks Neustarts veranlassten, sorgte beim Publikum für gute Unterhaltung und beim Beifahrer für rote Ohren.
Auch Youngtimer
In Paris gab es natürlich wie an anderen Oldtimer-Messen auch neuere Autos, vornehmlich natürlich Youngtimer-Fahrzeuge. So fanden sich gleich auf mehreren Ständen ein Peugeot 205 GTI, man sah eine Renault Spider und eigentlich müsste man ja auch die Erzeugnisse von Pur Sang oder die frisch gebauten Jaguar XKSS der Neuwagenszene zurechnen.
Insgesamt fand sich aber an der Rétromobile ein guter Mix aus Alt und (fast) Neu mit Betonung auf die historischen Fahrzeuge.
Die farbige französische Clubszene
Einmal mehr einen Extra-Tag wert gewesen wären die Stände der französischen Clubszene. Was diese kleinen Organisationen jedes Jahr aus dem Boden stampfen, ist bewundernswert. Da wird umfangreiches Fotomaterial zusammengetragen und natürlich ein rares Automobil auf den Stand gestellt.
Trotz mehr Fläche ging es gerade bei den Clubs immer noch sehr eng zu und her, so dass es gar nicht einfach war, den reichhaltigen Fundus komplett zu sichten. Über mangelnden Andrang konnten sich die Clubvertreter jedenfalls nicht beklagen.
Ob De Dion Bouton, Panhard Levassor, Hotchkiss oder Facel Vega, sie verdanken der französischen Clubszene, dass sie nicht in Vergessenheit geraten.
Aber auch nicht-französischen Marken halten Clubs in Frankreich die Treue, ob sie nun Rover oder BMW heissen. Die Clubstände waren auch 2017 das Salz in der Pariser Suppe.
Gelungener Saisonbeginn
Die Pariser Messe kann sicher für sich in Anspruch nehmen, einen gelungen Start zur diesjährigen Oldtimersaison gesetzt zu haben. Wer nach dem Besuch der Ausstellung nicht motiviert auf den Frühling hofft, dem ist eigentlich kaum zu helfen.


















































































































































































































































































































































































































































































































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