Schönstes Frühlingswetter! Warum kam man da wohl auf die Idee, sich bei Sonnenschein durch acht riesige Hallen zu quälen und stehende Automobile bewundern? Nun, vor allem halt weil an der Retro Classics 2012 in Stuttgart wirklich Aussergewöhnliches zu sehen war!
Der Bogen über fast 90 Jahre Maserati-Geschichte in einer Sonderausstellung
1914 gründeten die fünf Brüder Alfieri, Bindo, Carlo, Ernesto und Ettore Maserati die Firma Maserati, das Markenzeichen entlehnten sie von einem Naturbrunnen in Bologna. Noch heute, auch Jahrzehnte nach den letzten grossen Formel-1-Erfolgen, hat die Marke einen legendären Klang, unvergessen sind die berühmten Maserati 250 F, die Tipo 8 CM, aber auch die Sportrennwagen 300 S oder 450 S. Und sie alle hatte Björn Schmidt für die Retro Classics zusammengetrommelt und in einer Sonderausstellung zusammen mit den ebenfalls berühmten GTs und Limousinen ausgestellt. Selbst mit dem Cooper-Maserati von 1966 konnte man ein Wiedersehen feiern.
Die Amerikaner sind da
Stärker vertreten als früher waren die amerikanischen Klassiker bis hin zu den Hot Rods und Neuwagen. In der Halle 5 konnte das ganze Spektrum von der Familienlimousine bis zum heissblütigen Sportwagen, vom Restaurationsobjekt bis zum neuwertigen Oldtimer bewundert werden.
Werke mit Zurückhaltung
Weniger stark in Erscheinung als in Essen traten die Fahrzeughersteller, sie überliessen gerne einen Teil der Öffentlichkeitsarbeit den Clubs, ihre eigenen Stände waren kleiner und weniger aufdringlich. BMW feiert 40 Jahre Motorsport GmbH, zeigte Fahrzeuge der Dreierreihe und zusammen mit den Clubs edle Meilensteine aus der langen Markengeschichte. Da passte ein Glas V8 3000 Coupé genauso hinein, wie der McLaren F1 BMW GTR, der 1997 bei den 24 Stunden von Le Mans teilgenommen hat, der legendäre Renn-Tourenwagen BMW 1800 TI/SA oder ein als Ausstellungsfahrzeug präparierter BMW 600.
Mercedes fokussierte seine Präsenz auf das 60-Jahre-Jubiläum des “SL” und zeigte wie in Essen auch eine Art "Mobile", das die Ersatzteilkompetenz der Mercedes-Klassik-Abteilung illustriert.
Erstmals das Porsche-Museum
Zum ersten Mal an einer Messe vertreten war das Porsche-Museum. Wohl wegen der Terminüberlappung von Essen und Stuttgart etwas der Not gehorchend präsentierte das Museum nicht nur Einblicke in die Museums-Werkstatt, sondern auch zwei Fahrzeuge aus 60 Jahren Langstreckenerfolgen, ein Porsche 356 SL, mit dem Auguste Veuillet 1951 den ersten Le-Mans-Klassensieg einfuhr und ein Porsche 908 Langheck-Coupé, das 1969 mit Hans Herrmann und Gérard Larrousse nur knapp den Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans verpasste.
Reutter und Recaro wieder zuhause
Neu gegründet und schon auf der Retro Classics präsent war die Traditionsabteilung von Recaro. Das vor allem als Hersteller von Sportsitzen bekannt gewordene Unternehmen Recaro blickt auf eine interessante Vergangenheit zurück, die bereits 1906, also 57 Jahre vor der Gründung von Recaro selber, beginnt, als Wilhelm Reutter die “Stuttgarter Carosserie- und Radfabrik” gründet. Reutter stellte komplette Karosserieaufbauten für alle namhaften Chassis-Anbieter der Zeit her und begann 1949 Karosserien für den Porsche 356 zu bauen. Als man schliesslich 1963 die Karosseriefertigung an Porsche verkaufte, gründete man die Sitzfertigung aus, aus REutter CAROsserie entstand RECARO. Unter dem Slogan “wieder zuhause” enthüllte Recaro denn folgerichtig einen frühen Porsche 356 aus dem Jahre 1951, damals von Reutter gebaut und eines der 50 Fahrzeuge der ersten Serie.
Beeindruckende Club-Präsenz
Clubs bilden traditionsgemäss einen wichtigen Anziehungspunkt auf der Retro Classica, das war im aktuellen Jahr nicht anders. Für jeden gab es etwas zu entdecken, sei es eine Gruppe von originalen Gruppe B und A Rallye-Fahrzeugen von Lancia, sei es eine Gruppe von putzigen Puch 500 oder eine stilisierte Werkstatt für die Mercedes-Heckflossen-Limousine. Eine reichhaltige Sammlung der Erzeugnisse von NSU fand ebenso begeisterte Betrachter wie der Triumph Stag, der seinen 40. Geburtstag feiert.
Raritäten bei den grossen Händlern
Gross trumpften auch die vielen Händler an der Retro Classics auf. Horden von 300 SL stellte zum Beispiel Kienle auf, Mirbach zeigte unter anderem ein Talbot Lago 2500 Sport Europa Coupé von 1956, sowie einen Porsche 917. Bei Koch Klassik konnte man einen der seltenen Ford RS 200 S kaufen, bei der Classic Car Collection Franz Wittner ein Aston Martin DB5.
Noch zu reden geben wird der wieder aufgetauchte MBM SP 100, ein Rennsportwagen, den Peter Monteverdi 1960 gleich mit zwei Getrieben und einem Osca-DOHC-Motor ausrüstete und der jetzt auf dem Gemeinschaftsstand der Oldtimer Galerie Toffen und der Sportgarage Graber stand. Die Oldtimer-Galerie Toffen wird auch die nächstjährige Versteigerung an der Retro Classics ausrichten, wenn damit Fahrzeuge wie der MBM ins Angebot kommen, dürfen wir uns freuen.
Die zahlreichen Händler boten ein enormes Spektrum an Klassikern aller Altersgruppen an, da gab es auch manche Trouvaille zu entdecken, wie zum Beispiel der Wartburg 313 Sport von 1958, der in wunderschönem Weiss sehr elegant aussah.
Eines von 3’000 Fahrzeuge soll es sein?
Wer in einen Oldtimer investieren wollte, war in Stuttgart gut aufgehoben. 3’000 Fahrzeuge wurden angeboten, vom VW Polo der ersten Serie, über Ford Capri aus erster Hand oder einem unrestaurierten VW Golf GL der ersten Serie im Originalzustand, bis zu Porsche-917-Nachbauten, BMW E30-Cabrios oder der Extremlimousine Aston Martin Lagonda.
Feilgeboten wurden die Fahrzeuge von Händlern und privaten Käufern, welche dieses Jahr ihre Autos in der Galerie der Halle 1 präsentieren konnten. Wer also zum Beispiel einen Alfa Romeo Spider suchte, konnte aus mindestens zehn Fahrzeugen auswählen. Wo sonst ist das möglich? Bei der Auktion von Lankes konnte man einen Aston Martin gleich inklusive Startplatz an der Mille Miglia ersteigern, aber auch mit dem VW Käfer kann man am berühmten Rennen in Italien teilnehmen, günstiger, allerdings ohne garantierten Startplatz.
Erworbenes kann gleich vor Ort zugelassen werden
Wer kaufen wollte, fand alle nötigen Dienstleistungen vor Ort, um das Schmuckstück auf Achse heimzufahren. Oldtimer-Bewertungen, Versicherungen, TÜV-Untersuchungen, Zulassungen und selbst das Nummernschild konnten in der Halle 6 gleich besorgt werden. Einfacher kann man es nicht mehr haben!
Auch Nutzfahrzeuge und Busse
Für viele ein Grund, nach Stuttgart zu fahren, war wie jedes Jahr die Halle der Nutzfahrzeuge und Busse. Setra-Busse aller Couleur konnten hier bewundert werden, genauso wie 100 Traktoren, Maschinen und Geräte, die einen Einblick in die Landtechnik des letzten Jahrhunderts erlaubten.
Weiterhin positive Entwicklung
Komplett ausgebucht sei die Messe, vermeldete Roland Bleinroth, Geschäftsführer der Messe Stuttgart stolz zu Beginn der Pressekonferenz. Der Trend zum eigenen klassischen Auto sei ungebrochen. Um über 10% sei der Bestand an über 30 jährigen Fahrzeugen in Deutschland 2011 gestiegen, der Wert dieser Sammlerstücke steige stetig.
1’278 Aussteller aus 13 Ländern füllten alle Messehallen nahezu vollständig. So gesehen schien die unglückliche Überlappung mit der Techno Classica keine negativen Auswirkungen zu zeigen, nur die kleineren Händler, die sich für eine der beiden Messen entscheiden mussten, dürften die Leidtragenden gewesen sein.
65'000 Besucher erlagen dem Reiz der alten und neueren klassischen Fahrzeuge in Stuttgart und zogen einen Rundgang durch die Hallen anderen Beschäftigungen, die das warme Frühlingswetter sicher auch ermöglichte, vor.
Ob auch das Publikum im Zweifelsfalle der einen oder anderen Messe den Vorzug geben musste, wird sich nach Veröffentlichung aller Besucherzahlen zeigen. Auf jeden Fall solle es in den nächsten Jahren nicht mehr zu einer Terminkollision mit Essen kommen, versicherten die Organisatoren auf beiden Seiten.
Wer nicht nach Stuttgart reisen konnte oder wollte, dem sei die reichhaltige Bildergalerie empfohlen. Aber auch für Besucher bieten die Bilder des Messerundgangs die Möglichkeit, sich an das eine oder andere Exponat nochmals zu erinnern.