Fand im Vorjahr die Essen Motor Show coronabedingt noch in einer "abgespeckten" Version und eingeschränkt (z. B. Maskenpflicht in den Hallen) statt, kam die diesjährige 54. Auflage fast wieder an das Niveau von 2019 heran. Auch wenn sich die Automobilhersteller in Laufe der letzten Jahre weitgehend zurückgezogen haben und auch die Zeit der "Messemodels" endgültig passé sein dürfte, gab es wieder einen bunten Mix aus sportlichen Serienfahrzeugen, Tuning, Motorsport und Events. Und nicht zuletzt den "Classic und Prestige Salon" in den Hallen 1 und 2, der nun auch schon auf eine vierzigjährige Tradition zurückblicken kann und hier selbstverständlich von besonderem Interesse ist.
Viele Jubiläen
Auch Jubiläen und Premieren fehlten nicht. Mit einer Sonderschau wurde daran erinnert, dass es seit nunmehr 70 Jahren sportliche Fahrzeuge von Mercedes-Benz mit dem Zusatz "SL" gibt, beginnend mit dem 300 SL, von denen je ein Flügeltürer und ein Roadster neben anderen exquisiten Sportwagen der Extraklasse rund um den "Tempel" der SIHA gezeigt wurden. Nach der "Pagode" (W 113) und den Baureihen R 107 und R 129 ist die "SL-Klasse" im Lauf der Jahrzehnte ein fester Programmbestandteil des Herstellers geworden. Bestens dazu passte ein weiteres "halbes" Jubiläum, nämlich "55 Jahre AMG". Gezeigt wurden bei SIHA ein SL 63 AMG, ein SLS AMG und ein AMG GT-R Black Series. Diese Fahrzeuge befanden sich in der illusteren Gesellschaft eines Ferrari 512 BB, eines Ferrari Portofino M, eines Bugatti EB 16.4 Veyron sowie eines CCXR der schwedischen Sportwagenmanufaktur Koenigsegg.
Fotografisch reizvoll aus jedem Winkel war auch der skulptural gestaltete Supersportwagen Apollo IE mit seinen changierenden Farben. Bleiben wir noch kurz bei den Jubiläen. Die berühmten "24 Stunden von Le Mans" gibt es im nächsten Jahr nun schon seit 100 Jahren. Das Technik-Museum Sinsheim wird dies mit einer Sonderausstellung würdigen und zeigte im Vorgriff dazu einen Triumph TRS von 1961. Bei diesem Wagen handelt es sich um eines von vier Originalfahrzeugen. Aller-dings ist dieses Exemplar das Reserveauto, welches nicht im Rennen eingesetzt wurde.
Die Halle 3 wartete mit einer weiteren Sonderschau auf: Unter dem Titel "Faszination Black & Gold – 50 Jahre John Player Special" wurden 18 Autos des Rennstalls Lotus im legendären schwarz-goldenen Design des Zigarettenherstellers gezeigt. Premiere feierten auf der Essener Show sowohl der neue BMW M2 als auch der bis zu 1385 PS starke Koenigsegg CC 850, der erst am Abend des Preview-Tages feierlich enthüllt wurde. Das Modell ist anlässlich des 50. Geburtstags des Firmengründers in einer Serie von 50 Exemplaren aufgelegt worden.
Starten wir nun zu einem kleinen Rundgang, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Erwartungsgemäss wurden passend zu den obigen Jubiläen viele Fahrzeuge von Mercedes-Benz und AMG präsentiert. So gab es bei Brabus Classic gleich zwei "Pagoden-SL" – wie gewohnt makellos und hochpreisig, nämlich für 329'000 Euro pro Auto. Beide zusammen kosteten somit etwa soviel wie ein 280 SE 3.5 Cabriolet auf dem gleichen Stand. Am unteren Ende der Preisskala gab es in Essen aber nicht allzu viele Offerten. Immerhin hätte man zwischen drei Mercedes-Benz SLK der Baureihe R 170 (von 9900–13'900 € für einen SLK 320) wählen können.
Mittel- und hochpreisige Klassiker
Ein eher selten angebotener Borgward Arabella de Luxe von 1962 wurde für 14'900 € offeriert. Für 16'800 € war ein Pontiac Grand Prix von 1976 im Angebot; einen Porsche 944 Turbo gab es für 23'800 €, und ein BMW 323i Baur Cabrio (E 21) von 1979 hätte bereits 36'000 € gekostet. Es waren auch einige amerikanische Autos erhältlich, so etwa zwei 1956er Ford Thunderbird für 36'800 € bzw. 41'800 €, letzterer in "Fiesta Red" mit Bullaugen-Hardtop. Ein Buick Special 2-Door Riviera von 1958 wurde für 41'800 € angeboten und hatte schon kurz nach Öffnung der EMS einen neuen Eigentümer gefunden.
Deutlich teuerer war ein Citroën DS 21 Cabriolet, für das 149'000 € verlangt wurden. Doch auch ein klassisch schöner Ferrari 250 GT SWB von 1962 konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten der in Essen gezeigten "Classic und Prestige Cars" dann doch eher aus neuerer Zeit stammten. So etwa der Lamborghini Murciélago SV-R oder der spanische Tramontana sowie die zwei X-Bow-Modelle des österreichischen Herstellers KTM. In den Hallen 1 und 2 hätte man also mehr Oldtimer erwartet, doch generell schienen die Aussteller eher zu Youngtimern oder Erwartungsklassikern zu tendieren, Vorkriegsautos spielten hier keine nennenswerte Rolle. So war denn auch ein mächtiger schwarzer Mercedes-Benz 770 bei näherem Hinsehen eine "Mogelpackung": Er basierte auf einem ML 55 AMG. Auch das Angebot an britischen Klassikern war sehr überschaubar. All dies dürfte bei der Techno-Classica an gleichem Ort im nächsten April aber anders sein.
Modernes mit klassischen Elementen – und andersrum
Selbstverständlich waren auch die dem jüngeren Publikum aus dem Privatfernsehen bekannten Tuner oder Händler wieder bei der diesjährigen EMS präsent. So zeigte etwa Sidney Industries von Sidney Hoffmann neben einem Hazard Streaker eine Reminiszenz an das berühmte rosa Porsche-917/20-Coupé, gemeinhin "die Sau" genannt. Doch statt der früher auf den pinkfarbenen Lack aufgemalten Worte "Rüssel" und "Hirn" liest man dort jetzt "Pleuel" oder "Zylinderkopf". Der omnipräsente JP Kraemer zeigte diverse BMW-Modelle und wieder einen "Supergolf", diesmal allerdings nicht mit Mittelmotor, sondern mit VR6 vorne längs. Und die für exotische Angebote bekannte Firma Sky präsentierte neben drei Ford Mustang und dem mittlerweile hinreichend bekannten Originalauto aus dem Film "Manta Manta" auch einen immerhin 5,74 Meter langen Daimler DS420, der einst dem Sänger Roger Whittaker gehörte. Originell war auch, dass einige Fahrzeuge des Händlers gleichzeitig bei Ebay ersteigert werden konnten
In der eher unterbesetzten Rubrik "Clubs und Interessengemeinschaften" nahm in Halle 3 mit einer Ausstellungsfläche von rund 600 Quadratmetern die Mercedes-Fan-World breiten Raum ein. Präsentiert wurde neben einem Mercedes-Benz 190 SL, diversen AMG, einem W123-Rallyefahrzeug auch ein auf einem Coupé der Baureihe 126 basieren-des Cabrio. Dieses wurde einst von der für ihre extravaganten Umbauten bekannten SGS Styling Garage gefertigt. Ein spannendes Projekt ist sicher auch der präsentierte Mercedes-Benz 400 E (W 124) von 1992, der von einem Schrottplatz in Los Angeles gerettet wurde und nun auf sein zweites Leben wartet.
Bei seinem Rundgang wird der Freund des klassischen Blechs die Event-Arena Halle 4 mit Autoscooter und Kartstrecke sowie die Bereiche mit laut wummernden Bässen und Extremtuning vermutlich zügig durchmessen haben. Es ist aber immer wieder erstaunlich, welche Klassiker mit Luftfahrwerken versehen werden, hier nur eine kleine Auswahl: Volkswagen Ovali-Käfer und 1600 TL, Porsche 356, Mercedes-Benz Strichacht, 124 und 126 Coupé, Opel Kadett E GSI, Ford Sierra etc. Aber auch Autos der Jetztzeit wurden Luftfahrwerke verpasst, etwa einem Aston Martin Vantage V8 oder einem Tesla Modell 3. Eine gewöhnungsbedürftige Mischung. Neben erwartbaren übergrossen Felgendurchmessern fielen dem Berichterstatter die zahlreichen Firmen auf, die sich ausschliesslich mit der Folierung von Autos ("car wrapping") beschäftigen. Und wie schon bei der letzten EMS waren sehr bunte Farben angesagt, was ja tendenziell eher zu begrüssen ist. Dennoch schien der Anteil pinkfarbener Fahrzeuge überproportional.
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