Gottseidank ist die Classic-Gala Schwetzingen noch immer fast so etwas wie ein Geheimtipp. Oder vielleicht verteilen sich die vielen Zuschauer im riesigen Park des Schlosses von Schwetzingen einfach besser als an anderen Veranstaltungen.
Jedenfalls kommt kaum Dichtestress auf, wenn sich rund 160 Autos (es dürfen auch gerne ein paar mehr sein) in der überaus grosszügigen Gartenanlage des Schwetzinger Schlosses, dessen Geschichte als Wasserschloss bis ins Jahr 1350 zurückgeht, aufstellen und bewundert werden.
Aber es ist nicht nur die idyllische Gesamterscheinung, die den Reiz der von Johannes Hübner organisierten Veranstaltung ausmacht. Es ist die Mischung der Fahrzeuge.
Zwar gibt es auch in Schwetzingen Sportwagen von Porsche, Ferrari oder Maserati zu bewundern, doch diese spielen eine Nebenrolle. Sie werden beispielsweise von den Kleinwagen im Zentrum sprichwörtlich in die Ecke gedrängt.
Neben den Kleinwagen fallen aber auch jedes Jahr die frühen und besonderen Automodelle der Vorkriegszeit auf, die man sonst nur noch allzu selten sieht.
Die einmalige Stoewer Sonderschau
Für ein riesiges Ausrufezeichen aber sorgte an der 14. Classic-Gala, die vom 31. August bis 2. September bei guten Wetterbedingungen stattfand, aber die Stoewer-Sonderschau!
Der Autohersteller Stoewer ist heutzutagen nur noch Experten bekannt. Dabei gehörte die Firma, die aus Stettin heraus einige der modernsten Fahrzeuge jener Zeit baute, zwischen 1899 und 1945 zu den bekanntesten Herstellern überhaupt.
Begonnen hatte man mit drei Versuchswagen ab 1899, teilweise mit Ein-, teilweise mit Zweizylindermotoren. Dann kam 1901 der erste kaufbare Stoewer heraus, 10 PS stark, dem schon bald kräftigere Varianten mit 20 und 40 PS folgten bis 1905. Weil es damals gar nicht so einfach war, reiche Leute vom eigenen Produkt zu überzeugen, baute Stoewer ab 1908 ein Volksauto namens G4, das mit kleinem Vierzylindermotor alltagstauglich und für eine Produktion von 1070 Exemplaren gut war.
Auf dem Erfolg konnte man ausbauen und so entstanden vor und nach dem ersten Weltkrieg eine Vielzahl von Automobilen mit vier und sechs Zylindern, der berühmteste war der D3, den man 2000 Mal verkaufen konnte.
In den späten Zwanzigerjahren entstanden auch Achtzylinder-Luxusfahrzeuge, nur wenig später aber konnte auf der Berliner Autoausstellung 1931 der erste Serienwagen mit Frontantrieb und V4-Motor als “V 5” präsentiert werden. Auf den V 5, der rund 2100 mal gebaut wurde, folgte der R140 im Jahr 1932, der nun aber einen Reihenvierzylinder mit den frontgetriebenen Rädern koppelte.
Als Wappentier verwendete man bereits in jener Zeit den “Greif” und dieses Maskottchen wurden bald auch namensgebend für die unterschiedlichsten Personenwagen mit wassergekühltem V8 und luftgekühltem Vierzylinder-Frontmotor. Für den kleineren Wagen bediente man sich einer Tatra-Lizenz, die Fahrgestell und Motor abdeckten. Bis 1939 wurden immerhin 4000 Wagen gebaut, mehr als von jedem anderen Stoewer.
Bis 1939 kamen noch die Modelle Sedina und Arkona auf den Markt, aber nach 210 Exemplaren musste die Produktion wegen des zweiten Weltkriegs eingestellt werden.
Nach dem Krieg kam die Autoherstellung nicht mehr in Gang, so dass es bei insgesamt etwa 41’000 gefertigten Fahrzeugen blieb, von denen höchstens noch deren 260 Wagen überlebt haben. Rund ein Dutzend von ihnen waren direkt vor dem Schloss zu bewundern, eine vermutlich einmalige Zusammenstellung an einer Freiluftveranstaltung.
Luxuriöse Raritäten
Lord Rupert Guinness, bekannt geworden vor allem durch seine Brauerei und das Buch der Rekorde, leistete sich auch manchen Luxus, so unter anderem einen Rolls-Royce 20/25 HP mit besonderer Ausrüstung, um die Fahrten zwischen seinem Landsitz und London so angenehm wie möglich zu gestalten.
Der Wagen hat überlebt und er sich samt Bordbuch und Werkzeug immer noch im Originalzustand befindet. In Schwetzingen konnte man ihn bewundern und sehen, dass sich gute Fahrzeugpflege eben doch lohnt.
Das stimmte sicherlich auch für die vielen ausgestellten Rolls-Royce, die ihren Weg nach Schwetzingen gefunden hatten und von den Besuchern vielbewundert wurden.
Aussergewöhnlich rar ist waren aber auch die gezeigten Fafnir von 1904, die Mercedes Simplex und der Adler 18/35 von 1909, die allesamt aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts stammten, einer Zeit also, in der sich nur die Reichsten überhaupt ein Automobil leisten konnten, selbst wenn sie gerne selber fuhren oder ihren Wagen gar selber zusammen bauen wollte, wie die Fafnir-Werke es ermöglichten.
Kleine und grosse Gaz
Aus einer ganz anderen Gegend und Zeit stammen die Fahrzeuge mit dem Namen Gaz. Gleich drei dieser hierzulande sicherlich seltenen Limousinen waren zu sehen.
Während sich der Gaz 13 Tschaika, gebaut in den Sechziger- und Siebzigerjahren, vor allem für die Politgrössen und Regierenden eignete, sollte der Gaz M21 Wolga auch “normale” Menschen ansprechen. Er war auch hübsch karossiert, hinkte aber technisch sicherlich teilweise hinter den westlichen Vorbildern zurück.
Die sympathischen Kleinen
Immer wieder für viel Freude sorgen jedes Jahr in Schwetzingen die ganz kleinen Autos, ob sie nun Messerschmitt, Goggomobil oder Champion heissen. Sie halten unter sich auch ihren eigenen Concours.
Im Jahr 2018 gab es zudem zwei fast vergessene schwäbische Kleinwagen zu sehen. Der Hurst 250, der von 1946 an produziert wurde. Als Zielgruppe hatte der Erbauer Arthur Friedrich Hurst die Kriegsversehrten angepeilt, deshalb waren fast alle Bedienelemente um den Lenker herum angeordnet.
Nach nur 47 gebauten Exemplaren endete die Produktion bereits im Jahr 1950, weil man keine vernünftige finanzielle Grundlage für den Weiterbau finden konnte.
Strich-Acht im Jubiläumsjahr
Es ist eigentlich kaum zu glauben, dass der Mercedes-Benz der Baureihe W115 schon fünfzig Jahre alt ist. Die von Paul Bracq gezeichnete Linien war zeitlos und zurückhaltend elegant. Die Fahrzeuge waren fahrsicher und von überzeugender Qualität, was sie auch zum gerne genutzten Typen für Taxiunternehmen machte.
Trotz millionenfacher Produktion sind die Autos inzwischen selten geworden, umso mehr erfreute die in Schwetzingen zum 50. Jubiläum gezeigte Vielfalt an Strich-Achtern.
Geburtstag feierten auch andere Fahrzeuge, so etwa der BMW M1, der seinen Vierzigsten inmitten einer ganzen BMW-Parade in Erinnerung rufen durfte.
Ein wirklich unterhaltsamer und lehrreicher Streifzug
Wer in Schwetzingen alles sehen und erfahren wollte, der zog sich am besten gute Laufschuhe an. Denn meist mussten die Reihen mehrfach durchwandert werden, um dann doch noch zu einem aufschlussreichen Schwatz mit einem Fahrzeughalter zu kommen. Allerdings waren schon alleine die vielen aufgestellten Dokumentationstafeln äusserst aufschlussreich.
Beim Gang durch die Parkwege stiess man etwa auf einen Peugeot 505 GTI oder gleich zwei Melkus RS 1000. Weiter hinten konnte man sich dann eine inzwischen überaus rare Alpine A 108 betrachten oder einen der nur 337 mal gebauten Porsche 959.
Und gleich um die Ecke gab es dann auch den VW Käfer oder den Fiat 1100 zu sehen, einstige Brot-und-Butter-Autos, wie sie heute leider seltener anzutreffen sind als mancher Exote.
Um nicht allzu viele Worte verlieren zu müssen, empfehlen wir dem interessierten Betrachter die Bildergalerie, die viele der über 160 Fahrzeuge auf über 250 Bildern zeigt.
Nicht nur die Autos wurden übrigens bewundert, sondern auch deren Fahrer und Besatzungen, traten doch einige in historischer Kleider auf und luden zum zeitlich passend ausstaffierten Picknick!
Viele Auszeichnungen
Die Classic-Gala Schwetzingen ist als Concours d’Elégance organisiert. Dies bedeutet, dass die ausgestellten Fahrzeug um die Trophäe für den schönsten und originalsten Wagen buhlen, bewertet durch eine internationale Jury, deren Arbeit durch die breite Fahrzeugauswahl nicht vereinfacht wird.
Zwar sind die Auszeichnungen wichtig, noch entscheidender aber ist es, die raren Fahrzeuge einem grösseren Publikum zu zeigen.
Trotzdem resultierte die intensiven Inspektionen der Concours-Jury natürlich auch in eine Preisvergabe, die am Sonntag stattfand. Über 90 Trophäen wurden überreicht, die feierliche Übergabe setzte den Schlusspunkt der von mehr als 22’000 Besuchern verfolgten Schönheitskonkurrenz.
Zum “Best of Show” wurde der sportliche Alfa Romeo 6C 1750 GS Zagato von 1930 gekührt. Den Ehrenpreis “Design” erhielt das Lancia Flaminia 3C Zagato Coupé von 1963.
Der “Grosse Preis Classic-Gala Gold” wurde dem Besitzer des herrlichen Mercedes-Benz 710 SS Corsica von 1929 übergeben.
Die Stoewer-Freunde, die sicherlich einen wichtigen Beitrag zur Sonderschau vor dem Schloss beigetragen hatten, erhielten den Ehrenpreis der Jury.
Und den “Best of Show”-Preis des viel beachteten US-Car-Concours, der jeweils einen eigenen Bereich hinter dem Brunnen inne hat, erhielt ein Cadillac Coupé de Ville von 1959.
Die weiteren Preise sind auf der Website der Veranstaltung ersichtlich.
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher
Es ist ein S 3 Continental H.J. Mulliner Park Ward und es wurden 86 Fahrzeuge gebaut (58 RHD, 28 LHD). Nachzulesen in Every Cloud has a Silver Living von Davide Bassoli