Die Kleinstwagentreffen in der Schweiz haben schon lange Tradition. Im Jahr 2022 hätte wieder eine grosse internationale Zusammenkunft stattfinden sollen, weil aber das geplante Festgelände nicht zur Verfügung stand, musste der Anlass verkleinert und auf 75 Teilnehmerfahrzeuge redimensioniert werden.
Beim Treffen “Light” waren primär Autos bis maximal drei Meter Länge und höchstens 500 cm3 Hubraum eingeladen, die zudem vor dem Jahr 1975 gebaut worden waren. Einige Ausnahmen wurden aber gewährt, was der bunten Mischung durchaus zuträglich war. Doch davon später.
Raritäten und Volkstümliches
Der Microcar-Kosmos ist umfangreich, in den Nachkriegen und bis ungefähr Ende der Sechzigerjahre entstand eine Vielzahl an Kleinstfahrzeugen. Das Ziel ihrer Konstrukteure war es, die Unterhaltskosten eines Motorrads mit den Vorzügen des Personenwagens (Wetterschutz, Kofferraum, etc.) zu verknüpfen. So entstanden die unterschiedlichsten Drei- und Vierrad-Fahrzeuge sowie eine Art Mischung aus beidem (eng zusammenliegende Hinterräder ohne Differential). Die Passagiere sassen neben- oder hintereinander. Es gab Kleinstautos mit, aber auch ohne festes Dach. Zwei Zylinder waren schon fast Luxus, oft musste ein einziger für den ganzen Vortrieb sorgen, luftgekühlt noch dazu.
Dass die Autos klein und die Fahrleistungen eher ins Gemütliche neigten, hinderte die Besitzer nicht daran, auch längere Strecken unter die Räder zu nehmen. So fuhr man mit dem kleinen BMW 600 an die Adria oder mit der Heinkel Kabine fast bis zum Nordkap damals. Der Verbrauch hielt sich in Grenzen, irgendwo fand sich auch Platz für ein Zelt und etwas Gepäck, notfalls aufgeschnallt auf dem Heck oder dem Dach. Hauptsache man konnte in die weiter Welt hinausfahren und Neues entdecken.
Seither ist viel Zeit vergangen. die meisten Hersteller mussten irgendwann die Segel streichen, BMW baute das mit Glas übernommene Goggomobil immerhin noch bis am 30. Juni 1969. Die einstigen Käufer von Fuldamobil, Messerschmitt oder Zündapp Janus waren anspruchsvoller geworden, fuhren jetzt Käfer oder Opel Rekord. Eine Epoche endete, die kleinen Autos gingen vergessen. Jedenfalls fast.
Sammler begannen, diese Zeitzeugen der Wirtschaftswunderjahre wiederzuentdecken, Enthusiasten restaurierten die Kleinstautos, die in einer Garagenecke, einem Schopf hinter dem Hause oder beim Autoverwerter überlebt hatten. Und irgendwann tauchten die Microcars dann auch an grossen Auktionen auf, wurden teuer versteigert. Für einen FMR Tg 500 (Tiger) wurde plötzlich mehr bezahlt als für einen Ferrari oder Porsche. Und selbst eine zigtausendfach gebaute BMW Isetta erzielt heute höhere Verkaufspreise als ein Rolls-Royce Silver Shadow.
Verkehrte Welt? Vielleicht, aber wer anlässlich des Microcar-Treffens in Wohlen vom 29. April bis 1. Mai 2022 an der Strasse stand, als der Tross oder einzelne Teilnehmer vorbeirollten, konnte die Faszination für die kleinen und ach so herzigen Fahrzeuge gut verstehen. Sie sind einfach allerliebst, diese Knutschkugeln und bodengängigen Fast-Flugzeuge, die Insassen scheinen sich unendlich zu vergnügen und selbst die Sonne mochte sich ob der Vorstellung nicht mehr verstecken.
Weitgehend Wetterglück
Die Wettervorhersagen für den Anlass waren suboptimal, es waren Regenfälle angesagt und trübe Tage. Doch Petrus hatte ein Einsehen.
Es regnete zwar einige Male, aber sowohl die Rallye am Samstag als auch die Jubiläumsfahrt am Sonntag konnten unter (fast) trockenen Bedingungen stattfinden, was auch vom Publikum an der Strasse und in der “Grube” bei der Kartbahn Wohlen geschätzt wurde. Am Sonntag waren zweitweise über 300 Leute auf dem Platz, um die putzigen Kleinstautos zu bewundern.
Beeindruckende Fahrzeugvielfalt
Die gemeldeten knapp über 75 Microcars deckten ein grosses Spektrum der damaligen Herstellerlandschaft ab.
Wie zu erwarten dominierten der kleine Messerschmitt KR 200 und die BMW Isetta das Geschehen, aber natürlich waren auch die Heinkel-Kabinen und das Glas Goggomobil vertreten.
Zu den eher raren Exponenten der Kleinstwagenszene muss man das Fuldamobil, den Zündapp Janus, den Rovin D2 oder den Felber Autoreller sowie den Kroboth Allwetterroller, den Spatz 200, die Victoria 250, den SMZ S3A, den Julien MM5 oder den Frisky zählen. Dazu gesellten sich noch BMW 600, BMW 700, ein Lloyd und zwei Diavolino der Achtzigerjahre. Nicht vergessen bei der Aufzählung sollte man natürlich die rasanten FMR Tg 500 (Tiger).
Der eine oder andere Teilnehmer musste das Fahrzeug kurzfristig noch austauschen, weil einerseits technische Probleme und andererseits das befürchtete schlechte Wetter nach einem Wechsel verlangten.
Es war wahrlich eine bunte Schar, die da in den schönsten Pastell- aber auch Knallfarben in der Sonne glänzte in der Grube von Wohlen. Und am Samstag sowie am Sonntag wurde auch gefahren, so dass auch das Publikum im näheren Umfeld des Treffens in den Genuss der beliebten Kleinstautos kam.
Die Rallye am Samstag führte während rund fünf Stunden über kleinere und grössere Strassen durch Waltenschwil, Unterlunkhofen, Bremgarten, Stetten, Mellingen, Lupfig, Möriken, Dottikon, Meisterschwanden, etc., am Sonntag wurde mehr in südlicher Richtung ausgeschwärmt und unter anderem Samenstorf, Dottikon und Muri angesteuert.
Keine Nachwuchssorgen?
Natürlich fuhren auch in Messerschmitt, Isetta, Heinkel und Co viele Grauhaarige, doch dürfte das Durchschnittsalter der Kabinenroller-Piloten und insbesondere der Beifahrer doch deutlich tiefer ausfallen als jenes bei anderen Oldtimerveranstaltungen. Oder täuschte der Eindruck?
Jedenfalls konnte man hinter dem Steuer, aber auch auf manchen Beifahrersitz jüngere Leute ausmachen, die mit viel Spass und Energie bei der Sache waren. Gut so! Es scheint, dass zumindest beim Kabinenroller der Nachwuchs gesichert ist.
Dass mancher Veranstaltungsteilnehmer seinen geliebten Kabinenroller nicht per Achse, sondern auf dem Anhänger nach Wohlen brachte, zeigt allerdings auch, dass diese Microcars heute gehätschelte Fahrzeuge sind, die kaum jemand mehr im Alltag einsetzen mag. Eigentlich schade, denn auch während der Woche könnte eine blau-weisse Isetta oder eine rote Heinkel Kabine manchem Passanten ein Lächeln ins Gesicht zaubern …
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher