Am 25. Mai 1947 gewann Franco Cortese auf Ferrari 125S den 9. Grossen Preis von Rom, der auf dem Circuito delle Terme di Caracalla ausgetragen wurde. Es war der erste Sieg eines Ferraris überhaupt.
Das Wort „debutto“ im Untertitel des Buches von Valerio Moretti, deutet darauf hin, dass es um mehr geht, als dieser historische Sieg. Der Autor schlägt den Bogen vom 13-jährigen Enzo Ferrari, der im Mai 1909 ein erstes Mal in Modena ein Autorennen verfolgt und sofort vom Virus gepackt wird, bis zur Etablierung der Scuderia Ferrari mit eigenen Autos nach dem Zweiten Weltkrieg.
Es ist das achte Buch von Valerio Moretti und jedes hatte es in sich:
- 1981: Le Auto dei Papi / The Pontiffs' Cars
- 1985: Le origini del mito - Le memorie del progettista delle prime Ferrari; zusammen mit Gioachino Colombo (englisch: Origins of the Ferrari Legend, 1987)
- 1986: La scommessa di Gianni Lancia - Le Lancia Tipo-D Competizione dallo Sport alla Formula Uno
- 1987: Enzo Ferrari Pilota - Corse e vittorie del mago di Maranello
- 1989: Cisitalia - Tecnologia ed arte dell'automobile italiana (Ausstellungskatalog)
- 1990: Ferrari: Design of a Legend (The official history and catalogue) (zusammen mit Gianni Rogliatti und Sergio Pininfarina)
- 1991: Ghia
- 1991: Ferrari 166 MM Barchetta (zusammen mit C. F. Bianchi Anderloni)
- 1992: Quando corre Nuvolari ... (englisch: When Nuvolari Raced …, 1994)
- 1994: Grand Prix Tripoli 1925-1940
Dazu kommt, dass Moretti am Rennen 1947 als Zwölfjähriger unter den Zuschauern war und somit Zeitzeuge ist. Er kann also aus dem Vollen schöpfen.
Valerio Moretti liefert eine Biographie von Enzo Ferrari bis zu diesem Frühlingstag in Rom 1947 mit den folgenden Etappen:
- Il sogno d’una vita (der Traum eines Lebens)
- La „scuola“ dell’Alfa Romeo (die Schule von Alfa Romeo)
- Gli anni della formazione: Giorgio Rimini, il mentore di Ferrari (Lehrjahre: Giorgio Rimini - der Mentor von Ferrari)
- Gli anni della formazione: Emilio Materassi e la sua „Scuderia“ (Lehrjahre: Emilio Materassi und seine Scuderia)
- La Scuderia Ferrari: i giorni della gloria (die Scuderia Ferrari: Die ruhmreichen Tage)
- La perdita dell’independenza: l’Alfa Corse (der Verlust der Unabhängigkeit: Alfa Corse)
- Finalmente la “Ferrari” (endlich: “Ferrari”)
- Il valzer dei progettisti (der Walzer der Konstrukteure)
- La “vittorietta” di Roma (der kleine Sieg in Rom)
Eine andere Perspektive
Es ist eine Skizze und keine ausführliche Beschreibung. Dabei stellt er sich explizit gegen die von Enzo Ferrari (und seinen Ghostwritern, wie er süffisant anmerkt) vorgegebene Lesart. Seine Grundlagen sind dabei die Informationen, die er für seine Bücher von Franco Cortese und Gioachino Colombo bekommen hat. Diese werden ergänzt durch die Erinnerung von Giuseppe Busso in seinem Buch „Nel cuore dell’Alfa“ (2005), der von Mitte 1946 bis Ende 1947 bei Ferrari arbeitete und aus dem 125 den 159 machte.
Fokus auf das Umfeld
Was das Buch besonders macht, sind die Beschreibungen des Umfeldes, in dem sich Enzo Ferrari bewegte. Die aufregende Atmosphäre in Alfa noch unter Nicola Romeo in den zwanziger Jahren; der Aufbau einer Scuderia durch Emilio Materassi mit drei Talbot GP, zwei Bugattis und einem Amilcar; der Aufbau der eigenen Scuderia mit Fahrzeugen von Alfa Romeo; die Atmosphäre bei Alfa Romeo vor dem zweiten Weltkrieg mit Ricart und Ferrari, die beide ohne genauen Aufgabenbeschreibungen ihre Nase in alle Dinge stecken konnten und damit fast zwangsläufig in Konflikt geraten mussten; der Bau des ersten Typs Ferrari (125) mit viel Hilfe von Leuten, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit ihre Stelle verloren hatten respektive beurlaubt waren.
Ein Mini-Sieg als Wendepunkt
Es ist ihm ein grosses Anliegen, den Sieg in Rom zu relativieren. Busso sprach von einem „vittoriucola“ (Minisieg) in Rom und einer „vittorietta“ (kleiner Sieg) später in Vercelli. Er verwies dabei darauf, dass Cortese in Rom froh sein musste, dass Ferdinando Righetti auf Fiat 1100 ausfiel, da dieser eigentlich schneller war. Franco Cortese fügte hinzu, dass es damals um das Überleben der Firma ging. Sein Auftrag zusammen mit Luigi Bazzi als dem zuständigen Ingenieur war es, Geld zu machen (fare cassa). Und Moretti fügt hinzu, dass für die Römer der Sieg von Piero Taruffi auf Cisitalia der damalige Höhepunkt der Rennen gewesen war. Den Römer Zeitungen war der Sieg von Ferrari dagegen nur eine kleine Notiz wert.
Moretti wäre nicht Römer, wenn er nicht gleichzeitig darauf hinweisen würde, dass die Ruinen der Caracalla-Thermen (in Rom) natürlich eine grossartige Kulisse für den Sieg von Franco Cortese und Ferrari abgegeben haben. Zudem haben die Organisatoren und Politiker den „Primavera del motore romana“ 1947 als Neuanfang nach der faschistischen Periode inszeniert. Ein besserer Ort für den Beginn des Mythos Ferrari ist kaum denkbar.
Sprachliches Feuerwerk
Das Buch liest sich phasenweise wie ein Forschungsprogramm für eine kritische Biographie von Enzo Ferrari und eine kritische Geschichte der Scuderia Ferrari. Passend dazu liefert er auch zu jedem verwendeten Namen eine kurze Lebensbeschreibung und eine Literaturliste. Es wird ergänzt durch eine Bildstrecke, die vor allem die Rennen in Rom dokumentieren und die in dieser Dichte bisher kaum zu sehen waren. Dass es ein sprachliches Feuerwerk ist, zeigt sich schon an den Abstufungen in der Bewertung der Siege in vittoriucola und vittorietta.
Das Buch setzt die Kenntnis der italienischen Sprache voraus. Ist diese Voraussetzung erfüllt, dann ist es für alle interessant, die einen etwas anderen Blick auf die Geschichte von Ferrari zu schätzen wissen.
Bibliografische Angaben
- Titel: Ferrari: Debutto a Caracalla
- Autor: Valerio Moretti
- Sprache: Italienisch
- Verlag: Edizioni ASI Service
- Auflage: 1. Auflage 2015
- Umfang/Format: Broschüre, 213 x 297 mm, 159 Seiten, 92 Schwarz-Weiss-Fotos
- ISBN-13: 978-88-98344-27-7
- Preis: ca. EUR 22.50 (ohne Porto und Verpackung)
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