Um die Kernaussage des Buches von Terry Wright zu verstehen, muss man zu allererst den allerletzten Abschnitt lesen: „While the pedigree of the modern racing car can be traced back to the famous marques of France, Germany and Italy, its clearest line of descent can be said to have started with the boy racers of southern California and the special builders of middle England. When Charles and John Cooper mated their offspring with the racing engines of John Prestwich, a new breed emerged. Motor racing was never to be the same again” (Man kann die Ahnenreihe des modernen Rennwagens auf die berühmten Marken Frankreichs, Deutschlands und Italiens zurückführen. Aber die klarste Linie begann mit den jungen Rennfahrern in Südkalifornien und den Herstellern von Rennwagen in Mittelengland. Als Charles und John Cooper ihre Sprösslinge mit den Rennmotoren von John Prestwich bestückten, entstand eine neue Spezies. Der Rennsport sollte nie mehr der gleiche sein).
Kennzeichen der Cooper für die Formel 500 war eine einfache Mittelmotorkonstruktion, die von einem Ein- oder Zweizylinder-Rennmotorrad-Motor über eine Kette angetrieben und von denen insgesamt etwa 290 Stück gefertigt wurden. Das Konzept des Coopers war allerdings nicht ganz neu. Schon unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg entstand der sogenannte Freikaiserwagen von David Fry und Dick Ceasar. Der Name des Autos entstammt einer Verdeutschung der Namen der beiden Erbauer und ist Ausdruck der Anlehnung an die Auto-Union-Rennwagen mit Mittelmotor. Der Wagen hatte einen hinter dem Fahrer angeordneten JAP-Rennmotor mit 500ccm, ohne Kompressor. Die Konstruktionsprinzipien folgten nicht denjenigen der damals typischen Rennwagen wie z.B. dem englischen ERA, sondern den Midgets, d.h. den kleinen Rennwagen für Rennen auf unbefestigten Ovalen.
Der Freikaiserwagen und der Cooper bilden die beiden Anschläge für das Scharnier, um das sich das Buch von Terry Wright dreht. Im Freikaiserwagen sieht er eine Reihe von Entwicklungssträngen vereint, die weit in die Geschichte des Automobils und den Automobilsport zurückführen. Ihnen liegt der Wunsch nach leichten und billigen Fahrzeugen und Rennwagen zugrunde.
Das Scharnier selbst ist die Formulierung der Formel 500 in den Jahren 1945-1946 in England.
Im Cooper für die Formel 500 ab 1946 sieht er das Konzept realisiert, das es den englischen Rennwagenbauern erlaubte, sukzessive die Führung in der Technikentwicklung im Rennwagenbau zu übernehmen.
Das Buch ist deshalb in drei Teile gegliedert. Der erste Teil schildert die Entwicklungsstränge in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, die das Konzept der Formel 500 überhaupt erst denkbar gemacht haben. Der zweite Teil dokumentiert den Denkprozess während der durch den Krieg erzwungenen Rennpause, der mit der Formulierung des Reglements 1946 endete. Der dritte Teil dokumentiert die Entwicklung der Formel bis 1951 und insbesondere des Cooper-JAP, der als dominantes Design fungierte.
Der Freikaiserwagen führte mit seinem Konzept drei Entwicklungsstränge zusammen, die teilweise eine lange Tradition hatten:
Die Entstehung der Rennmotoren für Motorräder und darunter insbesondere des KTOS 8/80 von JAP (J. A. Prestwich Industries, Tottenham).
Die Idee von billigen Rennautos, die Wright mit der Tradition der Voiturettes und Cyclecars zu Beginn des Jahrhunderts verbindet. Interessant ist dabei vor allem die Verwendung von Ein- und Zweizylindermotoren durch De Dion-Bouton und Léon Bollée in ihren Voiturettes schon vor Ende des 19. Jahrhunderts. Weitere wichtige Vertreter sind Morgan und GN (Henry Ronald Godfrey und Archibald Frazer-Nash) in England. Die Entwicklung führte bis zum Freikaiserwagen 1938.
Die Entstehung der Midgets, zuerst als Übungsgerät für junge Fahrer und später als eine relativ günstige Form, um Rennsport zu betreiben. Insbesondere auch weil die Rennen auf unbefestigten Bahnen stattfanden. Terry White verweist in diesem Zusammenhang auf Harry Hartz, ein amerikanischer Midget-Star und drei Mal Zweiter im 500-Meilen-Rennen von Indianapolis (1922, 1923, 1926). Er fuhr in Südkalifornien Anfangs der 20er Jahre als 16jähriger einen Midget und verdiente sich so seine Sporen ab. Später wurden Midget-Rennen in ganz USA organisiert. Die Welle schwappte insbesondere nach Australien und England über. Speziell zu erwähnen ist hier vor allem Harry Skirrow, der seine Specials in den 30er Jahren mit JAP-Motoren versah.
Der „500 Club“ wurde Ende 1945 aus dem Bristol Aeroplane Company Motor Sports Club heraus gegründet. Das technische Reglement wurde am 25. März 1946 finalisiert. Der Gedanke, den dieses Reglement praktisch von Anfang bis Ende durchzog, war das Verbot teurer Lösungen, sodass auch weniger bemittelte Konkurrenten eine gute Chance hatten. Dazu gehörte insbesondere das Verbot von Kompressoren. Es waren gerade auch David Fry und Dick Ceasar, die bei der Formulierung der Formel 500 eine wichtige Rolle spielten.
Interessant ist, dass die Idee der Formula 500 schon 1941 heftig in der englischen Autosport-Presse diskutiert wurde. Dabei gab es ausgesprochene Kritiker wie z.B. Bill Boddy von Motor Sport, die an der Attraktivität einer solchen Formel offen zweifelten. Sie warben für einen Einstieg Englands in die Formel 1 mit konventionellen Rennwagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in England deshalb effektiv zwei Paradigmen in Sachen Rennwagenbau: die 500er-Formel mit der Betonung einfach und billig und in der Formel 1 den BRM V-16 mit der Komplexität eines Kampfflugzeugs.
Der Aufstieg der 500er-Formel mit Feldern bis zu 50 Fahrzeugen, war einer zweiten Entwicklung zu verdanken. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in England zunehmend militärische Flugfelder geräumt, die nun als Rennstrecken genutzt werden konnten. Silverstone und Goodwood sind dabei nur die bekanntesten Beispiele. Das Verbot von Rennen auf öffentlichen Strassen in England war damit kein Hemmnis mehr. Waren es 1946-1947 noch vor allem Bergrennen, die ausgeschrieben wurden, nahm die Zahl der Rundstreckenrennen in der Folge rasch zu. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn Terry Wright dieser Entwicklung eine zentrale Rolle im Aufstieg Englands im Motorsport zuschreibt.
Im letzten Teil widmet sich Wright der Geschichte der Formel 500 zuerst in England und später, das heisst ab 1950, in Europa. Dabei konzentriert er sich primär auf Cooper und JAP, aber verweist auch auf Kieft, Iota sowie die Motoren von Vincent und Norton.
Er schliesst ab mit einem kurzen Streiflicht auf die Periode 1951-1961 und einer Rückschau auf die wichtigsten Fahrer, die ihre Karriere in der Formel 500 und auf Cooper-JAP begannen: Ken Wharton, Peter Collins, Harry Schell und Stirling Moss.
Das Buch ist kein Bilderbuch, keine leichte Kost, sondern ein tough read. Die 352 Seiten sind dicht mit Informationen gepackt und unzähligen Fussnoten gespickt. Das soll nicht heissen, dass Bilder und Illustrationen zu kurz kommen, aber dass der Text (die Story) im Vordergrund steht. Dieser genügt grundsätzlich wissenschaftlichen Anforderungen, sind doch die Quellen ausführlich recherchiert und peinlich genau belegt.
Terry Wright zieht eine grandiose Linie von Harry Hartz (1896-1974), geboren in Pomona, CA, zu Charles und John Cooper (1893-1964 resp. 1923-2000), geboren in Paris resp. Kingston upon Thames. Vater und Sohn Cooper waren zwei Mal Konstrukteursweltmeister (1959, 1960). Er liefert damit die Vorgeschichte zum Standardwerk über die Geschichte von Cooper von Doug Nye.
Wer sich für die Rennsportgeschichte interessiert, findet hier viele interessante Informationen zu Entwicklungen, die oft als Randthemen behandelt werden und die kaum je miteinander in Verbindung gebracht werden. Der Reiz dieses Buches liegt denn auch vor allem im Herstellen dieser historischen Zusammenhänge. Die Beschreibungen der einzelnen Stränge sind mit Blick auf das eigentliche Ziel, die Begründung der Formel 500 1945/1946 in England geschrieben. Dies im Bewusstsein, dass mit ihr eine Entwicklung begann, die England zum führenden Land in Sachen Rennsport gemacht hat. Eine Position, die das Motorsport Valley in Mittelengland bisher erfolgreich verteidigt hat.
Es kann sein, dass sich nicht alle Brücken, die Terry Wright gebaut hat, als voll belastbar erweisen, auch wenn er viel unterstützendes Material gesammelt hat. Trotzdem: Einfach ein gigantisches Werk!
Wer sich für das Thema weiter interessiert, sei auf die Webseite von Loose Fillings verwiesen, wobei hier der australische Standpunkt dominiert.
Bibliografische Angaben
- Titel: Power Without Glory: Racing the Big-twin Cooper
- Autor: Terry Wright
- Verlag: Loose Fillings Sydney
- Auflage: 1. Auflage 2015
- Umfang: 352 Seiten, 500 Bilder
- Format: gebunden mit Umschlag, 210x260 mm
- Sprache: Englisch
- ISBN-13: 978-0-9943661-0-8
- Preis: beim Verlag £55.00; bei amazon.co.uk: £65.00; bei Ebay: 90.00 EUR (immer ohne Porto und Verpackung)