«revvv», so nennt sich ein neues Magazin, das aber aufgrund des Umfangs auch als Buch mit Softcover bezeichnet werden darf. Es soll zwei Mal pro Jahr erscheinen und jede Ausgabe verschreibt sich komplett einem Thema. Die Nummer 01 von «revvv» widmet sich dem wohl legendärsten Langstreckenrennen der Welt, den 24 Stunden von Le Mans.
Und so kommt die erste 260 Seiten dicke Ausgabe auch in Le Mans Farben daher, gelb und blau, wie die Curbs (Randsteine) der legendären Rennstrecke.
Hinter «revvv» zeichnen die Autoren Jean-Marc Teissedre (bekannt von Auto Hebdo) und Journalistenlegende Herbert Völker verantwortlich. Gastautoren sind die Rennfahrer gleich selbst, so begleitet Emanuele Pirro den Leser auf einer Reise zu den wichtigsten Rennwagen von Le Mans.
Wenn Rennwagen keine speziellen Lackierungen hätten
Natürlich darf bei einem Rundumschlag der 24 Stunden von Le Mans auch das Kapitel über die speziellen Fahrzeugbemalungen nicht fehlen. Die sogenannten Art Cars gingen alle in die Geschichte ein und blieben uns als unvergessene Relikte im Gedächtnis hängen.
Das Kapitel «Legends of Design» widmet sich all den farbenfrohen Rennwagen und beleuchtet ein wenig die Hintergründe, wie es überhaupt zu jenen Bemalungen kam.
Ein kleines Detail sei hier bereits verraten: Das erste Rennauto in Le Mans mit einer besonderen Lackierung stand 1951 am Start: zwei parallel verlaufende blaue Streifen zierten die weissen Fahrzeuge von Briggs Cunningham.
Interviews mit Rennlegenden
Jacky Ickx genoss lange den Rekord von sechs Gesamtsiegen in Le Mans. 2005 wurde Ickx durch Tom Kristensen abgelöst, der unterdessen neun Gesamtsiege ausweisen kann. Ein lockeres Gespräch der beiden Rennfahrer findet man etwa in der Mitte des Magazins, wo viele kleine Details den Leser unterhalten.
So zum Beispiel betont Jacky Ickx, dass sich vor allem die Sicherheitsvorkehrungen am meisten geändert hätten über all die Jahre. Früher seien die Rennfahrer oft unangeschnallt gefahren, da sie selbst die Sekunden des Anschnallens nicht vergeuden wollten. Einige gurteten sich erst an, als sie mit 350km/h auf der Hunaudières entlang rauschten…
Äusserst aktuell
Dieses Magazin wälzt sich nicht nur in der langjährigen Historie von Le Mans. Im Gegenteil, allerneuste Meldungen in Form von interessanten Beiträgen fanden bereits den Weg in dieses Buch. Die Marke mit den meisten Gesamtsiegen in Le Mans heisst nach wie vor Porsche. Audi holt aber im Schnelltempo auf und so kam es 2014 erneut zu einem Duell, das sich die ganze Fangemeinde gewünscht hatte: Herausforderer Audi kämpft um den Gesamtsieg gegen den neu zurückgekehrten Le-Mans-König Porsche. Dass zwei Marken aus dem gleichen Haus (Volkswagen) in Le Mans antreten können verdanken wir nur einer Person: Ferdinand Karl Piëch. Er fördert bewusst auch den Haus-internen Wettbewerbsgeist und erklärt auf mehreren Seiten weitere Hintergründe dieser Strategie.
«revvv» schaut aber auch noch in die Zukunft: 2015 kehrt Nissan nach Le Mans zurück. Zuletzt war die Marke aus dem Land der aufgehenden Sonne 1999 in Le Mans, danach ”nur” noch als Motorenlieferant für viele LMP2 Fahrzeuge. Aber auch Ferrari liebäugelt mit einer Rückkehr und «revvv» zeigt interessante Skizzen vom Rennwagen, wie er etwa aussehen könnte.
«revvv» blickt aber nicht nur in die Zukunft sondern träumt auch von Fantasie-Teilnehmern, so zum Beispiel darf man eine Skizze bewundern, wie ein Ford LMP1-40 Hybrid im bekannten Gulf-Livery aussehen könnte…
Le Mans spricht deutsch
Mehr als ein Drittel aller Siege in Le Mans ging an deutsche Hersteller oder Rennställe. Einen wichtigen Anteil daran hatten auch die Verantwortlichen an den Boxen. So beleuchtet ein Kapitel die Männer ”im Hintergrund”, so zum Beispiel Alfred Neubauer 1952 in Le Mans.
Während einem ganzen Kapitel wird Dr. Wolfgang Ullrich befragt, er antwortet aber nur mit Gesten und Mimiken. Ein Interview der besonderen Art! Um den deutschen Rennfahrer ”Rocky” (Mike Rockenfeller) widmet sich ein weiteres Kapitel. In diesem erzählt der Rennfahrer von seinem Horrorunfall 2011.
Tragödie 1955
Dass eine der heftigsten Motorsport-Tragödien im Magazin nicht fehlt, ist schon fast selbstverständlich.
Mercedes-Benz gewann 1955 jedes Rennen und deshalb kamen auch die Rennfahrer Juan Manual Fangio und Stirling Moss mit hoher Sicherheit auf einen Sieg an den Start der 24 Stunden von Le Mans. Dass alles anders kam, wissen wir, die neu aufbereiteten Hintergrundinformationen auf den acht schwarzen Seiten sind trotzdem interessant und lassen Zeitzeugen wie Stirling Moss zu Wort kommen…
Anekdoten
Am Ende des Buchs wird der Leser mit 15 sehr privaten Anekdoten von Berühmtheiten beglückt. Rennfahrer Derek Bell erinnert sich an sein erstes Rennen in Le Mans als auf der Hunaudières sein Motor platzte.
Motorsport-Journalist Rainer Braun sollte 1988 für den TV-Sender SAT1 live aus Le Mans berichten und erzählt, wie Sekunden nach Beginn der Übertragung zusammensackte. Sein Kollege übernahm spontan und erst nach der Sendung wurde Rainer Braun zu einem Doktor im Porsche-Camp geschleift. Diagnose: Salmonellen-Vergiftung wegen verdorbenem ”gâteau au fromage” (Käsekuchen).
Ingenieur und Porsche-Rennleiter Peter Falk erinnert sich an seine anfänglichen Zeiten als Zeitnehmer bei Porsche: von Hand und mit einer einzigen Stoppuhr notierte er die Rundenzeiten von gleichzeitig fünf fahrenden Porsche-Fahrzeugen. Auch erzählt er interessante Details aus seiner Zeit als Rennleiter während der Gruppe-C-Ära.
Von Henri Pescarolo erfährt man, dass er sich am liebsten an das Jahr zurückerinnere, wo er den Gesamtsieg auf Matra sicherte. Aber nicht wegen des Siegs, sondern weil er damals Graham Hill kennenlernte.
Und so reihen sich Anekdoten an Anekdoten auf diesen überaus gut gelungenen vierzehn Seiten.
Für wen ist das Buch interessant?
Das Redaktionsteam hat sichtbar viel Mühe in das Heft investiert – gestalterisch ebenso wie inhaltlich. Auch ausklappbare Seiten machen den Genuss noch erlebnisreicher.
Fans des Rennens werden im Heft nicht viel Neues entdecken, aber ein paar Anekdoten werden auch eingefleischten Liebhabern des Langstreckenklassikers an der Sarthe neu sein.
Einsteigern jedoch gibt «revvv» einen hervorragenden Rund-um-Blick über das Rennen und die Dinge, die es so besonders macht. Einzig bemängeln könnte man die Tatsache, dass fast ausschliesslich Anwärter auf den Gesamtsieg (also die Prototypen) besprochen werden, GT-Fahrzeuge sind leider kein Thema. Wenn man aber die Dicke des Buchs betrachtet, kann man sich leicht vorstellen, dass es den Rahmen gesprengt hätte, wenn auch die GT-Boliden berücksichtigt worden wären.
Für wenig Geld erhält man mit der ersten Ausgabe von «revvv» den besten Überblick der 24 Stunden von Le Mans. Liebhaber sollten sich das Magazin sowieso zulegen, es gehört in jede Sammlung! Wer bunte und qualitativ hochwertige Motorsport-Magazine mag, der sollte den Kauf unbedingt überlegen.
Mit Riesen-Poster
Das Magazin wird mit einem Riesenposter ausgeliefert, welches alle Siegerfahrzeuge von 1923 bis 2013 zeigt! Dieses ersetzte gleich unser bisherige Poster im Redationsraum.
Weitere Informationen
- Buch kaufen bei Amazon oder beim Racing Web Shop
- Format: 23 cm x 30 cm, Softcover
- Seitenzahl: 260
- Sprache: Deutsch und Englisch
- erschienen beim Adrenalin Verlag
- Offizielle Webseite: http://www.revvv.de