Die Individualitätsmobilität ist heute ein vieldiskutiertes Thema, bei dem allzu schnell vergessen geht, wie sie eigentlich entstanden ist und durch welche Phasen sie ging.
Anlässlich der Sonderschau im Pantheon, die unter dem Titel “Unterwegs auf eigenen Rädern” die Basler Verkehrsgeschichte von 1833 bis 2022 illustrierte, wurde derartig viel Material und so manche schöne Geschichte gesammelt, dass der sonst übliche Ausstellungskatalog nicht genügend Raum bot, dieses gewonnene Wissen zu publizieren. In der Folge entstand ein Buch, satte 350 Seiten dick und breit angelegt, um nicht nur über Autos, sondern auch über deren Vorgänger und Alternativen zu berichten.
Vom Blick zurück bis zum Blick in die Zukunft
Das vorliegende Buch wurde vom Autorentrio Stephan Musfeld, Ilse Rollé Ditzler und Christoph Ditzler geprägt, birgt aber auch viele Beiträge weiterer zugezogener Autoren, die jeweils aus ihrem Fachgebiet berichten.
Den Anfang macht ein “Blick in den Rückspiegel”, der die Geschichte der städtischen Mobilisierung aufzeigt. Es folgen Rückblicke auf das Kutschenzeitalter, die ersten Automobilisten und viele andere Aspekte der Individualmobilität. Den Schluss des Buchs bilden Ausblicke auf die Welt von Übermorgen.
Themen rund um das Automobil
Das Automobil ist natürlich omnipräsent auf den 350 Seiten. Ob es um die ersten Automobilisten, Autorennen rund um Basel, ein Kunststoffauto aus Araldit oder 200 Jahre Verkehrsregelung geht, stets bildet das Auto eine Stütze als Fortbewegungsmittel. Und auch vor Fragen wie “sind Autos Kunst” oder “Frau am Steuer” wird nicht zurückgeschreckt. Vielfältigkeit ist Trumpf.
Die Themen haben meist einen Bezug zu Basel, doch wird der Bogen oft auch weiter gespannt.
Jenseits des Automobils
Die Autoren geben sich allerdings mit vierrädrigen Fahrzeugen nicht zufrieden, auch das Zweirad in Form des Fahrrads und des Motorrads bieten auf über 35 Seiten viel Gesprächsstoff.
Und auch Randthemen wie etwa die verschiedenen Fahrbahnoberflächen, die in Basel genutzt wurden, oder Tankstellen von damals werden thematisiert.
Frank M. Rinderknecht (Rinspeed AG) kann sein CitySnap-Konzept vorstellen, selbstverständlich kommt auch die Basler Fasnacht zum Zug. Und auch umgesetzte oder abgelehnte Verkehrskonzepte wie die Basler City-Metro oder der Rosshof-Autosilo werden in Erinnerung gerufen.
Es sind diese Geschichten, die das Buch so spannend machen. Und es sind die vielen Bilder, welche die Erinnerungen noch mehr wecken.
Kein Bilderbuch, aber …
Das Buch ist als Themensammlung angelegt. Es will keine endgültigen Antworten geben, wie die Zukunft aussehen könnte, und auch keine komplette Quellensammlung für Geschichtsforscher sein. An vielen Stellen wird zurecht erwähnt, dass mehr Forschungsarbeit investiert werden müsste, aber zumindest ein Anfang ist gelegt. Und weil im Buch die unterschiedlichsten Erzählstile und -formate zusammenkommen, wird es auch nicht langweilig.
Es sind aber nicht zuletzt die Bilder, die das Buch noch wertvoller machen. Die über 400 Fotos stammen meist aus vergangener Zeit und sie beschwören Stimmungen von damals, Erlebnisse von einst und längst Vergessenes wieder herauf. Es ist eine wahre Freude, durch das Buch zu blättern und die Verkehrsentwicklung von der Pferdkutsche des Herrn Emanuel Paravicini-Bachofen (1883), über die Garage Ed. Contelly (1920), den ersten Krankenwagen der Marke Pic-Pic der Stadt Basel (1920), die Schlotterbeck Grosgarage (1930), die drie Taxi-Kategorien der Taxi-Zentrale (1955), die erste Autobahntankstelle bei Kölliken (1967), das erste Radarhäuschen am Notsteg des Neubaus der Johanniterbrücke (1967), den mit bunten Autos belegten Parkplatz Gartenstrasse in Riehen (1979) bis zur Verkehrssituation an der Heuwaage heute (2020) mitzuverfolgen. Gerne hätte man manches Bild deutlich grösser gesehen, doch war dies nicht das Ziel der Autoren, die die Aufnahmen eher als Supplement zum Text sehen.
Ein Lesebuch
Ähnlich wie ein Buch mit Kurzgeschichten lädt das vorliegende Werk zum Geniessen der einzelnen Beiträge ein. Man muss das Buch nicht in einem Zug durchlesen, man kann sich Zeit lassen, immer wieder zurückkehren. Und man muss auch kein Basler sein, um dieses Buch interessant zu finden, denn ähnliche Entwicklungen wie in Basel gab es auch in vielen anderen Metropolen und Parallelen sind schnell gezogen.
In jedem Falle aber wird man viel Interessantes lesen können, viele neue Einsichten gewinnen und sich an manche alte Geschichte erinnern. Eigentlich ist das Buch eine perfekte Ferienlektüre, nur sollte man dann nicht mit dem Fahrrad unterwegs sein, denn die über zwei Kilogramm würden das Leistungsgewicht doch arg verschlechtern.
Bibliografische Angaben
- Titel: Unterwegs auf eigenen Rädern – Basler Verkehrsgeschichte(n) 1833-2022
- Autoren: Stephan Musfeld, Christoph Ditzler, Ilse Rollé Ditzler
- Herausgeber: Stephan Musfeld, Pantheon Basel
- Sprache: Deutsch
- Format: Hardcover mit Schutzumschlag, 23,5 x 31 cm
- Umfang: 352 Seiten, über 400 Abbildungen
- ISBN: 978-3-7245-2549-3
- Preis: CHF 49.00 (zuzüglich CHF 7.00 Versandkosten in der Schweiz, ab zwei Bücher Lieferung kostenlos)
- Kaufen/bestellen: Online auf der Pantheon-Website oder per Post (Adresse: Pantheon Basel Museum AG, Gellertstrasse 224, 4020 Basel)
































































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