In diesem Bericht soll von einem speziellen Freilichtmuseum die Rede sein, welches vielleicht als polarisierend empfunden werden mag. Zugegeben: Wer sich automobile Klassiker nur in "show room condition" vorstellen kann oder hier gar einen Concours d´Élegance erwartet, für den dürfte der Autoskulpturenpark im Neandertal bei Düsseldorf eher nicht in Betracht kommen. Doch darum geht es auch nicht. Vielmehr geht von diesem Ort eine andersartige und seltsame Faszination aus.
Anders als die anderen
Sicher wird der eine oder andere Leser schon Bildbände über vergessene Autofriedhöfe, "lost places", "sleeping beauties" etc. in den Händen gehabt oder sich an die "Baillon-Sammlung" auf der Rétromobile 2015 in Paris erinnern, sich also bereits mit dem Endstadium unseres rollenden Kulturguts auseinandergesetzt haben.
Doch der Autoskulpturenpark ist kein Autofriedhof im herkömmlichen Sinn und schon gar kein Verkaufsareal. Hier geht es nämlich allein um das Schauen und das Fotografieren. Und so trifft es sich gut, dass ein populäres Online-Lexikon den Begriff Ästhetik wörtlich genommen als “die Lehre von der Wahrnehmung bzw. vom sinnlichen Anschauen” bezeichnet.
Nur nach vorheriger Anmeldung
Wer den Park besuchen will, kann dies nur an Sonntagen ab 13 Uhr und dies auch nur nach vorheriger Anmeldung tun. Folglich kann man sich dem Run auf die begehrten Parkplätze des benachbarten Neanderthal Museums nicht ganz entziehen. Die Besuchszeit ist aber verständlich, denn die Autoskulpturen befinden sich auf einem privaten Anwesen.
Am Eingangstor wird man sehr freundlich von Frau Dr. Sabantina empfangen. Sie ist die Frau des in Oldtimerkreisen recht bekannten Händlers, Designers und Konstrukteurs Michael Fröhlich, dessen unorthodoxe Ideen in den letzten Jahrzehnten des Öfteren für mediales Interesse sorgten.
Eine unorthodoxe Idee
Vor zwei Dekaden hatte Fröhlich anlässlich seines 50. Geburtstages den Einfall, 50 Autos des Baujahrs 1950 (was man vielleicht nicht so ganz eng sehen sollte) auf seinem Anwesen zu platzieren und dort dem natürlichen Verfall anheim zu geben. Auf diese Weise entstand Freilichtmuseum, in welchem sukzessiv letztlich die Natur das Sagen hat.
Bereits dadurch unterscheidet sich dieser Skupturenpark von der zwar ebenfalls ästhetisch faszinierenden, aber nur kurzzeitigen Präsentation der Baillon-Sammlung, bei der es zudem um den Versteigerungserlös der Exponate ging. Bevor der Rundgang nun starten kann, muss allerdings ein haftungsausschließendes Revers unterschrieben werden, da die Besichtigung auf eigenes Risiko erfolgt. Der Hausherr schreibt dazu:
"Liebe Freunde der Fotografie, ihr kommt heute in eine ziemlich einmalige Foto-Location. Das ist eine kleine Park-Wald-Landschaft, die auf den Betrachter auf den ersten Blick sehr interessant, speziell und besonders wirkt. Das ist auch wirklich so, aber ebenso auch ungewöhnlich und überraschungsbehaftet... Hinter jeder Ecke können Gefahren lauern, an die man bei der Motivsuche nicht denkt. Man kann stolpern, von einem dicken Ast getroffen werden, auf den Steinen ausrutschen und riskiert "Kopf und Kragen", um ein gutes Foto zu schießen. Dies ist eigentlich ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene..., nur viel kreativer!..."
In der Tat wird man schon aus perspektivischer Neugier heraus das Terrain "offroad" erkunden wollen, wobei der Berichterstatter aufgrund eigener Erfahrung hierfür geeignetes Schuhwerk empfiehlt.
Eine Tour d'Horizon
Sogleich zieht es die Besucher den Hauptweg hinauf, an dessen Ende ein verwitterter Buick Super wie ein alter Wachhund zu lauern scheint. Die ringsum im Gelände verteilten, mehr oder weniger zerfallen(d)en Exponate stehen, liegen oder hängen im Park, manchmal scheinen sie in den Boden zu versinken oder aus diesem zu wachsen - hier bahnt sich die Natur erkennbar ihren Weg.
Dennoch sind die Fahrzeuge und deren Geschichte arrangiert worden, was diesen Skulpturenpark von einem verlassenen Autofriedhof unterscheidet.
So stehen daher gar nicht zufällig ein IFA der ehemaligen Volksarmee und ein westdeutscher Mercedes 170 V vereint an einem nachgebauten Stück der Berliner Mauer.
Die Herkunft der Fahrzeuge - die Ausstellung umfasst nicht nur Automobile, sondern auch Motorräder und sogar ein Flugzeug - generell geht es ziemlich international zu.
Es gibt US-Cars (Jeeps sowie Full-Size-Cars) und russische Automobile. Ein Exemplar der jüngst verblichenen australischen Marke Holden findet sich ebenso wie Kleinwagen italienischer oder deutscher Herkunft.
Die Briten sind mit Jaguar, Lagonda, Rolls-Royce und Austin würdige vertreten, Frankreich mit zwei Citroën und einem "Cremeschnittchen". Und ohne dass das Meer sie trennt, steht neben dem britischen Austin A 30 friedlich eine “Wellblech"-Ente mit geöffnetem Dach.

In dessen Inneren ruht eine Flaschenbatterie, die wohl noch auf den 50.Geburtstag des Hausherrn zurückgeht.
Auf dem Weg zur Verwesung
Nach Meinung des Berichterstatters sollte man bei seinem Streifzug besser gar nicht erst versuchen, die Marke und das Modell eines Exemplars zu bestimmen (auch wenn es sich der Verfasser nicht verkneifen konnte, ein Besucherpaar zu "erlösen", welches den Tatraplan für irgendein französisches Auto hielt...). Denn letztlich werden alle Fahrzeuge ja ohnehin alle gleich sein. Dafür sorgt hier schon der "Bildhauer", also die Natur.
Wagen wir also neue Perspektiven: Besagter Tatraplan ruht in der Landschaft wie ein gestrandeter Wal. Und so ähnelt er auf einmal einem weiter entfernt liegenden Fuldamobil.
Die Präsentation der Stücke ist mitunter etwas "schräg" im doppelten Sinne und humorvoll. Wer genau hinsieht, kann nicht nur Gartenzwerge, Hinweisschilder oder eine britische Telefonzelle entdecken, sondern in einem standesgemäßen Rolls auch die britische Queen und Prinz Charles.
An anderer Stelle des Parks kauert sich ein offener Jaguar XK 120 in einer Kurve.
Spontan fällt mir bei dessen Anblick die Liedzeile "the race is almost run" ein. Aber halt - dieser hier hat es bereits hinter sich und ist im Endstadium. Daher konkurriert nicht mehr wirklich mit seinem Nachbarn, einem Porsche 356.
Zugleich erinnert sich der Berichterstatter an ein Fragment des heute verfallenen Rundkurses in Brooklands. Ob das etwa an der verwitterten "Brooklands-Scheibe" des Jaguars liegt?
Ästhetik des Morbiden
Bei genauerem Hinsehen erschließt sich dem Besucher dann auch nach einiger Zeit die eingangs erwähnte Ästhetik des Morbiden – insbesondere, wenn nur die Details betrachtet werden.
Denn durch das Verbleichen der Lackierungen und den Rost entstehen neue Farbkombinationen, Schattierungen und Oberflächenstrukturen, Wind und Wetter schaffen neue Verformungen und Konfigurationen. Und die Bäume, Moos und Algen überwuchern alles. Zumindest die Fotografen – die wohl auch einen Großteil der Besucher ausmachen – freut das.
Michael Fröhlich dürfte diese Metamorphose im Sinn gehabt haben, als er vor 20 Jahren die Idee zu seinem Autoskulpturenpark realisierte. Erinnern wir uns: Zu dieser Zeit verband man mit der Bezeichnung Patina eher den sichtbaren Alterungsprozess an Kirchturmspitzen aus Kupfer. Und in der Klassikerszene kam diesem Begriff damals allenfalls nur eine marginale Bedeutung zu. Heute sieht man die anders.
Nach der Patina kommt der Zerfall. Diesen Prozess zu beobachten, hat auch seinen besonderen Reiz. Und vielleicht erschließt sich die Ästhetik des Morbiden mit der Zeit auch den Skeptikern. Was meint das schon eingangs zitierte online-Lexikon dazu? “Ästhetik ist alles, was unsere Sinne bewegt, wenn wir es betrachten: Schönes und Hässliches, Angenehmes und Unangenehmes.”
Interessenten für den Autoskulpturenpark können einen sonntäglichen Besuchstermin (ab 13 Uhr) unter 0049(0)211 32 28 09 oder per Email vereinbaren. Der Eintritt kostet 10 Euro für Erwachsene, Kinder dürfen gratis rein. Die Fotografiererlaubnis für nicht kommerzielle Zwecke kostet faire 10 Euro.
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Und dennoch: Irgendwie sehe ich mir die Bilder an und es tut mir in der Seele weh. Als Freund alter Automobile und überhaupt schöner alter Dinge macht mich dieser hier bewusst gewählte Zerfall alter Fahrzeuge nicht froh. Ich habe einfach das Bestreben, diese Zerfallsprozesse aufzuhalten und diese technischen Errungenschaften für die Zukunft zu erhalten.
Denn es macht schon einen Unterschied, ob es sich um einen alten Autofriedhof, wie z.B. in Schweden handelt, oder ob man - wie hier - möglicherweise ehemals restaurationswürdige Objekte bewusst dem Zerfall preisgibt.
Um Fahrzeuge wie dem Jaguar XK, Lagonda, Porsche 356, Tatraplan oder ein rares Fuldamobil tut es mir einfach nur leid.
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