Kennen Sie Frank Rinderknecht? Das ist der seriöse Geschäftsmann und Visionär, der alljährlich an der CES in Las Vegas und am Genfer Automobil Salon zukunftsweisende Mobilitätskonzepte präsentiert. Mit Anzug und Krawatte (manchmal auch ohne) erklärt er dann jeweils gerne seine Ideen und Visionen.
Aber Rinderknecht konnte auch anders, dies zeigt schon das Bild auf Seite 33 des neu erschienen Buchs “Rinspeed - Concept Cars - In your wildest dreams”. Frank posiert da nämlich vor einer BSA 250, das Hemd offen, die Haare in Hippie-Länge.
Bereits 1977 gründete Rinderknecht seine eigene Garage, schon während seines Studiums hatte er Sonnendächer aus den USA importiert.
Mit Tuning wurde die Rinspeed Garage berühmt, unvergessen sind die überbreiten Porsche-Modelle der Achtzigerjahre, der Flügeltüren-Golf Aliporta oder der Bugatti Cyan auf Basis des EB110. 2008 aber verkaufte Rinderknecht sein Tuning-Geschäft an Mansory.
Diese ganze Schaffensphase ist Bernd Ostmann in seinem Besuch nur gerade acht Seiten wert. Leider. Aber verständlich, denn das Hauptaugenmerk gilt den 24 Showcars, die Rinderknecht zwischen 1995 und 2018 entwickelte.
Vom Sportwagen zum Mobilitätskonzept
Angefangen hatte es mit dem Rinspeed Roadster im Jahr 1995, auch Rinspeed R genannt. Die Basis lieferte Panos, Rinderknecht sorgte dafür, dass der Roadster den hiesigen Segen erhielt und innen wie aussen auch anspruchsvollen Naturen gefiel.
Auf den Roadster folgte der Yello Talbo, eine Hommage an den tropfenförmigen Talbot mit Figoni&Falaschi-Karosserie, inspiriert auch von Freund und Popmusiker Dieter Meier (Band Yello). CHF 179’800 sollte diese moderne Version eines Klassikers damals kosten.
Der Mono Ego von 1997 war dann noch extremer, weil strikt für eine Person vorgesehen und mit (fast) unverkleideten Rädern versehen.
Dem Einsitzerkonzept blieb auch der folgende E-Go Rocket treu, der den Motor hinter dem Fahrer hatte.
Beim X-Trem ging Rinderknecht deutlich weiter, er kombinierte nämlich verschiedene Fahrzeuge - Luftkissenboot, Motorroller, Jetski und Pickup. Auch der Tattoo folgte diesem Weg, indem ein Unterwasser-Roller auf der Ladefläche bereitstand.
Gänzlich anders war dann dagegen der R-One gelagert, im wahrsten Sinne des Wortes. Im mit Gas betriebenen Sportwagen neigte sich nämlich der Cockpitbereich samt Fahrer in die Kurve.
Und so folgten weitere Fun-Cars und Mobilitätskonzepte, die auch einmal in der Länge ausziehbar waren (Presto) oder wie der Lotus Esprit S1 von James Bond unter Wasser fahren konnten (Scuba), es im Gegensatz zum Filmauto aber nicht nur auf Zelluloid, sondern auch in der Realität und mit zwei Personen an Bord (mit Taucheranzügen) schaffte.
Ihnen allen und auch den folgenden Mobilitätskonzepten widmet Bernd Ostmann jeweils mehrere Seiten, greift dabei gerne auf die Berichterstattung von Auto Motor und Sport aus der Zeit zurück und zeigt die Fahrzeuge auf vielen Bildern.
Spass und Unterhaltungswert darf sein
Während die neuesten Kreationen von Rinderknecht eher nüchterne und zweckorientierte Mobiltiätskonzepte sind, zeigten die früheren Showcars deutlich mehr Spass-Orientierung. So liess sich der Bedouin auf Porsche-996-Basis dank variablem Dach vom Sportwagen zum geländefähigen Pickup verwandeln. Der Splash durfte im Wasser ein Tragflächen-Motorboot sein, der zaZen besass ein durchsichtiges Glasdach, das auf Knopfdruck milchig wurde.
Rinderknecht baute seine Autos nicht alleine und im luftleeren Raum, seine Zusammenarbeit mit externen Firmen war eine zentrale Komponente seines Erfolgs. Rinspeed war auch eine Marketing-Plattform dieser Partnerfirmen.
Jedes der 24 Showcars wird im Buch umfassend beschrieben und portraitiert. So kann der Leser beobachten, wie sich die Visionen des Frank Rinderknecht veränderten und der Zeit anpassten. Warum die Reihenfolge der Studien verkehrtherum abgedruckt wurde, also mit der neuesten zuvorderst und der ältesten zuhinterst, dies bleibt das Geheimnis von Bernd Ostmann. Viele Leser jedenfalls werden das Buch eher von hinten nach vorne lesen, denn die Veränderungen der Showcars machen entlang der normalen Zeitachse einfach mehr Sinn.
Grosszügig gestaltet
Grosse und attraktive Bilder, sowie informative Texte machen zusammen den Reiz dieses Buchs aus. Mit EUR 79.90 ist es allerdings recht teuer geraten, zumal man die “Nutzlast” aufgrund der zweisprachigen Ausführung (Deutsch/Englisch) geringer ausfiel, als man bei 228 Seiten erwarten könnte.
Ein Oldtimerbuch ist das Werk von Ostmann nicht geworden, dazu kommen die frühen und durchaus auch interessanten Kreationen von Rinderknecht viel zu kurz. Es ist ein Buch über einen Visionär und Tüftler, der es geschafft hat, seine Ideen in die Wirklichkeit umzusetzen und der zu vielen modernen Entwicklungen etwas beigetragen hat.
Etwas übersichtlicher hätte man sich den Bildband schon wünschen können, auch eine tabellarische Zusammenstellung der Showcars wäre wertvoll gewesen, genauso wie das leider auch hier fehlende Stichwortverzeichnis. Dafür hätte man wohl auf die umfangreiche Auflistung der Partnerfirmen verzichten können, die das Buch ein wenig wie eine Rinspeed-Image-Broschüre wirken lassen.
Interessant ist das Rinspeed-Buch aber trotz der der geäusserten Kritik und mancher, der es liest, wird dabei vielleicht sogar zum Rinderknecht-Fan.
Bibliografische Angaben
- Titel: Rinspeed - Concept Cars - In your wildest dreams
- Autor: Bernd Ostmann
- Sprache: Deutsch/Englisch
- Verlag: Motorbuch Verlag
- Auflage: 1. Auflage Oktober 2018
- Format: Gebunden, 30,5 x 24,0 cm
- Umfang: 224 Seiten, 210 Farbbilder (und ein Schwarzweiss-Bild sowie diverse Zeichnungen)
- ISBN: 978-3-613-04171-4
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