Die Entwicklungsarbeiten für den Porsche 964 reichen weit in die Anfänge der Achtzigerjahre zurück und was dann schliesslich 1988 offiziell vorgestellt wurde, war ein zu rund achtzig Prozent erneuertes Automobil, auch wenn der Wagen dem bisherigen 911 doch ziemlich stark glich. Erstmals gab’s den 911 als Allrad-Sportwagen und der Motor hatte grundlegende Anpassungen erfahren.
Ähnlich liegt es mit dem hier besprochenen Buch. Autor Andreas Gabriel hat bereits vor einigen Jahren ein Buch zum 964 vorgelegt, jetzt kam es sozusagen zum “Modellwechsel”. Und ähnlich wie sich der Porsche 964 in vielen Punkten vom vorangegangenen G-Modell 911er unterschied, sind auch die Anpassungen beim Buch umfangreich. Neu integriert wurde zum Beispiel der einzige Porsche 964 CS (Clubsport), aber auch der private Carrera 4 von Luise Piëch wurde porträtiert. Zwei Kapitel gelten nun dem 964 im Rennsport und neue Interviews und Hintergrundinformationen bereichern das Buch.
Vom Fehlschlag zum Klassiker
Heute, rund 34 Jahre nach der ersten Vorstellung, ist der Porsche 964 ein arrivierter und beliebter Klassiker. Noch während seiner Produktionszeit allerdings erkannte das Porsche-Management, dass man beim Restyling wohl nicht progressiv genug gewesen war bei der Weiterentwicklung.
Tatsächlich gab’s schon Mitte der Achtzigerjahre eine Aerodynamik-Studie, die klar in Richtung des späteren Porsche 993 hinwies, für den 964 aber verworfen worden weil, weil die Händlergemeinde von grossen optischen Anpassungen abriet.
War man beim Design konservativ, so blieb technisch kaum ein Stein auf dem anderen, wenn man einmal von der vorgegebenen Heckmotorbauweise absieht. Erstmals wurde ein Allradantrieb in einem Grossserien-Porsche verbaut, der Motor war zu grossen Zügen neu konstruiert.
Nischen und Fehlschläge
In die Zeit des Porsche 964 fallen auch die Projekte eines viertürigen Porsche und eines Über-Turbos namens 965.
Beide Projekte wurden nicht zum Ende geführt, tatsächlich wäre die stolze Firma in Zuffenhausen anfangs der Neunzigerjahre fast bankrott gegangen. Drei Baureihen (968, 928, 964) fast ohne Gleichteile waren für den kleinen Autobauer einfach zu viel.
Diesem Thema widmet Gabriel ein ganzes Kapitel, das auch auf den neuen Wind hinweist, den eine neue Werbeagentur einbrachte.
Während der 964-Produktionsdauer, die nur rund sechs Jahre umfasste, schaffte es Porsche, einige Nischen zu entdecken (oder wiederzuentdecken) und zu füllen, was zu Modellen wie dem Porsche 964 RS, dem America Roadster oder dem Speedster führte. Auch Jubiläumsmodelle, schliesslich feierte man 1993 30 Jahre Porsche 911, wurden aufgelegt.
Die Erinnerungen der Entwickler und Projektleiter
Gabriel greift in seinen Büchern gerne auf die Erinnerungen der Leute zurück, die damals mitgestalteten oder federführend waren. Im vorliegenden Band sind es Helmuth Bott, Friedrich Bezner und Karlheinz Brüstle, die zum Wort kommen und ihre damaligen Erfahrungen, Erkenntnisse und Gedanken wiedergeben.
Alle Texte sind zweisprachig (Deutsch/Englisch) wiedergegeben, was den Käuferkreis für das Buch sicherlich vergrössert, gleichzeitig aber auch die Nutzlast ein wenig senkt.
Mit Kaufberatungen
Drei Kaufberatungen zum Carrera 4, zum Carrera 2 und zum 911/964 Turbo ergänzen das Werk und helfen jenen, die auf der Suche nach einem eigenen 964 sind.
Im Buch sind alle wichtigen Typenvarianten charakterisiert und mit Produktionszahlen und Leistungskennzahlen sowie technischen Daten beschrieben.
Auf einen Abdruck von Farblisten, Chassisnummern, Verkaufsliteratur oder technischen Weiterentwicklungen/Modellpflegen verzichtet Gabriel. Genauso fehlt auch ein Stichwortverzeichnis und eine übersichtliche Zusammenfassungs-Tabelle mit allen Typen, die man als Einstieg vielleicht gerne in Anspruch genommen hätte.
Dafür kann man die Wertentwicklung 2016 bis 2021 anhand von Classic-Data-Notierungen nachverfolgen und dabei erkennen, dass nicht alle Modellvarianten gleich stark nachgaben am Ende der Periode.
Grosszügig präsentiertes Bildmaterial
Wie bereits bei den Vorgänger-Büchern und den anderen vom Verlag Berlin Motor Books verlegten Porsche-Werken ist auch im neuen Band zum Porsche 964 das Bildmaterial wichtig und entsprechend grosszügig abgedruckt.
Es setzt sich aus Werksfotos, manche bisher noch nie in Büchern gezeigt, und später aufgenommenen Fotos zusammen. Auch hier geht es weniger um das Herausstreichen von Details bestimmter Modellvarianten als um Gesamteindrücke.
EUR 99.80 sind in Anbetracht des Gebotenen ein fairer Preis. Wer bereits eine frühere Ausgabe zum 964 von Berlin Motor Books im Regal hat, der muss nicht zwangsläufig zur “modellerneuerten” Version greifen, ausser die dazugekommenen Inhalte (z.B. 964 CS oder Renngeschichte) sind besonders wichtig für ihn. Wer aber noch kein Buch zum 964 hat, dem wird im neuen Band auf jeden Fall eine grosse Fülle an Information und Bildmaterial geboten, die den Kauf attraktiv machen.
Bibliografische Angaben
- Titel: Porsche 964 „The Book“ 1989-1994
- Autoren: Andreas Gabriel (Text), Thomas Nehlert und Tobias Kindermann (Fotos)
- Sprachen: Deutsch/Englisch
- Verlag: BMB Berlin Motor Books
- Auflage: Limitierte Auflage Oktober 2021, 1994 Exemplare
- Format: Gebunden, im Schuber, 26,6 x 32 cm, 2,9 kg
- Umfang: 370 Seiten, rund 250 Bilder
- ISBN: 978-3-9814592-4-1
- Preis: EUR 99.80
- Kaufen/bestellen: Online beim Verlag BMB Berlin Motor Books oder im einschlägigen Buchhandel