Adrian Newey hat vor einiger Zeit seine Memoiren geschrieben. Sie wurden überall hochgelobt und die Kultur-Zeitschrift New Yorker verlieh ihm im Rahmen einer Besprechung sogar den Titel «Der Michelangelo des Motorsports», was der Pantauro-Verlag für seine deutsche Ausgabe sofort auf dem Buchumschlag übernahm.
Das Buch umfasst 417 Seiten. Es ist ein Lesebuch, denn der Text wird nur an wenigen Stellen durch ein paar Fotos und eine Reihe von technischen Skizzen unterbrochen. Stolz präsentiert Newey seine Bilanz: 10 Konstrukteurs-Weltmeisterschaften sowie 154 Siege in den Läufen zur FIA-Automobilweltmeisterschaft und der CART PPG Indy Car World Series haben die Autos, die er als verantwortlicher Ingenieur betreute, bis 2014 errungen. Man könnte anfügen, dass fünf Fahrer auf Neweys Autos insgesamt neun Mal Weltmeister wurden.
Aber ist ein solches Buch über die moderne Formel 1 überhaupt interessant für Old- und Youngtimer-Freaks? Ich würde das bejahen, weil Adrian Newey die Brücke bildet zwischen der «guten alten Zeit» und heute. Er kann durchaus als der Nachfolger von Colin Chapman gesehen werden, den er gerade noch erlebt, aber nie gesprochen hat. Als die Turbomotoren ab 1989 verboten wurden, hatte er mit dem March 881 das neue technische Paradigma, das die folgenden zehn Jahre dominieren sollte, schon auf der Rennstrecke. Mit diesem Auto zog er die Konsequenzen aus dem obligatorisch gewordenen flachen Unterboden, dem Verbot der Skirts und der im Vergleich zu den Turbo-Motoren beschränkten Leistung der Saugmotoren. Es reichte zwar nicht zu einem Sieg in einem Grand Prix, aber der zweite Platz von Ivan Capelli im Grossen Preis von Portugal 1988 hinter Alain Prost im McLaren mit Honda-Turbo und weitere gute Platzierungen machten den 881 zum besten Sauger resp. Nicht-Turbo.

Es war dieses Konzept, das Adrian Newey ab 1990 bei Williams weiterentwickelte. In den Saisons 1991 bis 1997 erzielte das Team nicht weniger als fünf Konstrukteurs-Weltmeistertitel und landete zwei Mal auf Platz zwei. Wie Colin Chapman zwischen 1960 und 1980 regelmässig das gültige technische Paradigma in der Formel 1 definierte, so tat es Adrian Newey seit 1988.
Adrian Newey - der ehrgeizige Rebell
Sein Vater war ein Autonarr. Von ihm bekam er die Liebe zum Auto und zum Basteln mit. Seine Mutter charakterisiert er als Hippie mit einer grossen kreativen Energie.
Die Schule hab ihn nicht interessiert. Girls, Booze und Bikes seien sein Lebensinhalt gewesen, schreibt Newey über seine Jugend. Er fliegt von der Schule, will dennoch Rennwagen-Konstrukteur werden.
Als ihm ein Kollege (offensichtlich überzeugend) erklärte, dass er ohne Universitätsabschluss nie und nimmer für eine solche Position in Frage kommt, ändert er sein Verhalten. Er schaffte den Zugang an die Universität von Southampton. Dort studierte er Flugzeugbau, weil das der Studiengang war, in dem Leichtbau und Aerodynamik als Fächer gelehrt wurden, also jene Disziplinen, die im Rennwagenbau von entscheidender Bedeutung sind. Nach eigenem Bekunden musste er für diesen Abschluss hart arbeiten. Dabei hat er sich die Fähigkeit zur Konzentration auf eine Sache, «Fokussierung», angeeignet, die er heute noch als eine seiner Stärken betrachtet.
Seine Abschlussarbeit befasste sich konsequenterweise nicht mit Flugzeugen, sondern mit der aerodynamischen Gestaltung eines Sportwagens. Er erhielt die Bestnote.
Das ist der Inhalt des ersten Teils des Buches, das den treffenden Titel «Am Start» bekommen hat. Er stilisiert sich als kreativer, ehrgeiziger Rebell, der Bestleistungen erbringt wenn er es denn will und es ihn interessiert. Wohl nicht ganz zufällig ist es der längste Teil im Buch überhaupt.
Adrian Neweys Karriere als Rennwagenbauer ab 1980
Seine erste Stelle ist die des Assistenten von Harvey Postlethwaite, dem technischen Leiter im Formel-1-Team von Emerson Fittipaldi, dem Skol Fittipaldi Team. Nachdem Fittipaldi schon zwei Jahre später am Ende war, ging er zu March, zuerst als Renningenieur im Formel-2-Team und ab 1983 als verantwortlicher Ingenieur für die amerikanischen IMSA-GTP-Rennsportwagen.
Robin Herd beförderte ihn ab Sommer 1983 zum Chefkonstrukteur der Indy-Monopostos, notabene nach gerade einmal 3 Jahren im Geschäft. Gleichzeitig fungierte Newey auch als Renningenieur, zuerst von Bobby Rahal, dann von Michael und Mario Andretti. Ein nächster, kurzer Ausflug (parallel zu seinem Engagement in der CART) in die Formel 1 zum Beatrice-Team von Teddy Mayer und Carl Haas dauerte nur ein halbes Jahr bis Ende 1986.
Ab Juli 1987 beginnt seine eigentliche Karriere in der Formel 1 mit der Übergabe der technischen Verantwortung für die March Formel 1 des Leyton-House-Teams durch Robin Herd. Sein erstes Auto ist der oben schon angesprochene 881 für die Saison 1988.
In seinem Buche teilt er seine Karriere als Rennwagenbauer in sogenannte «Runden» ein, die nach seinen wichtigsten Konstruktionen unter dem Titel «Wie man einen [March 83G, March 86C, …, Williams FW14, …] baut?». Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über seine Runden und «seine» 10 Weltmeistertitel sowie 154 Rennsiege:
Eigene Recherchen des Autors. Die Werte in Klammern in der Spalte (f) gehen nicht in die Berechnung der Rennsiege ein.
Adrian Newey - der Konstrukteur
Der wichtigste Ausdruck von Neweys Kreativität zeigt sich in der Interpretation der Reglemente und die Ableitung des optimalen Konzepts für den Formel 1 der nächsten Saison. Natürlich wird dieses Konzept primär von der Aerodynamik bestimmt. Dazu gehören zwei Dinge: die konsequente Ausnutzung des Spielraums, den die jeweiligen Reglemente zulassen, und die daraus folgenden Anforderungen an die Gestaltung und die Anordnung der Elemente im Auto.
Mit Hilfe von technischen Skizzen erklärt er sein Vorgehen und beginnt dabei am Anfang mit den fundamentalen Regeln. Dazu gehören die Bildung von Randwirbeln (Vortices) und die Luftverwirbelungen an den Vorderrädern. Das sind zwar keine systematischen Abhandlungen, aber Erklärungen anhand konkreter Beispiele.
Es folgen seine Ausführungen zu den einzelnen Fahrzeugen. Zwei Musterbeispiele seien hier herausgegriffen, die jeweils nach grösseren Reglementsänderungen konzipiert wurden: der McLaren-Mercedes MP4-13 von 1998 und der Red Bull-Renault RB5 von 2009.
Das Reglement für 1998 zielte auf eine massive Reduktion der Geschwindigkeiten und eine Erhöhung der Sicherheit der Fahrer: mehr Platz im Cockpit, Verbot der Verwendung von Slicks, Reduktion der Wagenbreite und des Frontflügels. Adrian Newey taxiert diese Reglementsänderung als die grösste seit Beginn seiner Karriere. Er entscheidet sich für ein Konzept, das auf eine konsequente Tiefersetzung des Fahrzeugschwerpunkts setzt. Um die Vorgaben bezüglich der Mindestmasse des Wagenkastens einhalten zu können, bringt er oben links und rechts zwei Finnen an, die die Sicht des tief im Monocoque platzierten Fahrers einschränken, aber die Sichtachse nach vorne und auf den Scheitelpunkt garantieren. Dazu kommen weitere Massnahmen. Neweys Design wird damals als ausserordentlich innovativ beschrieben und gleichzeitig vermerkt, dass er den Geist des Reglements nicht respektiert habe. Die Fahrer- und Konstrukteursweltmeisterschaft 1998 waren Mika Häkkinen resp. McLaren-Mercedes nicht zu nehmen.

Das Reglement für 2009 sah einen Frontflügel über die volle Wagenbreite mit einer aerodynamisch neutralen Mittelsektion von 500 Millimetern vor. Der Diffusor hinten durfte erst ab Mitte der Hinterachse beginnen und der Heckflügel musst viel schmaler und höher werden. Dazu kamen noch weitere Vorgaben hinzu. Wie Newey feststellt wird es aerodynamisch ein ganz anderes Fahrzeug, weil die Randwirbel des Frontflügels aussen an den Vorderreifen vorbeizogen.
Die neutrale Zone des Frontflügels an der Nase verursachte allerdings ebenfalls Randwirbel, die nach innen zogen. Der RB5 bekam deshalb eine ganze Reihe neuer Features. Dazu gehörten wieder die bekannten Finnen auf der Oberseite des Chassis, die V-förmige Unterseite sowie hinten Zugstreben (Pullrods) anstelle der üblichen Druckstreben (Pushrods).
Gewinner der Saison waren allerdings Jenson Button und Brawn dank des Doppeldiffusors. Newey taxiert diesen als illegal und dessen Legalisierung als eine Massnahme, um der Vorherrschaft von Ferrari und McLaren Einhalt zu gebieten. Die Nachrüstung der anderen Teams inklusive Red Bull kam zu spät.
Daneben erfährt man natürlich auch Details über mechanische Entwicklungen in der Formel 1 wie aktive Aufhängung, Lenkung der Hinterräder, Doppelkupplung.
Seine Arbeitsweise fasst er folgendermassen zusammen: «Ich arbeite gern unmittelbar am Entwurf des Wagens mit und verbringe mindestens die halbe Arbeitswoche mit dem Bleistift in der Hand. Ich versuche, ein gutes Beispiel zu geben, indem ich nicht nur selbst Zeichnungen anfertige, sondern auch andere Ingenieure bei der Umsetzung der Ideen berate». Er schliesst gleich an und vergleicht sich mit Ross Brawn: «Ross hat da einen ganz anderen Ansatz. Er sieht sich mehr als technischen Manager und erreicht seine Erfolge, indem er die richtigen Leute anwirbt …». Newey anerkennt, dass beide trotz unterschiedlichen Arbeitsweisen sehr erfolgreich waren, denn zwischen 1992 und 2013 (die Abgrenzung ist nicht ganz zufällig!) haben mit Ausnahme 2005‒2008 (Renault und Ferrari je zwei Mal) nur Autos von Ross Brawn oder von ihm die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft gewonnen.
Wichtig ist ihm, dass er ständig nach neuen, besseren Lösungen strebt. Mit Leidenschaft zeichnen, nennt er das. Dabei zielt er auf kontinuierliche Verbesserungen, damit er den Prozess unter Kontrolle halten kann. Dass er seine Arbeitsweise sehr systematisch gestaltet, zeigt sich daran, dass er sie bis in die Verwendung von genau definierten Bleistift- und Papiertypen strukturiert hat.
Adrian Newey der Chef-Konstrukteur
Faszinierend an diesem Buch ist, dass man bei der Entwicklung und seinen Denkprozessen Anteil nehmen kann. Dagegen erfährt man wenig über seinen Führungsstil. Er erwähnt zwar, dass die Rennwagenfirmen zwischen 1980 und heute viel grösser geworden sind, aber wie diese Vielzahl von Leuten effizient geführt werden sollen, scheint ihn nicht wirklich zu beschäftigen.
Sicher ist, dass er die Konzepte bestimmen will. Er schreibt das Lastenheft für das nächste Auto. Das ist kein Text, sondern ein Satz von Zeichnungen. Natürlich ist er auch in der Entwicklung vor Ort, wenn die Ergebnisse der Windkanalversuche oder heute der CFD-Simulationen vorliegen. Er beschreibt es als Trial-and-Error-Prozess, bei dem nur etwa ein Viertel seiner Ideen überleben. Diese Position erlaubt ihm auch, die jeweiligen Autos als seine Produkte zu etikettieren. Zwar nennt er meist seine wichtigsten Mitstreiter, doch er ist der Kopf und beansprucht deshalb das «geistige Eigentum».
Das setzt anderseits voraus, dass Newey eine herausgehobene Stellung in der Firma einnehmen kann. Bei McLaren, einem grossen Team mit einer Matrix-Organisation, musste er mitansehen, wie Martin Whitmarsh einmal über seine Ideen abstimmen liess. Da brannten bei ihm sämtliche Sicherungen durch.
Dass die Zeit bei McLaren, die durch die Dominanz der Kombination Ferrari+Schumacher gekennzeichnet ist, nicht wirklich erfreulich für ihn war, kann man wieder an der Zahl der Seiten sehen, die er dieser Phase widmet. Für sieben Jahre Williams reserviert er 140 Seiten, für neun Jahre McLaren sind es 55.
Als später Helmut Marko und Christian Horner auf einen Hinweis von David Coulthard ihm 2005 das Angebot machen, zu Red Bull Racing als alleiniger technischer Leiter zu wechseln, ist die Entscheidung rasch gefallen.
Adrian Newey und der tödliche Unfall von Ayrton Senna
Die vielleicht grösste Katastrophe im Berufsleben von Adrian Newey war der tödliche Unfall von Ayrton Senna im Grossen Preis von San Marino 1994 auf einem Williams FW16, einem Auto, für das er zusammen mit Patrick Head die Gesamtverantwortung trug. Er war es auch, der die Reduktion des Durchmessers der Lenksäule zuliess, um mehr Platz für die Hände im Cockpit zu schaffen, wie es Ayrton Senna gewünscht hatte. Es war diese Änderung an der Lenkung, die in den Diskussionen in der Presse und im nachfolgenden Gerichtsprozess eine zentrale Rolle spielte, weil die Lenksäule im Unfallwagen gebrochen war.
Dabei war die Situation nicht einfach. Senna hatte in den ersten beiden Rennen der Saison aufgeben müssen. Er wollte das dritte unbedingt gewinnen. Aber der FW16 erwies sich als sehr instabil. Die internen Auswertungen bei Williams legten die Vermutung nahe, dass Senna das Auto in der Tamburello-Kurve verloren hatte, nachdem er noch gegenzulenken versuchte. Alle diese Manöver konnten nur mit intakter Lenkstange vonstatten gegangen sein.
Der Prozess ging für Newey und Patrick Head straffrei aus. Wenn Adrian Newey sich Vorwürfe macht, dann wegen des instabilen Autos, das Senna zu riskanten Manövern zwang, um vor Schumacher in Führung zu bleiben, und wegen der informellen Art und Weise, wie die Lenkung modifiziert wurde. Dieses Vorgehen sei nicht professionell gewesen.
Adrian Newey und Red Bull Racing
Adrian Newey ist in seiner Karriere auch dadurch aufgefallen, dass seine Abgänge bei Williams und McLaren durchaus dramatisch verliefen. Bei Williams wurde er nach einem Streit mit Frank Williams und Patrick Head freigestellt; bei McLaren leitete man ihn aus dem Büro zur Pforte und Ron Dennis erteilte ihm ein Hausverbot, nachdem sein Flirt mit Red Bull bekannt wurde und er den Abschied angekündigt hatte.
Bei Red Bull Racing war das ganz anders. Er bildete und bildet bis heute zusammen mit Christian Horner das Leitungsduo. Das soll nicht heissen, dass die Verhältnisse immer einfach sind mit Dietrich Mateschitz als dem Kopf des Konzerns und Helmut Marko als dessen Berater in Motorsport-Angelegenheiten. Die Parteinahme von Marko zugunsten von Sebastian Vettel im Streit mit Mark Webber hat Newey gar nicht geschmeckt.
Trotzdem scheint Adrian Newey tief bei Red Bull Racing verwurzelt zu sein. Horner und er haben die Firma nach der Übernahme von Jaguar Racing komplett neu aufgebaut und «um Ideale herum geformt», die beide teilten. Angebote von Mercedes und Ferrari hat er abgelehnt und damit in einer gewissen Weise klar gemacht, dass er sich der Firma sehr verbunden fühlt. Er bezeichnet sie als seine Heimat. Dazu kommt, dass er zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Buches die Möglichkeit bekam, für Aston Martin einen Supersportwagen, den Aston Martin Valkyrie, zu konzipieren. Das Auto wurde letztes Jahr am Genfer Auto-Salon vorgestellt und die ersten Exemplare sollen noch 2020 ausgeliefert werden, ein Projekt, das auf ihn einen grossen Reiz ausübte.
Er lässt durchblicken, dass ihn (Stand 2014) die Motorensituation beschäftigt. Er fürchtet, dass Red Bull auf Dauer gegenüber Mercedes-Benz und Ferrari handicapiert sein könnte. Für einen ehrgeizigen Mann wie ihn eine wenig attraktive Situation. Anderseits sah er sich wieder in die Situation zu Beginn seiner Zeit bei Red Bull zurückversetzt, als harte Arbeit und innovative Lösungen das Team an die Spitze der Formel 1 führten.
Keine langweilige Beschreibung technischer Features
David Neweys Buch ist aber keine langweilige Beschreibung der technischen Features seiner beachtlichen Liste von Rennwagen. Ihre Abfolge ist nur das Rückgrat für die Entwicklung der spannenden Biographie eines Rennwagen-Konstrukteurs, Ehemanns und Familienvaters mit allen Höhen und Tiefen sowohl privat als auch beruflich. Unterhalb der Ebene mit den 11 Runden gliedert sich das Buch entsprechend in nicht weniger als 77 Kapitel.
In seiner Karriere hatte Adrian Newey mit vielen Grössen der Formel 1 direkten Kontakt. Viele mochte er (Christian Horner, David Coulthard, Damon Hill), andere nicht (Michael Schumacher). Er teilt die Abneigung der englischen Teams gegenüber Ferrari und glaubt an eine spezielle Beziehung zur FIA (alias «Ferrari International Aid»).
Adrian Newey ist zwei Mal geschieden und Vater von vier Kindern. Ein stolzer Vater, wie er mehrfach erläutert, wenn er die Leistungen seiner drei Töchter und seines rennfahrenden Sohnes würdigt.
Natürlich kommt auch seine relativ spät erwachte Liebe zu den Rennen mit historischen Rennfahrzeugen ausgiebig zur Sprache. Sein Ehrgeiz hat ihn ein paar Mal zu risikoreichen Manövern mit nachfolgenden Unfällen getrieben und er hat sich den Ruf eines Crash-Piloten erworben (den er für ungerechtfertigt hält).
Er hat 2012 von der Queen persönlich den Order of the British Empire erhalten. Er war beteiligt an der Entwicklung des Videospiels Gran Turismo 5. George Harrison hat an seinem 40. Geburtstag gespielt. … Es gibt vieles zu entdecken!
Kein einfaches Buch
Sucht man nach dem technischen Faden, so muss man sich anstrengen. Seine Skizzen zeigen immer nur Details, nie ganze Autos. Es braucht deshalb ein gewisses Vorstellungsvermögen. Ich muss zugeben, dass ich meine alten «Piolas» konsultiert habe um jeweils das ganze Auto sehen und die Skizzen verorten zu können.
Adrian Newey war auch nicht allein. Vergleiche mit der Konkurrenz sind trotzdem spärlich. Das ist aus Sicht eines Autors, der seine eigene Geschichte schreibt, verständlich, hilft aber dem Laien nicht unbedingt. Auch hier hat mir ein Blick in die Piolas geholfen.
Die Gestaltung des Buches
Adrian Neweys Buch ist Lesestoff (fast) pur. Entsprechend ist die Schrift gross und das Schriftbild klar. Es ist ausgesprochen angenehm zu Lesen. Die Gliederung in kleine Kapitel erlaubt es, den umfangreichen Text portionenweise aufzunehmen. Sie sind in sich abgeschlossen. Dafür durchbrechen sie manchmal die chronologische Abfolge.
Ein besonderes Highlight sind die vielen technischen Illustrationen in Form von Ausschnitten aus technischen Zeichnungen oder von Skizzen zur Erklärung von technischen Lösungen. Sie sind eine wertvolle Ergänzung des Texts und ein genaues Studium wert.
Die wenigen, etwa ein Dutzend Fotos sind sehr genau ausgesucht und zeigen Newey primär mit den Leuten, die ihm wichtig sind wie Ayrton Senna, Christian Horner und seine Freundin Mandy. Natürlich fehlt das Foto mit ihm an seinem Lieblingsarbeitsplatz mit dem richtigen Bleistift nicht.
Ergänzt wird das Buch um ein Glossar, d.h. den Definitionen von verwendeten Begriffen. Dieser Teil ist aus meiner Sicht nicht gelungen. Die Umschreibungen sind meist sehr simpel und helfen weder dem Kenner, weil oberflächlich und unpräzise, noch dem Laien, weil zu schwammig. Als Beispiel sei hier die Erklärung des Begriffs Monocoque genannt: «Zentrales Bauteil eines Rennwagens (auch Chassis genannt), das den Fahrer und den Tank umgibt und an dem die vordere Aufhängung, der Motor und der Bug- und Seitenaufprallschutz montiert werden». Begriffe wie NACA-Duct, Radnachlauf, Spreizwinkel etc. wären zudem mit einer Grafik wohl deutlich verständlicher.
Die deutsche Übersetzung
Bei englischen Büchern stellt sich immer die Frage, ob man sich nicht das Original vornehmen soll. In diesem Fall ist die deutsche Übersetzung sehr gut gelungen. Der Text ist flüssig und gut lesbar. Es gibt kaum Übersetzungs- und Rechtschreibefehler zu bemängeln. Hier wurde ganze Arbeit geleistet.
Eine kleine Schwäche der deutschen Auflage sind aber die technischen Skizzen, die von Newey selbst (auf Englisch) beschriftet worden sind und so auch in die deutsche Auflage übernommen wurden. Dazu gibt es keine Übersetzungen.
Zusammenfassung
Adrian Neweys Biographie liefert eine interessante Übersicht über die technische Entwicklung der Rennwagentechnik zwischen 1980 und 2014 als Text, ergänzt mit interessanten technischen Skizzen. Der Fokus liegt auf der Aerodynamik und der Dialektik von Reglement und technischer Lösung. Toll ist, dass er seine Arbeitsweise schildert und den Leser an den Erfolgen, aber auch den Misserfolgen teilhaben lässt. Hinter allen Erzählungen ist immer ein enormer Ehrgeiz zu spüren, der wohl unabdingbar ist, um eine solche Position zu erreichen und zu halten.
Neben der Technik kommen auch die sozialen Aspekte zur Sprache. Newey ist seit 1988 eine feste Grösse auf den Rennplätzen der FIA-Automobilweltmeisterschaft und kann über viele Begegnungen und unzählige Anekdoten berichten. Er ist ausgesprochen stolz auf seine Position im Renngeschäft sowie die vielen Bekanntschaften mit Persönlichkeiten in und ausserhalb der Rennszene und erzählt gerne darüber.
Ich hoffe, dass die Macher des «New Yorkers» mit der Auszeichnung «Michelangelo des Motorsports» nicht nur das Künstlergenie gewürdigt, sondern auch Michelangelo Buonarroti als ehrgeizigen Rebellen mit einem starken Verlangen nach Anerkennung seiner Leistungen in die Bewertung einbezogen haben.
Das Buch ist absolut lesenswert. Es ist eine anschauliche Motorsport-Geschichte der letzten gut vierzig Jahre und ein Hintergrundbericht für alle, die Formel 1 (fast) nur aus dem Fernseher kennen. Für den Kenner sind die Ansichten von Adrian Newey eine wichtige Ergänzung des Meinungsspektrums durch einen der bedeutendsten Handlungsträger.
Bibliografische Angaben
- Titel: Wie man ein Auto baut: Ein Leben für die Formel 1.
- Autor: Adrian Newey
- Sprache: Deutsch (aus dem Englischen übersetzt von Martin Bayer)
- Verlag: Pantauro Verlag
- Auflage: 3. Auflage 2020
- Format: Gebunden mit Umschlag, 170x230mm,
- Umfang: 417 Seiten
- ISBN: 978-3-7105-0031-2,
- Preis beim Verlag: 28.00 EUR, empfohlener Preis für die Schweiz: 38.90 CHF (ohne Versand).
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"The perfect car"
Leider nur auf Englisch, aber sehr spannend, und interessant!