Man kennt den Lola T70 von historischen Rennveranstaltungen und natürlich aus Büchern und Filmen, die den Langstreckenrennsport dokumentieren. Aber dass ein Teil der Lola T70 Population aus der Schweiz stammt, wissen nur die wenigsten.
Sieger bei den 24 Stunden von Daytona
Im Jahr 1969 passierte etwas, was niemand erwartet hatte und rückte einen Rennprototypen ins Zentrum des öffentlichen Interesses, der vorher in den Händen von Amateurrennfahrer nur wenig Lorbeeren geholt hatte. Mark Donohue und Chuck Parsons gingen als Sieger der 24 Stunden von Daytona hervor. Auf Platz Zwei liefen der Schauspieler James Garner (bekannt u.a. aus der Fernsehserie “Detektiv Rockford - Anruf genügt”) zusammen mit seinem Team auf einem weiteren Lola T70 ein. Die ganze Konkurrenz von Porsche, Ford und Alfa Romeo war geschlagen.
Die englische Sportwagen-Manufaktur Lola
Eric Broadley gründete die Firma Lola im Jahr 1958 und er war im Rennzirkus kein Unbekannter. Bereits mit seinem Erstling, dem Mk 1, hatte er einen Sportwagen geschaffen, den es in seiner Zeit zu schlagen galt.
Mit dem Lola GT, auch Mk 6 genannt, schuf er die Basis für das, was später der Ford GT40 wurde und die 24 Stunden von Le Mans viermal gewann. Zu jener Zeit beriet Broadley Ford, doch diese Beziehung sollte nicht ewig währen und der Rennwagenkonstrukteur begann wieder eigene Fahrzeuge zu entwickeln.
Es entstand der Lola T70, ein offener Sportwagenprototyp mit amerikanischer Antriebstechnik. Der Rennwagen siegte 1965 beim Monterey Grand Prix und auf dem Laguna Seca Rennkurs. In der Folge entstanden zwei weitere Versionen, der T70 Mk II, der T70 Mk III und der T70 Mk IIIb, letztere wiesen eine geschlossene Kunststoff-Karosserie mit Flügel- oder Scherentüren auf. Insgesamt entstanden über 100 dieser Fahrzeuge.
Der Rennwagen für die Strasse
Weil Eric Broadley wohl immer wieder danach gefragt wurde, ob er nicht einen T70 für den Einsatz auf öffentlichen Strassen anbieten könne, wandte sich dieser an Franco Sbarro, der damals in einer Werkstatt in Yverdon (ACA, Atelier de Construction Automobile) Spezialkarosserien und Luxusfahrzeuge für eine gut situierte Kundschaft produzierte. Sbarro kannte sich mit Rennwagen aus, hatte er doch jahrelang als Mechaniker in der Scuderia Filipinetti gearbeitet.
Sbarro rüstete einen T70 für die Strasse um, was unter anderem ein wohnlicheres Interieur, Klimaanlage, Musikanlage und ähnliches Zubehör bedeutete. Das Ergebnis wurde im Januar 1969 an der Rennwagenshow in London präsentiert. Es wurde von einer Serie von zehn T70 in Strassenausführung gesprochen.
Broadley war allerdings nicht ganz überzeugt, dass ein wirkliches Marktpotential für derartige Strassenfahrzeuge bestand, willigte aber immerhin ein, Sbarro sieben Chassis mit den Fahrgestellnummern SL-101 bis SL-107 zu liefern.
Die Strassenrennwagen aus der Schweiz
Franco Sbarro machte sich an die Arbeit und baute mit den bestehenden und zugekauften Komponenten strassenzugelassene T70-Klone mit Lederinterieur und anderen Rafinessen. Die meisten erhielten V8-Chevrolet-Motoren, deren Leistung sich an die Ansprüche der Käufer anpassen liessen, ein Wagen allerdings wurde mit einem Ferrari-4-Liter-V12-Motor ausgerüstet.
Sbarro baute ungefähr zehn T70 über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Im Jahr 1978 präsentierte er auf dem Genfer Automobil Salon einen elften T70 mit dem Motor aus dem Porsche 911 Turbo mit 3,3 Liter Hubraum und 300 PS. Das Getriebe stammte vom Porsche 935 und für rund 100’000 Franken hätte man sich damals einen derartigen T70, der zu 310 km/h fähig war, bestellen können. Die Lieferfrist wurde damals mit acht bis zehn Monaten angegeben.
Zurück auf die Rennstrecke
Obschon für den Einsatz auf öffentlichen Strassen vorgesehen, fanden auch die Sbarro Lola Fahrzeuge wieder auf die Rennstrecke zurück. So wurde Chassis SL-106 von Chuck Parsons gekauft, der den Wagen in der Rennsaison 1969 und 1970 einsetzen wollte.
Im Jahr 1971 erlitt der Wagen einen Unfall und wurde abgestellt, bis er 1999 von einem neuen Besitzer restauriert wurde. In den Folgejahren wurde der inzwischen dunkelblau gespritzte und als Kopie des Daytona-1969-Siegerwagens aufgebaute Lola immer wieder an historischen Rennveranstaltungen gesichtet.
Jetzt steht der Wagen, heute mit einem Chevrolet-V8 mit über 450 PS ausgerüstet, zusammen mit 52 weiteren Fahrzeugen an der RM-Versteigerung in Paris vom 5. Februar 2014 zum Verkauf, Euro 295’000 bis 355’000 soll der Wert gemäss Auktionshaus betragen.
Ob eine Strassenzulassung auch heute noch möglich wäre, darüber kann nur spekuliert werden. Den Beamten auf der Prüfstelle würde es jedenfalls bei der Vorfahrt des nur 95 cm hohen Sportwagens sicher den Atem verschlagen.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 2/1969 vom 16. Jan. 1969 - Seite 21: Londoner Rennwagenshow
- AR-Zeitung Nr. 9/1978 vom 2. März 1978 - Seite 35: Aus der Sbarros Zauberküche
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