Der Norisring auf dem Reichtagsgelände von Nürnberg ist schon seit jeher für spannende Rennen bekannt. Aber das Motorsport-Wochenende von 1. und 2. Juli 2017 war nicht nur gut, es war geradezu sensationell.
Nicht nur der zweite Start der Tourenwagen-Classics bot tollen Rennsport, nein, auch die oft langweilige heutige DTM zeigte ein Rennen, welches den Motorsport nicht besser hätte repräsentieren können. Genauso wollen wir den Sport doch sehen. Beinharte Kämpfe von vorne bis hinten, Tür-an-Tür-Duelle bis zur Zielflagge. Es zeigte sich deutlich, dass Rennen ohne die komplette Abhängigkeit von der heute übertriebenen Aerodynamik noch immer zum Thriller werden können.
Pech für den Alfa Romeo
Doch nun wieder zurück zu der Tourenwagen Classic. Was vor drei Jahren noch als Demonstrationslauf stattfand, wurde heuer zum richtigen Rennlauf. Stephan Rupp sicherte sich im Ex-Auto von Giancarlo Fisichella, dem Alfa Romeo 155 TI V6 ITC aus dem Jahr 1996, mit einer Zeit von 53.195 Sekunden die Pole-Position. Im Vergleich dazu fuhr Tom Blomqvist im aktuellen DTM-BMW M4 am Sonntag mit einer Zeit von 47.252 Sekunden und einem Schnitt von 175.230 km/h auf den ersten Startplatz.
Wie bereits am Nürburgring hatte der Alfa leider wieder mit technischen Problemen zu kämpfen. Nach einem kleinen Feuer im Training wurde in der Nacht der Motor gewechselt. Doch auch diese Mühe wurde nicht belohnt und so musste der Publikumsliebling mit Überhitzung und starker Rauchentwicklung das Rennen vorzeitig beenden. Die Disqualifikation infolge Missachtung der schwarzen Flagge kam damit nicht mehr zum Tragen.
Ein Unglück wiederholt sich
Auch dem Nürburgring-Sieger Jörg Hatscher im C-Klasse Mercedes von Jan Magnussen war das Glück nicht hold.
Nach einem heftigen Mauerkuss musste er sein Auto abstellen. Magnussen, der diesen Mercedes vor 21 Jahren schon auf ähnliche Weise in der Abschrankung platzierte, so dass er bis zum Dachrahmen unter den Reifenstapeln steckte, hatte bereits eine Sitzprobe im Auto hinter sich und meinte: "Ich würde gerne noch einmal mein Ex-Auto fahren – nur nicht auf dem Norisring, diese Strecke war nicht gut zu mir!"
Doch noch ein Mercedes
So kam Thorsten Stadler zum ersten Tagessieg bei den Tourenwagen Classics. Der Technik-Experte aus Hannoversch-Münden bei Kassel setzt die 1994 von Ellen Lohr in der DTM gesteuerte C-Klasse von Mercedes-Benz ein.
Hinter Stadler dann der erste BMW mit DTM-Legende Altfrid Heger (59) am Steuer. Noch in der Nacht war sein Sohn Robert Heger (23) aufgebrochen, um in Passau eine ECU 4, sprich ein neues Motorsteuergerät zu besorgen. Damit lief dann der 1991er-E30 perfekt. "Ich habe natürlich bemerkt, dass die Lenkkräfte sehr hoch sind und die ABS-Bremse hart getreten werden muss, aber ich bin nach wie vor sportlich aktiv, betreibe täglich Nordic Walking mit dem Hund und fühle mich fit!", so der ehemalige BMW-Werksfahrer Altfrid Heger.
Dritter wurde Richard Weber, im BMW M3 E30 2.5 Sport Evolution aus dem MM-Diebels-Team von Günter Murmann. Weber hielt sich zwar lange Zeit vor Altfrid Heger auf, konnte sich aber den Attacken des Routiniers schlussendlich nicht erwehren.
Der Publikumsliebling Strycek
Der Vierte im Klassement war gleichzeitig der Sieger der Herzen: Publikumsliebling Volker Strycek löste sein auf der Essener Motor Show gegebenes Versprechen ein und brachte seinen roten Opel Omega 24V nach 20 Jahren Standzeit zum Saisonhöhepunkt nach Nürnberg. Dabei handelte es sich um das 1991er Testfahrzeug im legendären im Jahr 1995 überlackierten "Fritten-Design".
Mit exakt diesem Dreiliter-Viertürer kam Strycek, der 1984 der erste Titelgewinner in der Deutschen Produktionswagen-Meisterschaft gewesen war, auf dem Alemannenring in Singen/Hohentwiel 1991 auf den fünften Platz – eines der besten Ergebnisse des Opel Omega 24V. Ihm folgte dann bekanntlich 1993 der Opel Calibra V6 Allrad, der 1996 zur Höchstform auflief.
Volker Strycek war mit der ganzen Familie angereist. Drahtig wie eh und je, hielt er als Vierter einen der drei Veranstalter der Tourenwagen Classics hinter sich.
Auch auf Rang sechs schimmerte DTM-Historie durch: Sebastian 'Baschdi' Asch, Sieger des ADAC-GT-Masters vor zwei Jahren und Sohn der 66-jährigen DTM-Legende Roland Asch, pilotierte den zuletzt von Marc Hessel bewegten Ford Sierra Cosworth.
Gänsehautmomente
Der Classic-Lauf auf dem Norisring wurde von der 77-jährigen Moderatorenlegende Rainer Braun im Fernsehstudio von Sport1 in einer Live-Übertragung kommentiert. Am Samstag war Braun in den beiden Trainingssitzungen auch als Streckensprecher für die Rennbesucher auf der alten Steintribüne zu hören. Die 'Stimme der alten DTM' elektrisierte mit Gänsehautmomenten in Serie.
Am zweiten Wochenende im August setzt sich das Veranstaltungsprogramm übrigens beim AvD-Oldtimer-Grand-Prix auf dem Nürburgring fort und dazu haben sich weitere Neuzugänge, im jetzt schon überaus starken Teilnehmerfeld, angekündigt.
Warum nicht später
Nicht optimal erschien vielen Zuschauern die zugeordnete Startzeit der Tourenwagen Classic. Es wäre sicher das Pünktchen auf dem "i" gewesen, wen die Historischen kurz vor der aktuellen DTM hätten starten können, statt dass man sie sozusagen zum Frühstück geniessen musste/durfte.