Cabriospass muss nicht teuer sein, schon gar nicht mit einem Youngtimer. Opel Kadett, Ford Escort und VW Golf stellen unter Beweis, dass man auch mit geringem Budget in den Genuss von offenem Fahrspass kommen kann.
Kleine Freiheit
Es waren die Helden der Generation Golf. Im Dezember 1985 schaute so manch einer neidisch ins Glottertal, wo sich Arztsohn Udo Brinkmann, alias Sascha Hehn, mit gewagtem Schwung über die geschlossenen Türen in das schneeweisse Golf Cabriolet wuchtete, oder auf den Center Court, wo mit Steffi Graf und Boris Becker gleich zwei Frischluftfanatiker die offene Kompaktklasse von Opel (Kadett) und Ford (Escort) zu ganz neuem Ruhm brachten. Ja, damals reichte ein offener Einfachwagen, um in der Reihenhaussiedlung den Hauch von unerhörtem Luxus aufkommen zu lassen. Mercedes SL oder Jaguar XJ-SC standen in der heilen Welt der Achtziger noch wo sie hingehörten - in den Nobelvierteln.
Offen in die Versenkung
Rund 30 Jahre später sind die kleinen offenen Kompakten fast von der Bildfläche verschwunden. Geschluckt von Muttis Wunsch nach intakter Frisur und mehr Sicherheit im SUV haben die Massenhersteller das Thema Cabriolet inzwischen eingestellt.
Bei VW gibt es aktuell nur noch ein offenes SUV, bei Opel und Ford nicht einmal das. Zuletzt hatten die Kölner noch einen optisch irgendwie eigenartigen Ford Focus mit festem Klappdach im Sortiment. Bei Opel hielten sie noch einen Moment krampfhaft am GM-Relikt Cascada fest. Doch am Ende verschwand auch dieses im letzten Jahr aus den Preislisten.
Kompakt und stabil
Das Fehlen der kleinen Cabrios bietet Anlass zurück zu schauen auf die Hochzeit unserer drei Klassiker. Zwei von Ihnen kamen aus den Hallen von Karmann in Osnabrück, wo man sich auf den Bau offener Fahrzeuge seit Jahren spezialisiert hatte. Dementsprechend routiniert gingen die Karosseriebauer die Aufgabe an.
Golf und Escort wurden untenherum verstärkt und mit einem neuen Heck ausgerüstet. Die weichen Dächer verschwanden aus Platzgründen noch nicht unter einem formschönen Deckel, sondern mussten unter einer fummeligen Plastikpersenning verstaut werden. So wollte es zumindest die Vorschrift. Das war vielen zu viel, zumal die zahlreichen Druckknöpfe spätestens beim zweiten Versuch die Fingernägel abbrechen liessen. Ab dem vierten Versuch hatte sich das aber auch erledigt, denn reihenweise rissen die Druckknöpfe im Laufe der Jahre aus dem Material.
Es ging aber auch ohne die Hutze und wenn bei der Bestellung das Kreuz an der richtigen Stelle gemacht worden war, konnte die Verdeckbetätigung nach der Entriegelung sogar elektrisch erfolgen. 1989 der pure Luxus, das hatte so nur der Mercedes SL und der kostete ein Vielfaches. Die Achtzigerjahre waren aber auch das Jahrzehnt des Sicherheitsdenkens, weshalb die Hersteller den offenen Kompakten einen Festigkeits fördernden Überrollbügel spendierten. Im Golf Cabriolet, gerne in femininem Rot bestellt, führte dies schnell zur Legendenbildung vom „Erdbeerkörbchen“. Ein Zusatz, der dem Ford und dem Opel erspart blieb.
Allerdings wurde nie wirklich geklärt, wie die drei eher durchschnittlich motorisierten Fahrzeuge fahrdynamisch je in Regionen kommen sollten, in denen ein Überschlag wahrscheinlich war. Letztlich war den Karosseriebauern der „Henkel“ schon wegen der Stabilität sehr willkommen. Im Falle des Opels sassen die übrigens in Turin bei Bertone, dem italienischen Aufschneider, der auch den schon lange zuvor verblichenen Fiat Ritmo fit für den Frühling machte.
Es lebe der Sport
Doch egal für welches der drei Cabriolets man sich heute entscheidet. Das Frischluftgefühl ist trotz Bügel bei allen ziemlich gleich. Scheiben hoch heisst nur geringe Verwirbelung in der Rick Astley Fönwelle, Scheiben runter (bei den meisten Versionen übrigens mit viermal kräftig Kurbeln an den manuellen Fensterhebern verbunden) onduliert das sorgsam gestylte Haupthaar und fordert vor dem Einlass in die Grossraumdisco das Nachlegen aus der FCKW-Dose von „Studio Line“. Dass der Weg zur Tanzhalle einem nicht wirklich lang vorkommt, liegt an der Motorisierung der drei Cabriolets.
Zwar gab es alle auch mit den schwächlichen Einstiegsmotoren der jeweiligen Baureihe, doch seien wir mal ehrlich, etwas Fahrspass darf dann schon sein und in der heutigen Leistungsgesellschaft wirkt der Verzicht auf die einstige Top-Motorisierung geradezu lebensgefährlich. Nicht auszudenken, wenn man an der Ampel dem anrollenden 600 PS SUV nicht schnell genug entfliehen kann. Mit rund 100 PS reissen die Achtzigerjahre-Cabrios zwar auch keine Bäume aus, doch man kommt schon ordentlich vorwärts. Golf und Ford bieten Vierzylinder mit 1,8 und 1,6 Litern, der Opel in seiner späten Version sogar 2,0 Liter Hubraum.
In Verbindung mit den Schaltgetrieben und dem geringen Gewicht geht da schon was. Mehr Leistung gab es ab Werk nie und bezeichnenderweise haben damals auch die meisten Kunden nicht nach mehr verlangt. Theoretisch hätten alle drei Hersteller die Möglichkeit gehabt, stärkere Aggregate aus ihren Programmen bereitzustellen.
Wertigkeit bis ins nächste Jahrzehnt
Dass es auf die Leistung damals wie heute in einem offenen Auto auch nicht ankommt, wird nach den ersten Metern deutlich. Okay, der Ford dreht in seiner Katalysator-Version (102 PS) etwas zäh hoch, der Opel ist ein wenig brummig und der VW ist jetzt auch kein Rennwagen, doch mit dem Verdeck zurückgeklappt, der C.C. Catch Kompaktkassette im Radio (der Titel „In the backseat of my Cadillac“ bietet sich an) versöhnt man sich beim Ritt durch die Ampel bespickte Innenstadt.
Der Fahrspass mit den kleinen und einfach gemachten Autos buhlt mit den Blicken der Passanten um die Wette. Vor allem für den zweifarbigen Ford, mit der nicht ganz originalen Vierrohrauspuffanlage, finden viele nette Worte und schwelgen in Erinnerungen: „So einen hatte Tante Christel auch einmal“. Und seien wir mal ganz ehrlich: Wann haben Sie ein Escort Cabrio zum letzten Mal im Strassenverkehr gesehen? Eben. Das ist beim Golf anders. Ihn gab es ab 1979 bis 1993 in rund 340.000 Einheiten.
Das Facelift im Mai 1987 brachte die wuchtigen Stossfänger samt Seitenschweller und spätestens mit der Ära der „Classic Line „ Sondermodelle in schwarz, dunkel blau und dunkel grün war das Auto auch für die Inhaberin des Edel-Friseursalons eine Option neben dem Porsche 911. Kombiniert mit einer beigen oder schwarzen Ledersitzgarnitur war der Golf der Styler unter den Kompakten. Das Zeitalter der End-Achtziger war eben auch das des verborgenen Wohlstandes. Man könnte, wenn man wollte, musste es aber nicht zeigen. Das i -Tüpfelchen war dann die „Etienne Aigner“-Edition. Für Nicht-Kenner sei angemerkt, dass der Taschen- und Gürtelhersteller in den Achtzigerjahren neben Ellesse und Lacoste DAS Label des Jahrzehnts war. Dunkel grün und Bordeaux waren die Aussenfarben, dazu gestreifte Sitzbezüge und ein goldener „Aigner“ Schriftzug. Dezenter konnte man Noblesse kaum noch zeigen.
Das Konzept des Understatements ging auf und auch Jahre nach Produktionsende blieb der offene Golf noch stylish und wirkte nie billig. Das war der Trick für die anhaltende Popularität auch als Gebrauchter. Opel dagegen verpasste den Trend von schick und schön. Der Kadett war immer eine Spur einfacher, rappelte mit seinem mausgrauen Hartplastikinnenraum im Takt der nachträglich montierten Alpine-Stereoanlage und kam schnell in die schlechte Gesellschaft der Mantaletten tragenden Vorstadtprolls. Die installierte vor dem Ritt zur Stoppelfeldfete noch schnell das D&W Federset (minus 40 Millimeter) und verdrahtete die Bassbox auf den Rücksitzen im Freilandlook.
Dazu eine riesige Auspufftüte und ein Wolle Petri Tattoo auf der Heckscheibe und ab ging‘s. Und auch der Ford schaffte es nicht, dem Edel Golf auf die Spur zu kommen. Trotz Tennisaura und Unterstützung des populären Sport Escort Turbo RS, blieb auch er ein Provinzler. Gerade richtig für den Job als Diskoshuttle der Führerscheinneulinge, die mit den 102 PS zumindest bisweilen überfordert waren.
Renaissance der Werte
Heute sind die Unterschiede von einst vor allem im Preis abgebildet. Das Golf Cabriolet ist in gutem Zustand seit Jahren auf den 10.000 Euro Kurs eingeschworen, während der Opel, wenn man ihn in brauchbarem Zustand überhaupt noch auftreiben kann, mit Mühe die 4.000 Euro erreicht. Es ist vor allem seine Qualität, die nicht an den Volkswagen heranreicht. Die Karosserie des Opel rostet, verwindet sich und macht auch im Unterboden wenig Freude. Einzig die Technik ist solide.
Der Millionenfach bewährte Vierzylinder ist faktisch unzerstörbar. Beim Ford Escort sieht es ähnlich aus. Auch er ist in Sachen Rost ein Problemauto, sein Plastikverdeck ist häufig gerissen und an seinem Innenraum versöhnen, wie beim Opel, eigentlich nur die Recaro Sitze mit der übrigen klapprigen Tristesse. Hinzu kommt auch beim Ford ein erhebliches Teileproblem, zumindest wenn es um Cabriolet spezifische Elemente geht. Doch neben diesen objektiven Argumenten gibt es auch die emotionale Komponente. Und das sind eben die Erinnerungen der Jugend an einen der drei offenen Kompakten, die sich nicht in Zahlen oder Spaltmassen aufwiegen lassen.
Wer weiss, möglicherweise ist es gerade der Escort, in dem man mit zarten 19 Lenzen zu den Pet Shop Boys bei „You Are Always On My Mind“ zum ersten Date fuhr oder es war der offene Kadett, der einen in den ersten Zelturlaub begleitete. Dann kann der Golf noch so sehr mit seiner coolen Wertigkeit um die Gunst des Liebhabers buhlen - er wird nicht in Frage kommen. Und vielleicht ist es genau das, was uns die drei Probanden an einem sonnigen Tag zuflüstern wollen, denn gerade bei Herzensangelegenheiten wie dem Wiederentdecken der ersten Cabrio-Liebe zählt das Gefühl eben mehr als die Vernunft.
Fazit: Die drei Youngtimer Cabriolets sind Zeitmaschinen, die zumindest die Generation Golf direkt zurück in die Sturm- und Drangzeit bringt. Der Golf ist objektiv der Sieger, doch auch Kadett und Escort haben ihre Reize, zumal sie deutlich günstiger sind. Die Entscheidung bleibt eine reine Herzensangelegenheit und spätestens nach der ersten Reise in die eigene Vergangenheit, dürfte die Wahl keiner bereuen. Kleiner Tipp: Suchen Sie vorher nach der Lieblingsmusikkassette von 1989 und laden ihre Jugendliebe auf einen Trip zum örtlichen Eiscafé Venezia ein.
Kauftipps
Interessenten des Escorts schauen sich am besten nach den späten Kat-Modellen um. Die Motoren sind zwar in Sachen Drehfreudigkeit etwas gehemmt aber der Zweck heiligt die Mittel. Die Sondermodelle sind natürlich zu bevorzugen. Wichtig ist bei dem Ford vor allem die Substanz und der Lack. Denn eine Restauration oder eine Neulackierung übersteigt fast immer den Zeitwert, während die Technik auch für Neueinsteiger einfach zu reparieren ist.
Beim Opel Kadett sieht es ähnlich aus. Ganz nach dem Motto „Ich will Spass, ich geb Gas“, macht man am besten einen Bogen um die 75 PS Version und greift direkt zum 2,0 Liter. Der Check der Karosserie ist das wichtigste Kriterium. Ist ein Sportfahrwerk ohne zusätzliche Domstrebe montiert, gilt der Blick besonders den Karosserienähten. Durch die Verwindung reisst die Versiegelung und Wasser kann eindringen. Rost zwischen den Blechen ist die Folge. Die Technik des Opel ist einfach und die Teile billig. Defekte zu reparieren ist also kein Problem. Finger weg von „Garagenfunden“ mit Motorumbauten der 90er Jahre. Die bekommt man in der Regel heute nicht mehr eingetragen.
Letzteres gilt auch für den Volkswagen Golf, wobei die Zeit der 16 V oder G-60 Umbauten eigentlich lange vorbei ist. Ein paar Euro mehr für ein wirklich gutes Auto mit nachvollziehbarer Historie auszugeben, lohnt sich bei dem Wolfsburger in jedem Fall, denn er ist der einzige von den dreien, bei dem der Wertzuwachs auch in den nächsten Jahren anhalten wird.
Ob man sich dabei für die puristischen frühen Versionen mit dem Kat-losen 110 PS Einspritzer oder die späten Modelle mit dem 98 PS „Digifant“-Motor entscheidet, ist Geschmacksache. Heisser Tipp: Im Dezember 1985 gab es für damals 27'105 DM mit dem Christmas Edition Modell „CC“ eine besonders charmante Entschuldigung für den Seitensprung. Mit nur 750 produzierten Einheiten eine echte Rarität.
Technischer Daten-Vergleich
Ford | VW | Opel | |
---|---|---|---|
Hersteller | Ford AG Köln, Karmann | Volkswagen AG, Karmann | Adam Opel AG, Rüsselsheim |
Modell | Escort Cabrio 1,6l i m. G-Kat | Golf Cabrio 1,8l m. G-Kat | Kadett Cabrio GSI m. G-Kat |
Chassis/Karosserie | Ganzstahl, selbsttragend, 2-türiges Cabriolet | Ganzstahl, selbsttragend, 2-türiges Cabriolet | Ganzstahl, selbsttragend, 2-türiges Cabriolet |
Motortyp | 4-Zyl.-R- Motor, Nockenwelle mit Zahnriemenantrieb, wassergekühlt | Motor, Nockenwelle mit Zahnriemenantrieb, wassergekühlt | 4-Zyl.-R- Motor, Nockenwelle mit Zahnriemenantrieb, wassergekühlt |
Hubraum (ccm) | 1.597 | 1.781 | 1.984 |
Leistung (PS) | 102 | 95 | 115 |
Getriebe | Fünfgang-Schaltgetriebe | Fünfgang-Schaltgetriebe | Fünfgang-Schaltgetriebe |
Antrieb | Front | Front | Front |
Fahrwerk v/h | Fahrwerk vorn Federbein-Vorderachse, McPherson Federbein, Schraubenfedern, Teleskopdämpfer | Fahrwerk vorn Federbein-Vorderachse, McPherson Federbein, Schraubenfedern, Teleskopdämpfer | Fahrwerk vorn Federbein-Vorderachse, McPherson Federbein, Schraubenfedern, Teleskopdämpfer |
Fahrwerk hinten | Verbundlenkerhinterachse, Schraubfedern, Teleskopdämpfer | Verbundlenkerhinterachse, Schraubfedern, Teleskopdämpfer | Verbundlenkerhinterachse, Schraubfedern, Teleskopdämpfer |
Radstand | 2.4 | 2.4 | 2.52 |
Spur v/h (mm) | 1.404/1.427 | 1.404/1.327 | 1.406/1.406 |
Felgen/Reifen | 185/60 R 14 auf 6 J x 14 | 185/60 HR 14 auf 6 J x 14 | 185/60 HR 14 auf 6 J x 14 |
Bremsen vorn/hinten | Scheiben/Trommel, Zweikreis mit Servo | Scheiben/Trommel, Zweikreis mit Servo | Scheiben/Trommel, Zweikreis mit Servo |
0-100 km/h (s) | 9,9 | 11,2 | 10,0 |
Vmax (km/h) | 186 | 166 | 195 |
Masse | 4.036 × 1.692 × 1.405 | 3.890 × 1.640 × 1.395 | 3.998 × 1.663 × 1.380 |
Leergewicht (kg) | 945 | 1015 | 1055 |
Verbrauch (l/100 km) | 7,8 | 8,8 | 8,8 |
Bauzeit | 1983–1990 | 1979–1993 | 1986–1993 |
Neupreis | Januar 1990 31.065 D-Mark | Januar 1988 31.025 D-Mark | Januar 1991 32.755 D-Mark |
Stückzahl | k.A. | ca. 389'000 | k. A. |
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Ansonsten sprachlich und inhaltlich sehr unterhaltsam. Grade auch die Sache mit dem 600 PS SUV. Schon verrückt, was für ein sinnloses Gepose und Geprotze sich auf unseren Straßen breitgemacht hat. Leider fast alles ohne jeden Stil und Geschmack. Hauptsache dick und protzig und mit viel Poff Poff.
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