Der Camry der vierten Generation sollte Toyotas Ankunft in der oberen Mittelklasse markieren. Er sagte den Platzhirschen Mercedes E-Klasse und BMW Fünfer, aber auch dem Alfa Romeo 164 oder dem Opel Omega den Kampf an.
Zwar konnte er den Kampf noch nicht ganz für sich entscheiden, doch schuf er eine solide Alternative zu den gewohnten Spielern seiner Klasse. Und wer sich nicht viel aus Markennamen machte, der hatte mit dem Camry ein Auto, welches komfortabel und zuverlässig war.
So sah das auch Toyota selbst: “Wenn Sie nicht die Erwartungen anderer erfüllen wollen, sondern nur Ihre eigenen, sind Sie reif für einen Camry.”, heisst es in einer Werbeanzeige auf Seite 121 der Ausgabe Nr. 6 der auto motor und sport von 1997.
In vier Generationen dem Erfolg entgegen
Das erste Modell von Toyota, welches den Namen Camry trug, war der 1979 erschienene Celica Camry. 1983 folgte dann die Beförderung zum eigenen Modell. Der Camry war geboren. Anfangs noch ausschliesslich in Japan erhältlich, gab es ihn ab Herbst 1985 auch in Europa zu kaufen. Zu den Karosserieformen gehörten ein Liftback (Schrägheck) und ein Stufenheck.
1986 folgte dann bereits die zweite Generation. Sie war vor allem in Nordamerika zum Erfolg geworden, erfreute sich aber auch in Europa einigermassen guter Verkaufszahlen.
In Europa konnte der zweite Camry aber noch nicht überzeugen. Wiederum war er als Liftback erhältlich. Die Stufenheck-Version wurde durch einen Kombi ersetzt.
1991 erschien dann die von Grund auf erneuerte dritte Generation. Als Karosserieformen gab es dieses Mal eine Limousine und einen Kombi. Vor allem in Sachen Serienausstattung konnte der Camry gegen seine Rivalen punkten. Er war das erste Fahrzeug in der oberen Mittelklasse, welches serienmässig über Airbags, ein elektronisches Vier-Sensoren-Antiblockiersystem und Seitenaufprallschutz in den Türen verfügte.
1996 präsentierte Toyota auf der Birmingham Motor Show dann die hier porträtierte vierte Generation, die auf die Modellbezeichnung XV20 hörte. In Europa und den USA war er nur noch als Limousine erhältlich, während der Kombi in Japan unter dem Namen Camry Gracia fortgeführt wurde. Dies überraschte, zumal der Kombi sich doch einer beachtenswerten Beliebtheit erfreute. Die Entscheidung von Toyota, den Camry nun nicht mehr als Kombi anzubieten, kann wahrscheinlich auf den schlechten Absatz von Kombis in den USA und den generell niedrigen Verkaufszahlen des Camry in Europa zurückgeführt werden.
Die Fachpresse von damals prognostizierte dem XV20 trotzdem den Erfolg. So schrieb etwa die auto motor und sport im Jahre 1997: “… ein Kombi - bislang immerhin rund 40 Prozent-Anteil am Camry-Verkauf - ist nicht mehr lieferbar. Dennoch spricht einiges für den Erfolg des neuen Flaggschiffes der Toyota-Flotte…"
1997 wurde auf der IAA überraschend noch ein sportlicheres “S”-Modell vorgestellt. Es hatte eine um drei Zentimeter tiefergelegte Karosserie, 17-Zoll-Leichtmetallräder und einige weitere kosmetische Änderungen. Unter der Haube wurde aber nichts verändert.
1999 folgte dann noch ein Facelift. Zu den Änderungen gehörten ein markanterer, mit Chrom umrandeter Kühlergrill und Klarglas-Leuchteinheiten vorne und hinten.
Im September 2001 wurde die fünfte Generation vorgestellt. Wiederum nur als Limousine erhältlich, hatte man die Wahl zwischen einem neuen Vier- und einem neuen Sechszylindermotor.
Nach Mass der Konkurrenz
Der Camry der vierten Generation wurde sechs Jahre lang gebaut. Die Abmessungen entsprachen ungefähr denjenigen der Konkurrenz. Der Wagen weist eine Länge von 4820 mm, eine Breite von 1780 mm und eine Höhe von 1400 mm auf.
Auffallend ist aber, dass er im Vergleich zu seinen Hauptkonkurrenten Fünfer-BMW E39 und der Mercedes E-Klasse W210 einen rund 200 mm kürzeren Radstand hat. Der Radstand des Camry misst 2670 mm, während der vom BMW 2830 mm, der vom Mercedes 2833 mm lang ist.
Die Wahl zwischen vier und sechs Zylindern
Bei den Motoren hatten Camry-Käufer zwei Optionen zur Auswahl. Die Einsteigeroption war der 2,2-Liter Vierzylindermotor 5S-FE. Dieser leistete aus 2164 ccm rund 131 PS bei 5200 U/min und hatte ein maximales Drehmoment von 196 Nm bei 4200 U/min.
Komfortabler war der V6 mit drei Litern Hubraum. Dieser Motor mit Bezeichnung 1MZ-FE leistete aus 2995 ccm Hubraum 190 PS bei 5400 U/min und 275 Nm bei 4400 U/min.
Der Vierzylinder war mit einem Fünfgang-Schaltgetriebe oder einem Viergang-Wandler-Automatikgetriebe zu haben, der Sechszylinder nur mit Automatik.
Das für diesen Bericht fotografierte Fahrzeug ist mit dem V6 ausgestattet und schafft den Sprint von Null auf Hundert somit in 8,8 Sekunden (Werksangabe).
Üppige Serienausstattung
Wie bereits bei seinen Vorgängern und generell typisch für japanische Autos war die Serienausstattung des Camry hervorragend. Von der Stange kam er unter anderem mit Fahrer- und Beifahrerairbag, ABS, Servolenkung und Klimaanlage.
Biedermann
Von der Fachpresse wurde damals vor allem das eher zurückhaltende Äussere des Wagens bemängelt. So schrieb auto motor und sport in der Ausgabe Nr. 2 vom Jahr 1997: “Zu den wenigen Mankos des Camry gehört sein biederes Äusseres.”
Anstatt bieder könnte man ihn aber auch einfach als unauffällig beschreiben. Der Camry versucht nicht mit einem auffallenden Design zu punkten, sondern mit schlichtem Komfort, niedrigen Unterhaltskosten und der Zuverlässigkeit, die man von Toyota gewohnt ist.
Zurückhaltung statt Prunk
Und doch wartet der Camry mit einem Designelement auf, welches man eigentlich eher von Sportwagen kennt - einer Keilform. Wenn auch nur leicht angedeutet ist sie deutlich zu erkennen. Zur Augenweide macht ihn das jedoch trotzdem nicht. Es unterstricht viel mehr das Konzept der Zurückhaltung.
Auch im Innenraum setzt sich dieses fort. Klare Linien und schlichte Formen dominieren. Die Holzapplikationen vermitteln zwar durchaus ein Gefühl der oberen Mittelklasse, doch kommen an anderen Stellen billig wirkende Kunststoffe zum Einsatz. Vor allem bei den Knöpfen am Radio und der Klimaanlage wurde gespart.
Nichtsdestotrotz macht das Interieur im Grossen und Ganzen einen wertigen Eindruck. Die Sitze sind sehr bequem, gut verarbeitet und bieten auch bei langen Fahrten genügend Komfort. Sogar eine Sitzheizung vorne ist verbaut.
Japaner mit amerikanischen Zügen
Der Camry XV20 wurde für Europa in Nordamerika gebaut. So verwundert es nicht, dass er mit einer eher “amerikanischen” Abstimmung aufwartet. Die grosszügigen Platzverhältnisse im Innenraum waren für den Erfolg in den USA ebenfalls essentiell.
Aber auch die Fahreigenschaften sind für die Kundschaft in den USA ausgelegt, wenn auch nicht so, dass er sich für uns Europäer wie ein “Boot” verhält. Der Camry fährt sich weich und ruhig. Trotzdem verzichtet er auf übermässiges Schwanken, was auch auto motor und sport im Jahre 1997 so sah: “Der Camry federt weich, aber nicht amerikanisch-schwammig.”
Wenn ein junges Auto ein Jahr älter als der Lenker ist
Wie bereits erwähnt, erschien der Camry im Jahre 1996. Der hier gezeigte Wagen hat den Jahrgang 1997. Ich selber, Autor dieses Artikels, bin im Jahre 1998 auf die Welt gekommen. Wie fährt sich nun also ein über 20-jähriges Auto aus der Sicht eines (fast) Neulenkers?
Als Junglenker vergleiche ich den Toyota eher mit modernen Autos. Immerhin konnte ich den Camry aber während meinen bisherigen 3.5 Jahren Fahrerfahrung des öfteren auf kurzen und langen Fahrten, auf der Autobahn sowie auf kurvigen Landstrassen erproben.
Was am Camry am besten gefällt, ist der schöne Motorensound. Beim Fahren durch die Stadt gurgelt er kultiviert, während er bei Autobahneinfahrten auch gerne mal etwas kerniger wird. Überholmanöver auf der Autobahn oder einem geraden Stück Landstrasse bereiten dem Camry keine Probleme. Er ist stets elastisch genug.
Die Sitze sind äusserst bequem. Auch längere Fahrten sind so komfortabel zu bewältigen. Dabei wird der Komfort aber leider etwas durch die hohen Windgeräusche gemindert.
Ein weiteres kleines Manko am Camry ist die teilweise etwas verzögerte Gasannahme. Das Wegfahren von einer roten Ampel kann sich so manchmal etwas holprig gestalten. Nach einigen Versuchen hat man sich aber daran gewöhnt.
Beim Manövrieren durch enge Gassen oder Parkhäuser fühlt sich der Camry trotz seiner durchaus stattlichen Abmessungen leicht zu fahren an. Die Sicht nach vorne und zu den Seiten ist ebenfalls sehr gut. Einzig die Sicht nach hinten wird durch die hohe Heckkante und die breiten C-Säulen beeinträchtigt.
Der Camry ist das älteste Auto, welches ich bisher selber gefahren bin. Verglichen mit moderneren Autos merkt man dem Toyota sein Alter aber kaum an. Er hat genügend Leistung, ABS, Sitzheizung und Servolenkung. Trotz dieser haben es die Japaner etwas übertrieben und sie kann einem manchmal fast etwas schwergängig vorkommen.
Nicht ganz ernst gemeint vermisste ich als ein mit Keyless Entry verwöhnter junger Mensch im Alltagsgebrauch ebenfalls den besagten schlüssellosen Zugang oder zumindest eine ferngesteuerte Zentralverriegelung. Natürlich macht ihn dies auch sympathisch analog, zumal die Fernsteuerung den Zugang auch nicht schneller oder viel komfortabler macht.
Bewährt seit 1997
Zusammengefasst ist der Camry ein wirklich tolles Alltagsauto. Er bietet Komfort, gute Fahrleistungen bei moderatem Verbrauch und die Zuverlässigkeit eines Toyotas.
Dieser Camry ist seit 1997 im Besitz meines Grossvaters, der ihn seither hegt und pflegt, sich aber nie scheute, den Wagen zu gebrauchen. In all den Jahren ging nicht ein einziges Teil kaputt! Etwas, was mein Grossvater als langjähriger BMW-Fahrer bis dahin sicher nicht kannte.
Auf den Camry angesprochen, pflegt er stets zu sagen: “Der einzige Fehler, den ich bei Autos gemacht habe, ist nicht schon viel früher einen Toyota gekauft zu haben.”
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Dieses "Manko" der billig wirkenden Kunststoffe habe ich in den 80er Jahren bei sehr vielen Motorjournalisten gelesen, ab beim Nissan,
Mitsubishi oder Toyota. Im Vergleich dazu gab es so etwas angeblich bei deutschen Herstellern nicht.
Es war m.E. eine Albi-Argumentation, weil man sonst nicht viel an japanischen Autos bemäkeln konnte.
Im übrigen waren die Japaner (und sind es heute noch) KOMPLETT ausgestattete Fahrzeuge OHNE große Aufpreisliste.
In D gab und gibt es eben viele Individualisten, die ihr "Spielzeug" individuell gestalten wollen . . .
Das Geld dafür scheint (noch immer) da zu sein.
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