Wenn die Tage kürzer und kürzer werden, Schnee, Eis und Kälte es ratsam erscheinen lassen, drinnen zu bleiben, dann würde man annehmen, das die Cabriolet-Saison zu Ende sei. Oder doch nicht?

Einfallsreiche Werbeleute jedenfalls, die im Jahr 1988 für Saab arbeiteten, sahen dies anders. Unter dem Titel “Gleich geht die neue Saison los: am 21. Dezember ist Winteranfang” schrieben sie:
“Was macht man mit einem Saab Cabrio im Winter? Genau das gleiche wie im Sommer. Man fährt es. Das Verdeck (ein Knopfdruck, und schon schiebt es sich mit leisem Surren über die Sitze nach vorn, zwei Handgriffe, und es verriegelt), ist absolut wasserdicht und hält wirksam den Wind und auch die Windgeräusche ab. Denn es ist dreifach gefüttert. Die Heckscheibe, aus richtigem Glas und nicht etwa aus Kunststoff, ist beheizbar, genau wie die Sitze (bezogen mit feinstem Leder) und die Aussenspiegel. Die lassen sich übrigens verstellen, ohne dass Sie die Fenster öffnen müssen: elektrisch ...”
Sogar Skiträger gab es zum Saab 900 Cabriolet und dies verlockte die Marketing-Leute zum Schlusssatz: “Passt doch eigentlich ausgesprochen gut zu einem Cabrio, das zu fahren nicht nur im Sommer ein Vergnügen ist.“
Eine Zangengeburt
Was konsequent und richtungsweisend tönt, war für Saab eine Zangengeburt. Angekündigt hatte man das Saab Cabriolet nämlich bereits im Herbst 1983 an der IAA Frankfurt. Doch es sollten fast drei Jahre vergehen, bis es dann auch gebaut wurde. Die ADAC Motorwelt schrieb im April 1986 unter dem Titel “Nordlicht”:
“Vor gut zwei Jahren wurde es auf der 50. IAA in Frankfurt vorgestellt - jetzt wird das Saab 900 Turbo 16 Cabrio endlich produziert. Das Frischluftauto, dessen Verdeck sich elektrisch öffnen läßt, wird bis Herbst nur nach USA geliefert.”
Käufer in Zentraleuropa mussten sich aber noch eine ganze Weile gedulden. Die ersten 400 Fahrzeuge gelangten vorwiegend in die Vereinigten Staaten, erst ab 1987 durften sich beispielsweise Schweizer Käufer eines der begehrten Vierzylinder-Cabrios kaufen, zum Preis von 54’800 Franken. Die Automobil Revue kommentierte dies im September 1986:
“Der in Finnland montierte Saab 900 Turbo 16 Cabriolet (bei dem es sich nicht um ein «Karosseriederivat», sondern um ein in Zusammenarbeit mit der amerikanischen Sunroof-Corporation von Grund auf konzipiertes Offenauto handelt) erhält natürlich ebenfalls die neue, nach hinten geneigte Frontgestaltung der Reihe 900. Nachdem bereits eine erste Serie von rund 400 Exemplaren gebaut und zum überwiegenden Teil nach den Vereinigten Staaten geliefert wurde, ist jetzt der Produktionsrhythmus auf 12 Stück/Tag erhöht worden, für 1987 rechnet man mit einem Ausstoss von rund 2500 Einheiten. Ab Anfang 1987 wird dieser luxuriöse 4/5-Sitzer, dessen Verdeck fast vollversenkbar ist, auch in der Schweiz lieferbar.”
Dafür erhielten sie dann aber auch einen Turbo-Motor mit 16 Ventilen, Ledersitze und das neueste Saab-Design mit geänderter Frontgestaltung.
Auf bewährten Fährten
Als mehrstufige Evolution kann die Entwicklung des Saab Cabriolet gesehen werden. Bereits die zweitürige Basislimousine Saab 900 war 1978, als sie vorgestellt wurde, eine Weiterentwicklung des erfolgreichen Modells Saab 99 gewesen. Aus Kostengründen hatte man sich damals keine Neuentwicklung leisten können, um einerseits neue amerikanische Sicherheitsnormen zu erfüllen und andererseits einen echten Konkurrenten für BMW, Mercedes und Co auf die Beine zu stellen. So hatte man einfach den Vorderbau des Saab 99 etwas verlängert und das Design schonend angepasst. 1980 hatte man der Kombiheckvariante noch eine Limousine zur Seite gestellt.
Als Motoren wurde die bewährte Saab-Antriebstechnik eingesetzt, sprich Vierzylindermotoren mit und ohne Turbolader. Längs eingebaut und um 45 Grad geneigt trieb er über ein darunter liegendes Getriebe die Vorderräder an.
Die bis zu 177 PS der frontgetriebenen Turboversion stellten hohe Anforderungen an das Fahrwerk. Die Konstruktion mit doppelten Dreieckslenkern vorne und einer Starrachse hinten erwies sich den Fahrleistungen aber als gewachsen.
Als man 1983 an der IAA eine Cabriolet-Variante vorstellte, wurde diese natürlich von der Topmotorisierung mit wassergekühltem Lader angetrieben.
Hinter dem offenen Saab stand neben dem schwedischen Hersteller die amerikanische Sunroof Corporation (ASC), die im Prinzip das Konzept geliefert hatte. Aus der zweitürigen Saab 900 Limousine entstand ein ebenfalls zweitüriges Cabriolet mit fünf Sitzplätzen und elektro-hydraulisch schliessbarem wetterfestem Dach sowie heizbarer Heckscheibe.
Für den Umbau zum Cabrio bestückte Saab das selbsttragende Karosserieskelett mit den Verstärkungen, indem im Bereich der Bodengruppe und der Türschweller zusätzliche Pressteile eingeschweisst wurden. Zusätzlich wurde die Windschutzscheibe flacher gestallt und der Rahmen kräftiger dimensioniert.
Saab plante damals etwa 6000 Cabrios zu fertigen, bis 1994 sollten es dann aber insgesamt 48’888 Exemplare sein.
Auch ohne Zwangsbeatmung
Mit rund 70’000 DM oder annähernd 60’000 Franken war das Saab Turbo Cabriolet, das im finnischen Uusikaupunki gefertigt wurde, vergleichsweise teuer, aber mit einem Griff ins Regal und einem Abspecken der Serienausstattung schaffte es Saab, 1989 eine günstigere Variante mit Katalysator-Zweiliter-Einspritzmotor und 126 PS einzuführen, die mit 46’500 Franken oder 54’400 DM auf Augenhöhe mit dem BMW 320i Cabriolet um Käufer buhlte.
Der Verlust von 34 PS wurde zwar deutlich, am Rest des robusten Autos hatte sich aber ansonsten kaum etwas geändert. Mit 12 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h und einer Höchstgeschwindigkeit von 181 km/h war das schwächere und mit 1300 kg nicht sonderlich leichte Cabrio zwar kein Sportwagen, für offene Ausfahrten aber genauso geeignet wie die Turbo-Version, befand Klaus Westrup in seinem Test für Auto Motor und Sport: “Zusammen mit dem guten Federungskomfort, den auch im Fond bequemen Fauteuils, der geringen Verwindungsneigung der Karosse, der guten Verarbeitungsqualität und dem kultivierten Antrieb ergibt sich für den Offen-Saab ohne Turbolader das Gesamtbild eines Automobils, in dem der Begriff Fahrkultur nich als leere Floskel erscheint. Wie sind die Aussichten für dieses nun auch im Preis wahrhaft konkurrenzfähige Cabriolet? Vermutlich so: kam, saab und siegte.”
Geschicklichkeit gefragt
Was Westrup auch erwähnte, war die aufwändig zu montierende Abdeckung über dem versenkten Faltdach. Tatsächlich ist eine gewisse Geschicklichkeit und das richtige Vorgehen gefragt, will man die aus drei Teilen bestehende Kunststoff-Persenning, die zudem im rund 365 Liter grossen Kofferraum einigen Platz benötigt, montieren. Dies ist aber neben dem saabtypisch zwischen den Sitzen befindlichen Zündschloss das einzige, woran sich frische Saab-Cabrio-Fahrer gewöhnen müssen.
Das Auto lässt sich mühelos besteigen, man sitzt relativ hoch und sieht gut nach vorne und zur Seite. Nur die Sicht nach hinten und damit verbundene Parkmanöver verlangen nach etwas mehr Erfahrung. Offen und geschlossen fühlt man sich sicher wie in Abrahams Schoss, die Bedienungskräfte fallen dank Servolenkung und gut schaltbarem Fünfganggetriebe gering aus. Der Fahrkomfort ist gross und auch bei kühlen Temperaturen ist es dank hoher Gürtellinie, Sitzheizung und wirksamer Klimatisierung möglich, offen zu fahren, zumindest wenn man vorne sitzt.
Nur etwas mehr “Sound” hätten wir uns gewünscht, vor allem im Vergleich zu den frühen Saab Turbos. Aber dafür fällt der Zweiliter-Einspritzmotor nie negativ auf und reicht zum gemütlichen Seele-baumeln-lassen-offen-fahren problemlos aus.
Und dass diese Cabrios dazu auch noch vergleichsweise günstig zu kaufen sind, macht das Ganzjahresvergnügen eigentlich perfekt. Aber eben, es hat, solange es hat ...
Wir danken der Touring Garage für die Gelegenheit, das Saab 900i 16 Cabriolet mit Jahrgang 1990 probefahren zu können.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 22 / 1986 vom 29.Mai.1986 - Seite 23: Saab-Cabriolet in Produktion
- Auto Motor und Sport Heft 9/1987, ab Seite 70: Vergleichstest BMW 325i Cabrio und Saab 900 Turbo 16 Cabrio
- Auto Motor und Sport Heft 9/1988, ab Seite 130: Cabriolets im Windkanal, u.a. Saab 900
- Auto Motor und Sport Heft 14/1989, ab Seite 52: Test Saab 900i 16 Cabriolet
- Auto Motor und Sport Heft 15/1990, ab Seite 42: Doppeltest BMW 325i und Saab 900i 16 Cabrio
- SwissClassics Revue Nr. 36/4 2012 - Seite 146: Kaufberatung Saab 900
- Oldtimer Markt Heft 2/2010, ab Seite 150: Saab 900
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Sie haben sicher recht, die BMW-Sechzylinder sind die laufruhigsten Triebwerke, die es gab. Aber BMW verwendet heute dasselbe Prinzip wie damals SAAB: 4Zyl-Turbo mit 2 obenliegenden Nockenwellen, die Motordaten sind fast dieselben, SAAB war damals schon weit voraus mit gewissen Techniken. Und der Bums, den eine solcher Motor mit sehr weinig Tuningaufwand erreichen konnte, war viel kräftiger (Ich habe über 400Nm bei 2.3L- Motor) als man bei einem BMW mit doppeltem finanziellen Aufwand erreichen konnte.
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