Porsches erster Supersportwagen der Extraklasse wurde 1985 auf der IAA in Frankfurt vorgestellt und kostete damals stolze 420'000 DM. Das war fast das Dreifache des Preises, der zu Beginn des Projekts angestrebt worden war. Schlimmer noch: Jeder 959 kostete das Unternehmen 1'300'000 DM in der Herstellung. In Anbetracht der Tatsache, dass 337 Fahrzeuge hergestellt wurden, hätten sich die Gesamtkosten über die gesamte Laufzeit des Projekts auf 368 Millionen DM belaufen. Davon hätte nur etwa ein Drittel durch den Verkauf der Fahrzeuge wieder hereingeholt werden können. Der war 959 eine Torheit, eine fantastische Unvernunft der nüchternen Schwaben, die allerdings mehr als 300 Kunden zugutekam. Sie durften sich an einem Auto erfreuen, das auch 40 Jahre später noch verblüfft.
Der 959 begann 1982 als Projekt eines Sportwagens, der dem Reglement der neuen "Gruppe B" der FIA entsprechen sollte. Vorgeschrieben waren zweisitzige, geschlossene Fahrzeuge, die in einer Auflage von mindestens 200 Stück innerhalb von zwölf Monaten gebaut werden sollten. Dies war eine heikle Zahl: Sie war weder hoch genug, um eine effiziente Serienproduktion zu ermöglichen, noch niedrig genug, um die Autos in Handarbeit von einer Wettbewerbsabteilung bauen zu lassen.
Die Sportabteilung in Zuffenhausen strebte einen Mittelmotorwagen auf Basis des 914 an, der – anders als bei anderen Firmen – im Rundstreckensport statt im Rallyesport eingesetzt werden sollte. Doch Technikchef Helmuth Bott war dagegen: "Da lernen wir ja überhaupt nichts! Wir bauen schon so viele Mittelmotorautos." Deshalb sagte er 1983 zu seinen Kollegen: "Wir können uns dem Zeitalter des Allradantriebs nicht entziehen. Wir müssen dabei sein." Allradantrieb war damals ein großes Thema, nachdem Audi den Quattro, der vor allem für den Rallyesport gedacht war, vorgestellt hatte. Der Druck wuchs, einen neuen Porsche auf der Basis des 911 zu entwickeln, der als Vorreiter für neue Technologien in den Serienmodellen dienen sollte.
Helmuth Bott legte die Eckpunkte für diesen Über-Porsche fest. Sein bevorzugtes Triebwerk war ein aufgeladener 2,8-Liter-Boxermotor, idealerweise mit wassergekühlten Zylinderköpfen und der neuesten Porsche-Entwicklung von Vierventiltechnik, wie sie bereits im 944 und 928 zum Einsatz kam. Mit dem FIA-Multiplikationsfaktor von 1,4 für aufgeladene Motoren entspräche der 2,8-Liter-Turbomotor einem Vierliter-Saugmotor. Für die Gruppe B war obendrein ein Mindestgewicht von 1100 kg vorgeschrieben.
Mit zwei Turboladern sah Bott eine Leistung von 400 bis 450 PS in der Straßenversion und 450 bis 550 PS für den Rennsport vor. Diese sollte über ein Doppelkupplungsgetriebe auf einen Allradantrieb übertragen werden. Der Antriebsstrang sollte wie beim 928 in einem Längsrohr gekapselt sein und gut zugänglich von unten im Chassis installiert werden. Der Turbospezialist Heinz Dorsch schlug vor, die Lader nicht parallel, sondern in Reihe zu schalten, um eine neuartige, zweistufige Aufladung zu ermöglichen.
Dorsch setzte sich mit seinem Vorschlag durch und entwickelte ein System, bei dem nur ein Lader bei niedrigen Drehzahlen und geringer Last aktiv war und der zweite hinzukam kamen, sobald die volle Leistung gefordert war und die Drehzahl stieg. Dieses System wurde PRA ("Porsche-Registeraufladung") genannt, in Analogie zu den "Registervergasern", die eine zweite Stufe öffnen, wenn der Fahrer das Gaspedal durchdrückt. Der Kraftstoff wurde durch zwei elektronisch gesteuerte Einspritzdüsen pro Zylinder zugeführt, die übereinander in einem kurzen Rohr direkt über dem Zylinderkopf angeordnet waren. Eine Bosch Motronic dosierte das Benzin und steuerte den Zündzeitpunkt. Ursprünglich trieb eine Einfach-Rollenkette die Nockenwellen an, aber Ausfälle aufgrund von Resonanzen erforderten einen Wechsel auf eine Duplexkette.
Die Registeraufladung
Zur Beatmung des Sechszylinders verwendete man die neuen wassergekühlten KKK-Turbolader vom Typ K26, die für den 944 Turbo entwickelt worden waren. Beim Anblick des Rohrleitungsgeflechts im Heck des 959 kommt der Ausdruck "Klempners Albtraum" in den Sinn. Die Luft wurde durch einen großen, rechteckigen Filterkasten quer über dem Motor angesaugt und von dort in Richtung Wagenheck zu den beiden auf Zylinderkopfhöhe liegenden Turboladern geleitet. Anschliessend gelangte die verdichtete Luft über eine weitere Rohrleitung wieder nach oben zu einem Ladeluftkühler geleitet, der senkrecht hinter dem Hinterrad angebracht war. Von dort aus wurde unter Druck stehende und gekühlte Luft in die eine H-förmige zentrale Luftkammer über dem Motor geleitet, von der aus die Saugrohre zu den sechs Zylindern führten.
Die PRA funktionierte dabei wie folgt: Ein Steuerventil hinter an der rechten Turbine, verschloss diese Auspuffseite bei niedrigen Motordrehzahlen, sodass alle Abgase der rechten Zylinderbank durch ein Ausgleichsrohr in den linken Auspuffstrang strömten, um ebenfalls die linke Turbine anzutreiben. Auf diese Weise wurde das schnellstmögliche Ansprechen des linken Laders erzielt und das "Turboloch" bestmöglich verringert. Ein Überströmen des Ladeluft in das rechte (unbenutzte) Einlassrohr wurde durch ein federbelastetes Rückschlagventil verhindert.
Obwohl die PRA die maximale Motorleistung nicht beeinträchtigte, wurde das Drehmoment bei niedrigeren Drehzahlen enorm gesteigert. Bei 3000 Umdrehungen pro Minute erhöhte es sich beispielsweise von 258 auf 408 Nm angehoben, was einer Verbesserung von 58 Prozent entspricht. Das maximale Drehmoment von 500 Nm wurde bei 5500 U/min und die Spitzenleistung von 450 PS bei 6500 U/min erreicht.
Aus 95 mm (Bohrung) x 65 mm (Hub) ergab sich ein Hubraum von 2849 cm³ für den Motor des Typs 959/50. Sein mechanisches Verdichtungsverhältnis betrug 8,3:1, aber Porsche wies darauf hin, dass dies mit dem Ladedruck oberhalb von 5500 U/min einem Verhältnis von 13,5:1 entsprach. Dennoch war der Motor mit bleifreiem 95-Oktan-Benzin zufrieden. Um der komplexen Technik des 959 gerecht zu werden, entwickelte Porsche ein spezielles elektronisches Diagnosegerät, das sowohl "lesend" als auch "schreibend" arbeitete und dem Techniker bei Wartung und Einstellung helfen sollte. So konnte er zum Beispiel den Zündzeitpunkt einstellen – aber nur zurück, nicht vor.
Der Allradantrieb
Schon früh stand fest, dass das PDK-Getriebe aus Zeitgründen nicht eingesetzt werden konnte. Stattdessen entschied man sich für ein mechanisches Sechsganggetriebe. Auch der Plan, das vordere Kofferraumvolumen beizubehalten, wurde früh verworfen, da für den Wettbewerbseinsatz eine deutlich raumgreifendere Vorderradaufhängung mit parallelen Querlenkern nötig war. Blieb noch der Allradantrieb, der der Welt verkünden sollte, dass Porsche mit seiner Ingenieurskunst wieder einmal ein einzigartiges System erdacht hatte, das alle Konkurrenten übertraf.
Walter Näher und Porsche-Veteranen Herbert Linge erprobten auf dem Prüfgelände von Continental verschiedene Vorderachsdifferentiale, die entweder über Lamellenkupplungen oder über die von Ferguson patentierte Viskokupplung gesteuert wurden. Zudem versuchten die Testpiloten, das "allgemeine Allradproblem" zu überwinden: Im Gegensatz zum hinterradgetriebenen Auto hatte der Fahrer eines vierradgetriebenen Autos weniger Möglichkeiten zur Korrektur, wenn er zu schnell in eine Kurve gegangen war. Eine Idee war, den vorderen Stabilisator und/oder den Vorderradantrieb in engen Kurven zu deaktivieren. Eine andere bestand darin, die Querbeschleunigung in Kurven zu messen und den Frontantrieb bei hohen g-Belastungen automatisch zu entkoppeln.
Der Allradantrieb des 959 war eine Kombination aus Einfachheit und Raffinesse. Die Einfachheit lag im Antriebssystem selbst: Vom hinteren Getriebe lief eine Welle mit kleinem Durchmesser zum vorderen Differential. An dessen Eingang befand sich eine Mehrscheiben-Ölbadkupplung, die sogenannte "Porsche-Steuerkupplung" (PSK).
Der gesamte Antrieb der Vorderräder lief über die PSK, die ein Drehmoment von bis zu 250 Nm übertragen konnte. Der Wirkungsgrad der PSK reichte vom vollständigen Kraftschluss bis zur Übertragung von nur 20 Prozent der Antriebskraft auf die Vorderräder. Änderungen am Sperrwert konnten in Intervallen von 50 bis 100 Millisekunden vorgenommen werden.
Die Karosserie
In der Zwischenzeit ging die Arbeit an anderen Aspekten des 959 weiter. Die Karosseriestruktur wurde vom 911 abgeleitet, von dem auch der Innenraum und vordere Schottwand übernommen wurden. Anders als beim 911 waren jedoch alle äusseren Karosserieteile entweder aus Aluminium oder aus Kunststoffen. Die Türen und die vordere Haube wurden aus einer speziellen Aluminiumlegierung gefertigt, die 0,4 Prozent Magnesium und 1,2 Prozent Silizium enthält. Die gelb chromatierten Teile wiegen 57 Prozent weniger als vergleichbare Stahlteile.
Die Frontschürze bestand aus Polyurethan. Alle anderen Karosserieteile wurden aus aramidfaserverstärktem Kunststoff hergestellt. Die Paneele bestanden aus sechs Schichten von Glas- und Aramidfasern in einem Epoxidharz und wurden auf metallbeschichteten Kunststoffwerkzeugen vakuumgeformt. Nach dem Beschneiden mittels Wasserstrahl wurden die fertigen Teile mit dem Rahmen verklebt, so dass das stählerne Karosserieskelett vollständig umschlossen war.
Das Fahrwerk
Das Grundkonzept der Aufhängung war bereits in einem frühen Stadium der Entwicklung festgelegt worden. Das Ziel war eine ebenso präzise wie sturzkonstante Führung der Räder, die den Reifen in allen Fahrzuständen gute Traktion bei gleichmäßigem Verschleiß und ohne Überhitzung ermöglichen sollte. Sowohl vorne als auch hinten liefen die Räder in Gelenklagern, die wiederum in Radträgern aus Gussaluminium saßen. Die hinteren Radnaben hatten einen sehr großen Durchmesser, so dass die äußeren Gelenke der Antriebswellen in ihnen untergebracht werden konnten, um die Halbwellen so lang wie möglich zu machen.
Die Vorderräder liefen an einer Doppelquerlenkerachse. Der vordere Schenkel des unteren Querlenkers (aus Aluminium) lief annähernd im 45-Grad-Winkel nach vorn, während der hintere parallel zur Achse stand. Dadurch blieb dahinter Platz für das Getriebe der Zahnstangenlenkung. Der obere Querlenker (aus Stahl) war leicht nach innen und nach hinten gekippt, sodass seine Drehachse leicht nach oben zeigte, wodurch das Eintauchen des Vorderwagens beim Bremsen verringert wurde. Pro Rad kamen zwei Feder-Dämpfer-Einheiten zum Einsatz, wobei jeweils der vordere Stoßdämpfer durch eine hydraulische Niveauregulierung ersetzt wurde.
Eine ähnliche Kombination aus einem Federbein und einem Niveauregulierungszylinder wurde auf jeder Seite am Heck montiert, wo sie jedoch auf die unteren statt die oberen Querlenker wirkten. Bilstein hatte Porsche bei der Entwicklung unterstützt. Das geschwungene Achsrohr aus Stahl – nach seinem markanten Aussehen "Ochsenhorn" genannt – wölbte sich unter dem Getriebe hindurch und nahm an seinen Enden die hinteren Schenkel der oberen Querlenker auf sowie am Getriebebogen die der unteren.
Die Entwicklung geeigneter Reifen für den 959 war elementar für ein Auto, das voll beladen fast zwei Tonnen wog und eine Geschwindigkeit von über 300 Kilometer pro Stunde erreichen konnte. Die von Ingenieur Hans Georg Persch festgelegten Prüfstandsbedingungen verlangten, dass ein Reifen, der bereits 10'000 Kilometer zurückgelegt hatte, 20 Minuten lang bei dieser Geschwindigkeit überleben musste. Porsches Reifenpartner Dunlop brachte daraufhin die für den 956 entwickelte, pannensichere Reifen-Felgen-Kombination namens "Denloc" ins Spiel, bei der der Reifenwulst auch bei Druckverlust nicht von der Felge rutscht. Dieses System war ein Paradebeispiel dafür, wie Entwicklungen für den Motorsport auch Autos für den Straßengebrauch zugutekommen können.
Der 959 spornte Porsche an, eine Familie von Bremssätteln zu entwickeln, die in den verschiedenen Modellreihen eingesetzt werden konnten. Der größte von ihnen war der "A2", der für die Vorderräder des 928 verwendet wurde. Der 959 verwendete für seine Vorderräder den Bremssattel "A1", der bis auf eine kleinere Bremsbelagfläche identisch war. Der Basissattel "A" hatte die gleiche Bremsfläche, war aber für eine Scheibe mit kleinerem Durchmesser ausgelegt; er wurde für die Hinterräder des 959 verwendet. Für Straßenauto-Verhältnisse waren diese Bremsen zu einer beeindruckenden Verzögerung fähig. Aus 300 km/h konnten sie den 959 mit dem 1,27-fachen der Erdanziehungskraft zum Stillstand bringen. Ergänzt wurden sie durch ein computergesteuertes Antiblockiersystem.
Das fertige Auto
Steve Murkett, ein Neuling im Designstudio, arbeitete zusammen mit Dick Söderberg an der Verfeinerung der äusseren 959-Form für die Produktion. Neu gegenüber der Studie "Gruppe B" waren etwa die Lufteinlässe in den hinteren Kotflügeln. Der "henkelartige" Heckflügel blieb erhalten, allerdings als Teil der Motorhaube, die nun bis in die Seitenteile hinein reichte. Ebenfalls neu waren die seitlichen Luftauslässe in den Schürzen: Die hinteren führten die Wärme des Ladeluftkühler ab; die vorderen die Wärme von Öl- und Wasserkühler.
Nach der IAA wurden ausgewählte Pressevertreter nach Weissach eingeladen, um erste Erfahrungen mit dem 959 zu sammeln. Sie saßen neben Günter Steckkönig und drehten zehn Runden auf der Teststrecke, die, so Michael Cotton, den Beifahrer "mit weichen Knien und voller Staunen über die rennwagengleichen Fähigkeiten des Autos" zurückließ. Bis März 1986 gingen in Ludwigsburg 250 Bestellungen für den 959 ein, die anschliessend gefiltert und sortiert werden mussten. Für jede Bestätigung war eine Anzahlung von 50'000 DM zu leisten. Ausgeliefert würde der 959 frühestens im August 1986. Der Wagen war mit allen modernen Annehmlichkeiten ausgestattet, wie elektrisch verstellbare Ledersitze und vollautomatische Heizung und Kühlung.
Im noch kühlen März 1986 wurden die ersten Pressefahrten des 959 auf der Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings organisiert. Drei Autos standen zur Verfügung, und jeder Pressevertreter durfte eine halbe Stunde mit "seinem" Auto fahren. Später durften die Journalisten als Beifahrer von Günter Steckkönig in einem vierten 959, der über eine seinem Fahrstil angepasste PSK verfügte, noch eine Runde über die Nordschleife fahren.
Porsche hatte stolz verkündet, dass sich der Motor dank der Registeraufladung wie ein Saugmotor mit acht Litern Hubraum anfühlen würde, doch die Tester wiesen dies schnell zurück. "Zwar meistert das Hochleistungsaggregat niedrige Drehzahlen mit erstaunlicher Souveränität", berichtete auto motor und sport, "aber die Beschleunigung unter 4000 U/min ist keineswegs atemberaubend." Darüber, so schrieb John Miles in Autocar, "geht es im Heck erst richtig los. Der Übergang zum zweiten Turbo ist etwas zögerlich, aber wenn er kommt, setzt ein enormer Schub von hinten hin, während der Drehzahlmesser sich auf 7500 U/min zubewegt. Man schaltet ständig hoch! Es gibt keine Zeit zum Entspannen. Die Leistung ist so groß, dass man planen und denken muss wie bei einem Rennwagen."
Mel Nichols schrieb in Autocar: "Der 959 hat gezeigt, dass sie bei Porsche das ehrgeizige Ziel erreicht haben, das sie sich 1980 gesetzt hatten: ein Auto zu bauen, das in die Leistungsbereiche heutiger Rennwagen vordringt, das aber jeder Mann oder jede Frau mit durchschnittlicher Erfahrung nach einer kurzen Lernzeit beherrschen kann."
"Wir bezeichnen ein Auto nur ungern als perfekt.", schrieb Car and Driver. "In Bezug auf Preis, Verfügbarkeit und Leistung kann der 959 nicht mit anderen Fahrmaschinene verglichen werden. Als das Nonplusultra des Automobils ist er für ein gewöhnliches Auto das, was die F-15 für einen Drachenflieger ist. Der Porsche 959 erfüllt fast jede automobile Aufgabe so gut, dass es nur eine milde Übertreibung wäre, ihn als perfekt zu bezeichnen." In Zuffenhausen hatten sie wieder einmal das Unmögliche möglich gemacht.


























































































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