Mit dem Ascona schloss Opel 1970 die Lücke zwischen dem Kadett und dem Rekord. Dies geschah allerdings nicht unbedingt aus eigenen Willen, sondern als Reaktion auf die Konkurrenz. Geplant war der Ascona eigentlich nämlich als Kadett C.
Henne nach dem Ei?
Im Herbst 1970 zeichnete sich ein interessanter Ankündigungswettkampf ab. Der VW K70, der Citroën GS und der Chrysler 160/180 waren bereits bekannt, erste Details zu einem neuen Ford Taunus und einem neuen Modell von Opel sickerten bereits früh durch.
Vor dem Ascona wurde aber noch der Opel Manta vorgestellt, eigentlich die Coupé-Variante der neuen Limousine. Dem Manta folgte dann der Ascona zum Turiner Autosalon im Oktober 1970.
Auto Motor und Sport fragte sich damals, ob das Ei eher auf die Welt gekommen sei als die Henne. Tatsächlich setzte der neue Ford Taunus die Opel-Macher sicher unter Zeitdruck.
Begonnen hatte das Projekt 1450, so die interne Bezeichnung der Ascona/Manta-Baureihe, allerdings schon viel früher, nämlich in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre. Entwickelt werden sollte ein Nachfolger des Opel Kadett B. Halb unterwegs entschied man sich dann allerdings, den neuen Opel als zusätzliche Modelllinie einzuführen.
Das Styling der beiden Modelle verantwortete Chuck Jordan, doch war vermutlich Fritz Wacker bei der Limousine stildefinierend. Tatsächlich empfanden viele Beobachter das Design des Ascona gerade im Vergleich zum Manta als etwas gar brav. Auto Motor und Sport kritisierte: “Es fehlt die smarte Linienführung”.
Solide und zurückhaltend
Technisch zeigten sich Manta und Ascona fast wie Zwillinge, aber auch vom Kadett B stammte noch einiges, so etwa ein Teil der Motoren und die starre Hinterachse (mit zwei Längslenkern und Panhardstab). Die Vorderachse allerdings war mit oberen Dreiecksquerlenkern und unteren Querlenkern sowie Schraubenfedern war neu und zeigte zwecks guter Seitenführung einen relativ starken negativen Sturz.
Als Motoren kamen die bekannten 1,6-Liter mit CIH-Prinzip (Nockenwelle im Zylinderkopf, aber neben den hängenden Ventilen) zum Einsatz, die 68 und 80 DIN-PS leisteten. Geschalter wurde von Hand via Vierganggetriebe oder mit einer Dreigangautomatik.
Für die Verzögerung sorgte eine gemischte Bremsanlage mit Scheiben vorne und Trommeln hinten mit Servounterstützung.
Von Anfang an wurden drei Karosserievarianten mit zwei, vier oder drei Türen (Kombiversion Ascona Voyage) angeboten.
Vernünftig, aber gut
Der grosse Gegenspieler war natürlich der gleichzeitig vorgestellte Ford Taunus. Und der sah nach deutlich mehr aus, obwohl die Preise auf ähnlichem Niveau lagen. Das lag nicht zuletzt an dessen leicht grösseren Abmessungen, vor allem aber am modernen Design.
Auto Motor und Sport wollte es im Jahr 1971 genauer wissen und verglich Ascona 1.6 L (80 PS) mit dem Taunus 1600 GLX (88 PS).
Der Ascona schlug sich blendend, Klaus Westrup fasste das prägnant zusammen:
“Ford hatte mit der Vernunft eindeutig weniger im Sinn: Der Taunus übertrifft den Ascona in der Gewichtigkeit seiner Erscheinung bei weitem, in den meisten übrigen Eigenschaften zeigt er sich ihm unterlegen. Bei solcher Verschiedenheit muß die Wahl eigentlich leichtfallen, selbst wenn man bedenkt, daß Kleider im allgemeinen Leute machen.”
Obwohl der 1060 kg schwere Taunus etwas besser beschleunigte (0-100 km/h in 14,2 anstatt 14,5 Sekunden) und etwas schneller lief (164,7 anstatt 160,1 km/h Spitze) als der 980 kg schwere Ascona, überzeugte der Opel mehr, was nicht zuletzt an seiner Leichtfüssigkeit und seinem sicheren Fahrverhalten lag.
Ein richtiger Sportler war der Ascona damit aber noch nicht, aber Opel hatte hier natürlich noch einen Pfeil im Köcher, nämlich den 1,9-Motor, den man aus den Opel-Modellen Rekord, GT und Manta bereits kannte.
Leistungsspritze
Ab März 1971 bot Opel den Ascona auch mit dem 90 PS starken 1,9-Liter an, welcher mit den 980 kg natürlich noch deutlich besser zurechtkam als der kleinere 1,6-Liter-Vierzylinder. 12,4 Sekunden vergingen, bis der sportliche Ascona aus dem Stand 100 km/h erreicht hatte, lediglich die Höchstgeschwindigkeit stieg nicht entsprechend, weil man sich bei Opel für eine relativ kurze Hinterachse entschieden hatte. Dies wirkte sich auch auf den Verbrauch, den AMS beim ersten Test notierte, aus. 13,3 Liter mit Minimalwerten von 11,5 bis 15,7 Liter Superbenzin wurden pro 100 Kilometer nachgetankt.
Den 1,9-Liter-Motor gab es nur in Kombination mit der SR-Ausstattung, das “R” stand dabei für “Rallye”. Dieses Paket beinhaltete breite Räder (185/70 SR 13) auf attraktiveren Stahlfelgen, ein Lederlenkrad, Drehzahlmesser und Zusatzinstrumente (Uhr, Ampèremeter, Öldruck) und einen Seitenstreifen. Am Fahrwerk wurden nur geringe Modifikationen vorgenommen.
Klaus Westrup gab der neuen Ascona-Variante gute Verkaufschancen: “Kräftig motorisierte Kompakt-Autos werden für einen gewissen Teil des Publikums immer interessant und begehrenswert sein — das beweist nicht zuletzt der Verkaufserfolg der kleinen BMW-Typen. So kann man den Ascona 1.9 SR innerhalb dieser Gruppe guten Gewissens als neuen Konkurrenten bezeichnen — und sei es auch nur für die zahlenmäßig begrenzte Käuferschicht, die ihren Klein- BMW lieber von Opel möchte.”
Am Preis sollte es nicht scheitern, denn der zweitürige 1,9 SR kostete in Deutschland DM 8730 und in der Schweiz CHF 12’525.
Ausführlich getestet
Die Automobil Revue schaute beim Ascona 1,9 SR besonders genau hin, schliesslich gehörten schon damals überdurchschnittlich gut motorisierte Autos in der Schweiz zu den Verkaufsfavoriten. Über vier A3+-Seiten wurden alle Aspekte des Opels gemessen und dokumentiert, Lichtverteilung, Rundumsicht, Schallfrequenzanalyse und Bremsverhalten inklusive.
So erfuhr man, dass 45 kg Pedaldruck nötig waren, um den Ascona aus 120 km/h zum Stillstand zu verzögern. Oder dass 18,2 Liter Benzin pro 100 km bei Höchstgeschwindigkeit (164,5 km/h) durch den Vergaser flossen.
Das Fazit unterschied sich trotzdem kaum von anderen Tests: “Im ganzen: Ein kompakter, nicht sehr geräumiger, aber wendiger und überdurchschnittlich temperamentvoller Wagen von gutem Komfort, ausgesprochen gutmütigem Fahrverhalten und geringen Ansprüchen an die Wartung.
Kein Überflieger …
Wie sportlich der schnelle Ascona war, dies wollte Auto Motor und Sport im Jahr 1972 wissen und sandte den 19 SR gegen Ford Taunus GXL, BMW 2002, Fiat 125 Special und Alfa Romeo Giulia Super ins Rennen. Obwohl der Opel leistungsmässig vor allem im Vergleich zum BMW und zum Alfa im Nachteil war, schlug er sich ingesamt ziemlich gut. Er landete auf Platz 3 der Vergleichsgruppe, hinter der siegreichen Giulia und der Sportlimousine BMW 2002.
Unter Berücksichtigung des günstigen Preises allerdings hätte der Opel gewonnen, der über DM 1000 günstiger war als Alfa und BMW.
“Der Opel Ascona 19 SR beweist, daß die Sportlichkeit bei Opel nicht nur in den Prospekten steht. Er ist das handlichste, am mühelosesten zu fahrende Auto der Gruppe und steht den technisch anspruchsvolleren Spitzenreitern in den Fahreigenschaften nicht nach. Nur in der Leistung kann er nicht mithalten, denn sein 1,9 Liter-Motor ist ein braves, zuverlässiges Triebwerk ohne sportliche Brillanz”, war das Resümee von Auto Motor und Sport.
… aber sehr zuverlässig
Eine Stärke des Asconas waren sicherlich seine geringen Unterhaltskosten und die zuverlässige Natur. Die ADAC Motorwelt erkannte dies 1973 anlässlich eines Praxis-Tests, der mithilfe der Leser durchgeführt wurde. Der Ascona (angeschaut wurden die Modelle 16 und 16 S) sprang besser an als die Konkurrenz (Fiat, Peugeot, Ford, Simca), blieb seltener mit einem Defekt liegen und musste weniger häufig zur Inspektion in die Werkstatt.
Das Fazit zum Opel war denn auch erfreulich:
“Die Opel-Besitzer sind mit ihrem Auto am meisten zufrieden. Kein Wunder, denn in puncto Zuverlässigkeit war der kompakte und handliche Wagen der Größte. Motor, Vergaser, Zündung und Hinterachse blieben allerdings von gelegentlichen Störungen nicht verschont. Die Reparaturkosten bei kleineren Mängeln waren jedoch niedrig."
Zurückhaltende Modellpflege
Der Opel Ascona verkaufte sich so gut, dass er kaum einer Modellpflege bedurfte. Weil aber der Staat den erlaubten Bleigehalt im Benzin gesetzlich verringerte, mussten die Motoren angepasst werden. Sie verloren dabei das eine oder andere PS, der 1,9-Liter-Motor verfügte deshalb ab 1975 nur noch über 88 PS.
Schon früher hatte man eine günstigere 1,2-Liter-Version eingeführt und im September 1973 veränderte man den Kühlergrill und vergrösserte das Opel-Zeichen auf dem Bug. Sondermodelle mit Preisvorteil sicherten die fortwährende Attraktivität des Ascona.
679’414 Ascona-Varianten wurden zwischen 1970 und 1975 gebaut, dann folgte der modernere Ascona B, der es auf noch grössere Stückzahlen brachte.
Heisshungrig auf Rallye-Pfaden
Mit am Erfolg beteiligt waren sicherlich die Rallye-Siege, die vor allem Walter Röhrl Mitte der Siebzigerjahre einfuhr.
Röhrl gewann auf über 200 PS gebrachten Ascona A die Rallye-Europameisterschaft und 1975 den WM-Lauf in Griechenland, notabene gegen die Rallye-Ikone Lancia Stratos und Alpine-Renault A110, notabene komplett andere Kaliber.
Fast wie damals
Auch 45 Jahre später fühlt sich ein Opel Ascona 19 SR agil und behände an. Natürlich sorgen die geräuscharmen 90 PS nicht für Schwindelanfälle, aber sie schaffen es, die Limousine problemlos durch den Verkehr zu schieben.
Kurven werden problemlos gemeistert, die Bedienung gelingt auf Anhieb, Bremsmanöver sind stressfrei. Wie man es von einem alten Kumpel erwartet.
Um den grünen Ascona aus dem Jahr 1974 musste der heutige Zweitbesitzer lange kämpfen, bis er ihn vor knapp einem Dutzend Jahren vom Erstkäufer überehmen durfte. Dieser wollte sich zuerst davon überzeugen, dass er in gute Hände kommen würde. Schliesslich hatte er den SR über Jahrzehnte gehätschelt und originalgetreu erhalten.
Mit seinem eleganten Vinyldach und der grünen Metallic-Lackierung lässt der die Siebzigerjahre aufleben und zaubert manchem Betrachter am Strassenrand, der sich noch gut an diese Zeit erinnert, ein Lächeln auf die Lippen.
Wir danken dem Besitzer für die Gelegenheit zur Fotosession.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 46 / 1970 vom 29.Okt.1970 - Seite 19: Neue Ascona-Modellreihe von Opel
- auto motor und sport / Nr. 23 / 1970 - Seite 148: Vorstellung Opel Ascona
- AR-Zeitung Nr. 4 / 1971 vom 28.Jan.1971 - Seite 17: Kurztest Opel Ascona 1.6 LS
- auto motor und sport / Nr. 5 / 1971 - Seite 28: Klassenkampf - Vergleich Opel Ascona Ford Taunus
- auto motor und sport / Nr. 10 / 1971 - Seite 64: Kraftfutter - Test Opel Ascona 1.9 SR
- ADAC Motorwelt Nr. 8 vom 01. August 1971 - Seite 34: Test Opel Ascona
- auto motor und sport / Nr. 1 / 1972 - Seite 42: Vergleich Opel Ascona 1.9 SR mit der Konkurrenz
- auto motor und sport / Nr. 4 / 1972 - Seite 78: Dauertest 50’000 km Opel Ascona 1.6 S
- AR-Zeitung Nr. 10 / 1972 vom 09.Mrz.1972 - Seite 45: Test Opel Ascona 1.9 SR
- ADAC Motorwelt Nr. 6 vom 01. Juni 1973 - Seite 52: Praxistest Opel Ascona u.a.
- Oldtimer Markt Heft 4/1997, ab Seite 8: Opel Ascona A
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Aber noch schöner war natürlich dann sein Holiday Cutless 442 vom "rostigen Franz", der auch einen hatte, auch in grün métallisé. Die liefen 0-100 schon 1965 in 5,6 Sekunden.
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