Man spürt sofort, dass man nichts spürt, jedenfalls nichts Besonderes. Der Chrysler Valiant fährt sich, wie man es von einem rüstigen und über 50-jährigen Kompakt-Amerikaner erwartet. Doch halt, da gibt es einiges zu erklären, nämlich warum sich der Valiant denn anders fahren lassen sollte und warum er ein Chrysler und kein Plymouth ist.
100-Prozent-fossilfrei unterwegs
Im Tank des Valiant wartet CO2-neutraler Treibstoff auf seine Verbrennung. Gemäss Hersteller ist er 100%-kompatibel mit handelsüblichem erdölbasierendem Benzin und es sind keine Modifikationen am Motor nötig. Es könnte sogar gut so sein, dass der aus Biomasse, CO2 aus der Luft und elektrolytisch hergestelltem Wasserstoff erzeugte Treibstoff sauberer und problemloser verbrennt als Bleifreibenzin.
Und genau dies soll auch der von der AMAG und der Empa in der Schweiz aufgesetzte Versuch mit zwei Autos (auch ein Golf GLS ist im Einsatz) verifizieren. In Zusammenarbeit mit Motorex wird auch das Motorenöl während der Versuchsphase inspiziert. Theoretisch gibt es eigentlich keinen Grund, warum der synthetisch erzeugte Treibstoff dem Valiant etwas anhaben könnte, aber entscheiden soll nun die Praxis. Eine gute Sache!
Fast konventionell
Der Chrysler Valiant, der in den meisten Länder und insbesondere auf dem Heimmarkt USA als Plymouth Valiant vermarktet wurde, konnte 1970 bereits auf eine längere Geschichte zurückblicken.
1959 wurde er als Valiant (eigene Marke) präsentiert, dem herkömmlichen Layout amerikanischer Fahrzeuge folgend, also mit längs eingebautem Frontmotor und Hinterradantrieb. Immerhin wies er bereits eine selbsttragende Karosserie auf und um Höhe zu sparen, war der Reihensechszylinder schräg eingebaut. Zum Plymouth wurde der Valiant nach einem Jahr, aber auch als Dodge (Lancer) gab’s ihn ab 1962 zu kaufen.
Bereits für das Modelljahr 1963 wurde die heftig diskutierte Karosserieform versachlicht, ab 1964 gab’s auch einen V8-Motor.
Zur nächsten grösseren Überarbeitung kam’s dann im Herbst 1966 für das Baujahr 1967.
Technik vom Vorgänger
Für die dritte Variante hatte man die Karosserie nochmals gründlich überarbeitet, den Radstand von 269 auf 273 cm verlängert, ohne den Wagen der Länge nach wachsen zu lassen. Mit 180,5 cm war er aber ein bisschen breiter geworden. Das Design wirkte schlicht und gradlinig, fast schon kantig.
Viel Gewicht hatte man bei der Neugestaltung auf die Sicherheit gelegt. Eine energieverzehrende Lenksäule, eine Zweikreis-Bremsanlage, Sicherheitsgurten, widerstandsfähigere Türschlösser, eine Notblinkanlage, grössere Aussenspiegel und ein Lenkrad mit Sicherheitsnabe waren einige der Neuerungen, die zu einer besseren passiven Sicherheit führen sollten.
Technisch basierte das Baujahr 1967 auf dem Vorgänger, verbaut wurden der Reihensechszylinder mit 2,8 und 3,7 Liter Hubraum sowie ein 4,5 Liter grosser V8. Natürlich konnte man eine Automatik bestellen.
Für die Radführung sorgten vordere Einzelradaufhängungen mit Dreiecksquerlenkern und unteren Querlenkern sowie die hintere Starrachse mit Blattfedern. Trommelbremsen waren Standard, man konnte aber auch Scheibenbremsen konfigurieren. Die Kugelumlauflenkung war auf Wunsch servounterstützt.
Geringfügige Veränderungen von Jahr zu Jahr
Der erneuerte Valiant kam gut an, für das Baujahr 1968 waren daher nur geringfügige Modifikationen des in den Ausstattungsvarianten 100 und Signet verkauften Viertürers, von dem es auch eine zweitürige Version gab. Der Kühlergrill wurde retuschiert, die Heckleuchten geändert.
Wichtiger war die Säuberung der Motoren mittels einer zusätzlichen Luftpumpe, “Cleaner Air System” genannt. Der 3,7-Liter-Motor leistete weiterhin rund 145 SAE-PS.
Bis 1968 waren bereits 1,2 Millionen Valiant verkauft worden, entsprechend waren auch für das Baujahr 1969 keine umfassenden Umbauten nötig. Immerhin gab man dem wieder etwas schmäler gewordenen (178 cm) “Compact” nun einen neuen Kühlergrill und auch die Rückleuchten wurden erneut umgestaltet.
Für das Baujahr 1970 benannte man die zweitürige Version in “Duster” um, die viertürige Limousine wurde erneut am Kühlergrill und an den Rückleuchten dem aktuellen Geschmack angepasst. Den kleinsten Motor vergrössere man auf 3,2 Liter Hubraum, der 3,7-Liter-Sechszylinder blieb unverändert im Programm, bei den V8-Motoren konnte man nun auch 5,2 Liter und 230 PS haben.
In der Schweiz montiert
In der Schweiz wurde der Valiant von der AMAG in Schinznach-Bad für den lokalen Markt montiert, ähnliches gab’s auch in Holland. Allerdings unterschieden sich die Schweizer Valiant-Ausführungen, die als Chrysler verkauft wurden, doch in einigen Punkten von den amerikanischen Versionen.
So wurde umfangreich nachgeschweisst, die längeren Schweissnähte und die dreimal zahlreicheren Punktschweiss-Stellen sollten zu einer haltbareren Karosserie führen. Der Korrosionsschutz wurde verbessert, die Wärme- und Geräuschisolierung optimiert. Glas, Polster und manches mehr stammten aus Schweizer Produktion. Anstatt sechs Stunden Fliessbandarbeit wie in Amerika waren in Schinznach-Bad 143 Stunden handwerklicher Sorgfalt nötig, bis ein fertiger Valiant zum Kunden durfte. Dafür konnten dann auch Sonderwünsche angebracht werden (z.B. Radio, Zusatzscheinwerfer, eine heizbare Heckscheibe, Rallye-Räder) und die Schweizer Modelle waren vergleichsweise umfangreich ausgestattet, so zumindest behauptete es die Verkaufsliteratur.
Die Limousine wurde mit den aus den USA bekannten Sechszylindermotoren in zwei Varianten und dem V8-Motor ausgerüstet. Geschaltet wurde mit einem Dreigang-Vollsynchron-Getriebe oder einem Dreistufen-Wandlerautomat. Scheibenbremsen kosteten bei den kleineren Motoren Aufpreis, VIP-Ausstattungen sowieso.
Nicht zu gross für hiesige Strassen
Die Automobil Revue nahm sich im Sommer 1969 einen 20’250 Franken teuren Plymouth Valiant Signet 3,7 Liter mit Automatik vor und beschleunigte diesen in 13,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Als Spitzengeschwindigkeit wurden 159 km/h notiert, als Benzinverbrauch 11 bis 14,9 Liter pro 100 km. Im Preis waren die vorderen Scheibenbremsen und die Servolenkung bereits inbegriffen.
Trotzdem wurde der Ausstattungsumfang im Verhältnis zum Preis kritisiert, fehlten doch Sicherheitsgurte und Kopfstützen, aber auch Haltegriffe und Lichthupe.
Mit dem “elastischen Drosselmotor” und der Automatik zeigten sich die AR-Tester allerdings zufrieden, dafür wurde die relativ straffe Federung und die harte Polsterung der Schweizer Ausführung moniert.
“Der Valiant 3,7 Liter gehört zwar zu Hause zu den ‘Compacts’; uns erscheint er indessen als Amerikaner im einstigen Sinn des Wortes: ein recht geräumiger Sechssitzer mit guter Sicht und wenig beanspruchter, starker und zuverlässiger Mechanik ohne Unterhaltsansprüche. Die etwas summarische Innenausstattung wiegt das Plus der sorgfältigeren Montage angesichts des Preises von mehr als Fr. 20’000 nicht ganz auf; die Fahrleistungen sind für Automobilsten ausreichen, die sich ruhiger Fahrweise befleissigen und mehr Wert auf geschmeidigen Fahrstil als auf Tempo und Rasse legen”, so fassten die AR-Redakteure ihre Erfahrungen mit dem Valiant im September 1969 zusammen.
Mühelos unterwegs
Wir setzen uns also selber ans Lenkrad des fast 4,8 Meter langen Amis und sind schon einmal von der Übersichtlichkeit der Karosserie begeistert, tatsächlich ist jede Ecke einsehbar. Vorne sieht man sogar die Blinker leuchten, die auf den Kotflügeln montiert sind. Alles geht leicht von der Hand, die Servolenkung kaschiert allerdings auch den Bodenkontakt. Mit einem Wendekreis von 12,5 Metern und 3,5 Lenkradumdrehungen von einem Einschlag zum anderen fühlt sich der Amerikaner noch ausreichend kompakt an und dies selbst für Innerorts-Strassenverhältnisse.
Die eher gemächliche Fahrkultur passt gut zum heutigen Oldtimerstatus und vom modernen Treibstoff im Tank spüren wir, wie bereits angetönt, gar nichts. Der Sechszylinder startet zuverlässig und läuft rund, die Beschleunigung reicht für lockeres Mithalten im Verkehr problemlos aus, auch die Geräuschkulisse gefällt.
Auf gewagte Kurvenmanöver verzichtet man nicht primär wegen der hinteren Starrachse, sondern eher wegen der Sitzbank, die keinerlei Seitenhalt vermittelt. An den Bremsen lässt sich nichts aussetzen, eine Passfahrt haben wir mit dem rund 1,4 Tonnen schweren Viertürer nicht absolviert. Die Automobil Revue sprach im Test von Fading und rapid ansteigendem Pedaldruck und Bremsweg, aber schneller Erholung der Bremsen. So rabiat liessen wir es dann doch nicht angehen mit dem Leihmobil.
Noch nicht am Ende
Die Geschichte des Valiant war mit dem Baujahr 1970 noch lange nicht zu Ende. Bis 1976 wurde der Viertürer noch weitergebaut, mit überraschend wenigen Änderungen für ein US-Fabrikat. Das Baujahr 1974 war für die Plymouth-Varianten mit über 470’000 Exemplaren der Höhepunkte.
Es gab zudem über die ganze Welt verteilt noch viele Derivate und Abwandlungen. Insgesamt war der Valiant für Chrysler sicherlich eine Erfolgsgeschichte. Abgelöst wurde der Valiant übrigens von den Modellen Volare und Aspen.
Wir danken der AMAG für die Gelegenheit, den rüstigen Valiant für eine Fotofahrt entführen zu dürfen. Wir werden über die Ergebnisse des Langstreckentests mit SynFuels berichten.
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Ich besass damals einen Valiant mit dem 2,8 Liter Motor. Zum Geradeausfahren reichte es, sobald es aber etwas steiler wurde musste man die zweite Fahrstufe oder sogar die erste einlegen.