Erinnern Sie sich noch an Inspektor Derrick? Und seinen Mitarbeiter Harry? Und an den geflügelten Satz: “Harry, fahr schon mal den Wagen vor?”. Und was kam dann? Genau, Harry Klein fuhr im BMW um die Ecke und liess Stephan Derrick einsteigen. Allerdings lautete der Satz “Harry, wir brauchen den Wagen, sofort” und er wurde nur einmal benutzt.
Aber Harry fuhr trotzdem in vielen Folgen der zwischen 1974 und 1998 erschienen Fernsehserie einen Wagen vor, und es war immer ein BMW, zunächst der 5-er der Baureihe E12, später das Nachfolgemodell, oder der 7-er. Und beklagen konnte sich Stephan Derrick darob nicht, denn Modelle der gehobenen Mittelklasse waren damals in der Kriminalpolizei sicherlich nicht üblich. Und bereits der BMW E12 machte seine Arbeit gut.
Neudurchdacht
Vorgestellt wurde der BMW 520 im September 1972. Mit ihm wurde auch eine neue Nomenklatur, initiiert durch Bob Lutz, eingeläutet, bei der die erste Ziffer der Typenbezeichnung für die Baureihe stand, die anderen beiden Ziffern für den Hubraum. An diesem Konzept hielt man danach über 40 Jahre fest.
Der E12, wie der erste 5-er intern genannt wurde, löst die “neue Klasse” ab, die 1961 auf den Markt gekommen war, und schob sich zwischen den 02 (1602, 1802, 2002) und die grosse Baureihe 2500/2800/3.0. Der Abstand zur Baureihe E3 war dabei relativ gering, was die Abmessungen (8 cm kürzer, 6 cm schmäler, 2,5 cm niedriger) und das Gewicht (1250 anstatt 1380 kg) anging, motorenseitig allerdings wurde der 5-er zunächst nur mit dem 1990 cm3 grossen Vierzylinder mit Vergaser- oder Einspritzer-Bestückung angekündigt. 115 respektive 130 PS leistete der mit “3-Kugel-Wirbelwannen-Brennräumen” optimierte Motor mit obenliegender Nockenwelle und Leichtmetallzylinderkopf und er konnte mit einem Vier- oder Fünfganggetriebe gekoppelt werden, wenn keine Automatik bestellt wurde.
Fahrwerkstechnisch griff man auf Bewährtes zurück: Querlenker, Zugstrebe und Querstabilisator sorgten vorne für die Radführung, hinten wurde die bekannte BMW-Schräglenker-Hinterachse montiert. Angestrebt waren eine bessere Strassenlage bei gleichzeitig erhöhtem Federungskomfort.
Eine ZF-Gemmerlenkung (Schnecke/Rolle) und eine gemischte Bremsanlage aus Scheiben (vorne) und Trommel (hinten) komplettierten das Paket der heckgetriebenen viertürigen Limousine.
Gradlinig und schörkellos
Das Design des E12 wird Wilhelm Hofmeister und vor allem seinem Nachfolger Paul Bracq zugeschrieben, bei Null beginnen musste der 1970 neu zu BMW gestossene Bracq aber nicht, denn Gandini hatte für Bertone bereits im März 1970 den “Garmisch” als Konzeptfahrzeug gestaltet, das die Linienführung des 520 sicherlich beeinflusste.
Die Automobil Revue notierte damals zur Form:
“Dank seinen harmonischen Linien hat der 520 nichts mehr vom doch eher gedrungenen Äusseren des Modells 2000, das er als viertüriger Mittelklassewagen im BMW-Programm ablöst; er wirkt aber kompakter als die Sechszylindermodelle. Die Umrisse und Linien des 520 sind sauber, klar und frei von Verspieltheit. Die glattflächige Karosserie mit ihren abgerundeten Kanten sieht windschlüpfig aus und ist von einer zurückhaltenden Eleganz, die auch in einigen Jahren noch gefallen dürfte.”
Die Aerodynamik war in Ordnung, für einen Eintrag im Guinessbuch der Rekorde reichten die erzielten cw 0,44 allerdings nicht.
Funktioneller und luxuriöser
Innen gab sich der BMW 520 modern und sicher, immerhin konnten vorne und hinten Automatik-Sicherheitsgurten montiert werden. Das Lenkrad trug eine grosse Prallplatte, die Instrumente waren übersichtlich, orange beleuchtet (eine industrieweite Innovation) und auf den Fahrer ausgerichtet. Die Quarzuhr, die serienmässig rechts als zweites grosses Instrument in der Mitte positioniert war, zeigte die Zeit mit einer Genauigkeit von plus/minus einer Sekunde pro Tag an. Wer lieber einen (sinnvollen) Drehzahlmesser wollte, musste zumindest beim 520 (ohne i) Aufpreis (CHF 254) bezahlen, die Uhr wanderte dann als kleinere Ausführung in die Mittelkonsole.
Teilweise serienmässig (je nach Land) war dagegen die Lenkradverstellung (in Längsrichtung) und die zweistufig wirkenden Scheinwischer mit Intervallschaltung. Zu Beginn kostete das Vergasermodell DM 14’490 oder CHF 21’750, für die Einspritzvariante wanderten rund DM 1200 / CHF 1500 mehr über den Tresen.
Ziemlich sportlich
In 10,8 Sekunden schaffte der 520 i den Spurt von 0 auf 100 km/h beim Test von ams im Jahr 1972, als Spitze wurden für den Einspritzer 186,5 km/h notiert. Der Vergaser-520 nahm es etwas gemächlicher, hier wurden 13,0 Sekunden und 175,6 km/h gemessen.
Wer befürchtet hatte, dass der gesteigerte Komfort auf Kosten der Fahrsicherheit gehen würde, den konnte Fritz Reuter nach seiner Testfahrt für ams beruhigen:
“Jene kompromißlosen Anhänger der Freude am Fahren werden erfreut sein zu hören, daß das beim 520 erreichte Mehr an Komfort keineswegs ein Weniger an Straßenlage und Handlichkeit bedeutet – im Gegenteil: Auch der Neue bietet das BMW-typische Über steuern im Kurvengrenzbereich, doch vollzieht es sich bei ihm sanfter und mit einer weicheren Übergangsphase als bei allen bisherigen Modellen. Zudem setzt dieses von geübten Schnellfahrern geschätzte Verhalten bei ihm erst bei deutlich höherer Querbeschleunigung ein, so daß der Kundige noch mehr Freude daran hat, während die weiter nach oben reichende neutrale Phase dem weniger Versierten einen breiten Sicherheitsspielraum läßt. Ohne etwas vom Familiencharakter geopfert zu haben, ist der 520 also gutmütiger und damit leichter zu beherrschen als seine Anverwandten.”
Trotz guter Bewertung blieb allerdings der Wunsch nach etwas mehr Laufruhe im Motorenabteil noch offen, was nicht nur Fritz Reuter, sondern auch die Automobil Revue nach ihrem Test monierte:
“Der 520 bietet entspanntes, angenehmes, rasches und sicheres Reisen für Fahrer wie auch nunmehr für die Passagiere. Trotz dem geräumigen Inneren bleibt er genügend handlich, handlicher als sein recht eindrucksvolles Äusseres erwarten lässt. Seine Fahrleistungen liegen besondes beim teureren, aber etwas sparsameren und geschmeidigeren 520 i noch wesentlich über dem Durchschnitt der Wagen mit Zweiliter-Vierzylindermotoren. Der Hersteller will zwar den stärkeren 2,5- Liter-Sechszylinder vorerst der grösseren Reihe vorbehalten, doch diese leise, sanftere und rassigere Maschine wäre ein würdiges Triebwerk für den sonst neukonstruierten 520. Sicher müsste man dafür noch tiefer in die Tasche greifen.”
Zu wenig preiswert?
Natürlich musste der BMW 520 gegen die Konkurrenz antreten. Auto Motor und Sport verglich den 520 im mit der Alfa Romeo Alfetta 1,8 und gab schliesslich dem günstigeren Italiener den Vorrang. Die Alfetta war sparsamer und etwas spritziger, zudem kompakter, aber insgesamt nicht wesentlich besser. So gab der Preis den Ausschlag.
Bei einem Vergleich mit den vierzylindrigen oberen Mitteklasse-Alternativen von Audi, Mercedes-Benz, Peugeot und Volvo war der 520 i im Jahr 1973 (inzwischen mit serienmässigem Drehzahlmesser) erneut der teuerste Viertürer und keineswegs besser ausgestattet als die Konkurrenz. Er gewann aber das Motorenkapitel, führte gemeinsam mit Mercedes das Kapitel Handlichkeit/Bedienung an, während es beim Karosseriekapitel für Platz 2 und bei Fahrkomfort und Fahrsicherheit jeweils nur für den dritten Rang reichte. Insgesamt und ohne Berücksichtigung des Preises resultierte der zweite Platz hinter Mercedes, während der Audi als Sieger vom Platz fuhr, wenn man den Preis mitberücksichtigte.
Sechszylinder nachgeschoben
Bereits an der IAA 1973 zeigte BMW Verständnis für die Wünsche der komfortorientierten Kunden und präsentierte den 525, der zwar auf eine Einspritzung verzichten musste, aber dafür vier Scheibenbremsen und 145 sämige PS bot und nur DM 725 mehr kostete als ein 520 i. Der 525 verkaufte sich denn auch trotz Energiekrise überraschend gut, für Sparfüchse ergänzte BMW 1974 die E12-Baureihe mit einem 1,8-Liter-Einstiegs-Vierzylinder. Beworben wurde dieser Wegen mit dem Spruch “Der Weg nach oben”. Wer schon oben war, der durfte dann anfangs 1975 den vergaserbestückten 528 mit satten 165 PS bestellen.
1976 wurde der 5-er optisch aufgefrischt. Grössere Heckleuchten, eine neu geformte Motorhaube und ein seitlicher Tankstutzen waren die auffälligsten Veränderungen aussen, während innen ein anderes geformtes und umschäumtes Lenkrad und modifizierte Lufteinässe dazu kamen. Motorenseitig wurden die Sechszylinderaggregate mit neuer Vergaserbestückung nachgeschärft.
Für die IAA 1977 zogen neue kleine Sechszylinder unter die Motorhaube der 3-er- und 5-er-Reihe. Der M20 genannte Reihensechszylinder mit siebenfach gelagerter gegossener Kurbelwelle, über Zahnriemen angetriebener obenliegender Nockenwellen und weiterhin 1990 cm3 Hubraum leistete mit einem Solex-Registervergaser 122 DIN-PS bei 6000 Umdrehungen. Er ersetzte beide Vierzylinder-Versionen des 520 und 520 i, während beim Spitzenmodell 528 eine Einspritzung nun zu 177 DIN-PS verhalf.
Die Werbeleute von BMW schöpften für die Promotion des 520/6 aus dem Vollen:
“Auch bei 6-Zylinder-Triebwerken gilt der feine Unterschied zwischen Quantität und Qualität. So können Sie zwar in den besseren Ausführungen von Standard-Automobilen 6-Zylinder erwerben - wenn Sie allerdings Ihren Standard nicht allein an der Zahl, sondern vielmehr an der Art der Zylinder messen wollen, empfehlen wir eine Probefahrt im BMW 520.”
Mehr Komfort
Der kleine Sechszylinder war komplett neu entstanden und er bot “seidige Pferdestärken”, wie Westrup für ams kommentierte. Die Fahrleistungen lagen zwar leicht unter jenen, die der 520 i erreicht hatte, aber mit 11,4 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h und 181,8 km/h Spitze konnte man immer noch zufrieden sein, auch wenn sie mit rund 10 Prozent höherem Benzinverbrauch zu bezahlen waren. Klaus Westrup zeigte sich in seinem Testbericht jedenfalls begeistert von der Laufruhe:
"Tatsächlich wird mit der Einführung des kleinen Sechszylinders eine Dimension erschlossen, die es in dieser Hubraum-Region bislang noch nicht gab. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das neue Triebwerk bis in höchste Drehzahlregionen (6600 U/min) nichts von seiner Vibrationsarmut verliert und dieserart neue Maßstäbe in sei ner Klasse setzt. Sozusagen als Dreingabe kommt der 520-Fahrer noch in den Genuß einer akustischen Darbietung, die ebenfalls niemals Zweifel daran aufkommen läßt, daß man zumindest im Motor-Bereich zu den Arrivierten zählt.”
Die Drehwilligkeit war aber auch nötig, denn um flott voranzukommen wollte der Sechszylinder fleissig geschaltet werden. Wenn man es nicht so eilig hatte, dann ging es aber auch schaltfaul, denn auch bei 1000 Umdrehungen lief der Reihensechser noch rund und bot somit ein grosses Drehzahlband.
Die Kultiviertheit des Aggregats motivierte Westrup dann auch zum Schlusssatz: “Das Motoren-Werk der Motoren-Werke ist, wieder einmal, geglückt.”
10 Jahre
Im Juni 1981 stellte BMW den Nachfolger des E12 vor, nun E28 geheissen.
Kurz vorher, im September 1979, hatte man dem E12 noch eine neue Sperrspitze gegönnt, den M535i. 3,5 Liter Hubraum und 218 PS sorgten für Fahrleistungen, bei denen mancher Sportwagen kapitulieren musste.
Aber diese Spitzenmotorisierung kostete auch rund das Doppelte des braven 520/6, der für DM 20’382 zu haben war. Kein Wunder wurden nur 1410 M 535i gebaut, während immerhin 129’747 520/6 das Werk in Dingolfing (dorthin war nämlich die Produktion des E12 ab dem Jahr 1973 umgezogen) verliessen. Tatsächlich machte dieser Ausstoss den kleinen Sechszylinder zum meistgebauten E12.
Wie einst Harry
Wir fahren schon mal den Wagen vor. Schwierig ist dies nicht, denn der bereit stehende 520/6 fühlt sich keineswegs wie ein über 40-jähriges Auto an, zumal er bisher nur wenig mehr als 110’000 km gelaufen ist. Er startet bereitwillig und erfreut uns mit dem berühmten turbinenartigen Motorlaufgeräusch, das halt eben nur Reihen-Sechszylinder von sich geben können.
Die Rundumsicht ist hervorragend, die kompakten Dimensionen (4,62 x 1,69 x 1,425 Meter) und der Wendekreis von 10,5 m machen den durchaus geräumigen Viertürer wendig. Trotz 1350 kg Leergewicht überrascht der kleinhubige Sechszylinder mit flottem Antritt, ohne allerdings den Rückgrat der Passagiere mit brutalen g-Werten zu gefährden. Den fünften Gang vermissen wir beim gemächlichen Fahren nicht und wir sind ja nicht auf Verbrecherjagd.
Weniger überzeugend als der Antrieb wirkt die doch eher indirekte und nicht ganz spielfreie Lenkung, während der Fahrkomfort durchaus zu begeistern weiss, vor allem im Vergleich zu modernen Automobilen.
Ein Sechszylinder war Ende der Siebzigerjahre noch etwas, das nicht jeder hatte, während ein gutes Jahrzehnt später sogar Kompaktfahrzeuge wie der VW Golf damit ausgerüstet wurden.
Zum BMW 520 passt der Sechszylinder perfekt, ob man die 55 Zusatz-PS des 528i oder die 96 Bonus-Pferde eines M 535 i benötigt, hängt primär vom Naturell des Fahrers und vom Einsatzzweck ab. Für Harry Klein und Stephan Derrick konnte es ja oft nicht schnell genug gehen …
Wir danken der Touring Garage für die Gelegenheit zur Fotofahrt im 1980 ausgelieferten BMW 520/6.
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher