Wer sich mit der Anschaffung eines Oldtimers beschäftigt, hat eine unendliche Auswahl. Vom Kleinwagen über das schicke Cabriolet, bis hin zur amerikanischen Limousine, gibt es in jeder Preisklasse passende Angebote. Viele von Ihnen haben interessante Technik an Bord, bestechen durch bemerkenswerte Fahrleistungen oder sind einfach nur sexy. Bei Audi 80 und Volkswagen K 70 trifft all das nicht zu. Warum also sich für die beiden Langweiler aus dem Reich des Volkswagen-Konzerns interessieren?
Bei den meisten dürften es bislang persönliche Präferenzen gewesen sein, die sie an das Steuer einer der beiden Biedermänner verschlug. Vielleicht hatte der Opa einen K 70, der Lehrer der Grundschule fuhr Audi 80 oder einer der beiden war das Fahrschulauto. Andere Gründe schienen bislang kaum für die Anschaffung einer der beiden Limousinen zu sprechen. Doch bei näherer Betrachtung haben Volkswagen K 70 und Audi 80 beinahe einen epochalen Charakter und waren Meilensteine in der Markenhistorie.
Total Normal
Beschäftigt man sich näher mit den beiden Probanden kommt man schnell in den Tunnel der Liebe zum Gewöhnlichen. Ja, die Formensprache des K 70 läßt Zweifel daran besteht, dass hier wirklich der Star Designer der Siebziger Claus Luthe (das war der, der auch den Ro 80 einkleidete) den Stift geschwungen hat und auch das von Hartmut Warkuß maßgeblich beeinflusste Design des Audi 80 wirkt jetzt nicht wirklich mutig oder gar genial, doch irgendwie haben beide etwas.
Möglicherweise ist es diese wohltuende Langeweile, die Aura, dass damals in den frühen 70ern alles in bester Ordnung gewesen sein muss, wenn man eine der beiden Automobile sein Eigen nannte. Das Konto wurde regelmäßig durch eine feste Anstellung gefüllt, der Job und die Rente waren sicher und das (meist bezahlte) Atriumbungalow hatte Status, war aber eben nicht protzig. Wenn der Prokurist im sonnengelben K 70 abends in die heimische Tiefgarage glitt oder der Studienrat den Audi 80 unter das Carport steuerte, tuschelten die Nachbarn nicht, sondern grüßten höflich, denn Neidfänger waren die beiden Limousinen nie. Mit ihnen war man etabliert aber nicht übertrieben pompös unterwegs. Ein Effekt, der bis heute anhält, denn wieder einmal sind es die einfachen Oldies, die im Jahr 2021 für positive Emotionen sorgen. Mit K 70 oder Audi 80 bist du an der Tanke jedenfalls nie lange allein und hast immer einen Gesprächspartner.
Einfach gediegen
Auch wenn auf den ersten Blick der Volkswagen eine Fahrzeugklasse höher positioniert scheint, sind beide Probanden doch gut vergleichbar. Schließlich ähnelten sich die Modelle in Preis, Leistung und Konzept doch sehr, sodaß ab 1972 für viele Besucher des Volkswagen Händlers die Qual der Wahl bestand. Der K 70 war da schon zwei Jahre auf dem Markt und erfreute sich einer eher zurückhaltenden Beliebtheit.
Volkswagen versuchte wenig später mit einer 100 PS starken Top-Version das Interesse an dem NSU-Erbstück wachzuhalten- vergebens. 1975 kam nach nur etwas mehr als 211‘000 Einheiten das Aus. Zu schwach war die Strahlkraft des K 70 und zu modern die Konkurrenz im eigenen Haus.
Der Audi 80 B1 war Vorbote einer komplett neuen Fahrzeuggeneration. Er bot eine Technik, die weit weg war von dem eigentlich aus Motorradteilen zusammengesetzten K 70, dessen Wurzeln ja bei der verblichenen NSU lagen. Klar hatten beide Modelle Frontantrieb, boten gute Fahrwerke und ließen den Passagieren Komfort angedeihen, doch das war es auch schon an Gemeinsamkeiten, denn spätestens nach der Probefahrt ging für den K70 der Daumen runter.
Trauriges Schicksal
Die Rolle des Verlierers war dem großen Volkswagen von Beginn an auf den Leib geschrieben. Geboren im Prekärhaushalt der Familie NSU, dann als Mängelexemplar verschickt nach Wolfsburg und kurz vor dem Stapellauf noch mit einem neuen Familiennamen ausgerüstet. Kein Wunder, dass bei so einem Start ins Leben nicht wirklich etwas Vernünftiges aus dem Auto wurde, zumal es auf dem weiteren Lebensweg bei Modellpflegemaßnahmen übergangen wurde. Mit dem Erscheinen von Passat und Co. sah der K 70 dann noch älter aus, als es ehedem schon war. Schon damals war weder sein cW-Wert (0,52), noch sein Design zeitgemäß. Dazu kam, dass sich auch das Fahren im großen Volkswagen zu einer unerfreulichen Angelegenheit entwickelte. Schuld daran war vor allem der wassergekühlte Vierzylinder, den Volkswagen von NSU geerbt hatte und der in einer Hauruck-Aktion auf Volkswagen Anforderungen umgebaut werden musste.
Ursprünglich hatte NSU den Motor aus Kostengründen in einer komplexen mehrteiligen Konstruktion konstruiert, bei der der Block zweiteilig ausgeführt wurde, um die einzelnen Bauteile auf den vorhandenen NSU-Anlagen produzieren zu können. Ein Kurbelgehäuse aus Aluminium und ein Zylinderblock aus Grauguss trieb den Controllern in Wolfsburg aber die Sorgenfalten auf die Stirn und auch NSU-Konstrukteur Ewald Praxl war mit dem ursprünglichen Aggregat nicht glücklich. Hinzu kam, dass auch der Zylinderkopf ein preiswertes Leihteil aus dem NSU-Regal war. Um die Entwicklungs- und Produktionskosten zu senken hatte man in Neckarsulm einfach je zwei Köpfe aus dem luftgekühlten NSU Prinz auf den Vierzylinder gesetzt und diese dann noch auf Wasserkühlung umgebaut. Der fertige Motor bekam dann noch eine Steuerkette zur Ansteuerung der mittig im Zylinderkopf angebrachten Nockenwelle verpasst und war fertig.
Allerdings nur solange, bis Volkswagen für den verschobenen Serienanlauf des K70 das Layout grundlegend änderte. Nun gab es ein einteiliges Grauguß-Kurbelgehäuse, einen geänderten Zylinderkopf und unzählige Detailmodifikationen. Das Ergebnis war ein 1,6 Liter großer Vierzylinder mit 75 bzw. 90 PS und einer unbefriedigenden Laufkultur, die schon nach wenigen Metern an der Eignung für den Einsatz in einer Limousine zweifeln ließ. Der K70 war laut, lahm und durstig.
Aufbruch in ein neues Zeitalter
1968 begannen bei Audi die Arbeiten an dem neuen Vierzylindermotor Typ 827. Stoßrichtung der Ingolstädter Entwickler war schon damals BMW, während der weidwunde Mitbewerber NSU nur am Rande interessierte. Der Leiter der Audi Motorenkonstruktion, Franz Hauk, konzentrierte sich auf den Bau eines leichten und robusten Motor, der für die kommende Fahrzeuggeneration in verschiedenen Hubräumen angeboten werden sollte. Der bisherige Mitteldruckmotor aus dem Audi 100 war zu schwer, zu groß und hatte zu viel Leistung für die leichte Limousine. Der begrenzte Bauraum machte Sonderlösungen notwendig und so kam es zu dem Einsatz der Zwischenwelle als Antrieb für Ölpumpe, Kraftstoffpumpe und Zündverteiler, sowie zum Entfall eines vom Motor angetriebenen Lüfters.
Um das Aggregat robust und wartungsfreundlich zu gestalten, entschied man sich bei Audi für den Einsatz des Zahnriemenantriebs, womit der voluminöse Kettenkasten der Steuerkette entfiel. Eine Maßnahme, die auch auf der Kostenseite zu Einsparungen führte. Audi war allerdings nicht der erste mit einem Zahnriemen für den Antrieb der Nockenwelle, denn schon 1961 war Glas in Dingolfing mit einem Zahnriemen in Serie gegangen. Neben diesem Detail war auch der Aluminiumzylinderkopf mit Tassenstößeln und hängenden Ventilen charakteristisch für den neuen Motor. Die Konstruktion sah vor, dass der Motor zudem ein Freiläufer war, sodaß im Fall eines Zahnriemennrißes die Kolben nicht die Ventile beschädigen würden. Weitaus bedeutsamer war aber, dass mit dem Zylinderabstand von 88 mm das Maß festgelegt war, mit dem die Konzernmotoren die nächsten 35 Jahre produziert werden sollten. Selbst der 272 PS starke Vierzylinder des Audi TTS verfügt über dieses Maß. Der Audi Motor bedeutete also für den Konzern die Lösung vieler Zukunftsprobleme, zumal das Aggregat auch im Quereinbau etwa in dem 1974 erschienenen Golf verbaut wurde.
Spürbarer Generationsunterschied
Eine Ausfahrt in beiden Limousinen offenbart dann auch die technischen Unterschiede. Wo sich der K 70 zäh durch das Drehzahlband wühlt und die Insassen mit ungebührlichem Dröhnen nervt, läuft der Audi 80 beinahe seidenweich. Hohe Drehzahlen gehen dem Audimotor leicht von der Hand, er reagiert spontan aufs Gas und läßt sogar in Verbindung mit dem Automatikgetriebe Fahrspaß aufkommen. Dazu kommt das insgesamt spürbar bessere Fahrwerk. Der K 70 erinnert in schnellen Kurven eher an eine überfrachtete Galeere, so stark neigt sich seine Karosserie, während im Audi, trotz dessen einfacher Starrachse, nie das Gefühl von Unsicherheit aufkommt. Dass die vorderen Bremsen des K 70 analog zum Ro 80 innenliegend sind, sei der Vollständigkeit halber erwähnt, nutzen kann man den theoretischen Vorteil kaum, da im K70 eben nur selten Anlass zum Bremsen besteht.
Im Innenraum ist der Audi natürlich weit entfernt von der Großzügigkeit des VW, dennoch bietet er ein schönes Ambiente für die Reise zu zweit, vor allem wenn die hochwertige Velourspolsterung verbaut ist. Der Spaß am Autowandern wird im Audi gepaart mit einer erstaunlich guten Daily-Driver-Tauglichkeit.
Da kann der K 70 nicht mithalten, denn er ist auch in der Bedienung ein altes Auto, mit dem man nicht unbedingt täglich zum Einkaufen fahren mag, weil sein zäher und lahmer Motor und die widerspenstige Schaltung einem den Fahrspaß in jeder Situation nehmen.
Am Ende ist es bei beiden Modellen aber die Erkenntnis, dass man keinen exorbitant teuren Oldie braucht, um Spaß an dem Thema zu haben. Im Falle des Audi 80 fährt aber auch ein Stück Konzernhistorie mit, ohne die Volkswagen sicher nicht da wäre, wo man heute steht. Der K 70 bleibt trotz der noblen Edelstahlblenden um die Fenster ein Irrtum der Modellgeschichte, der mangels Ersatzteile und Fanbase langsam ausstirbt.
Kommentar des Autors
Mit dem K 70 wird man nur glücklich, wenn man eine ganz persönliche Bindung zu dem Modell hat. Zwar besticht der Volkswagen durch nette Edelstahldetails und ein Armaturenbrett im RO 80 Style, doch all das kann nicht über das unerfreuliche Fahrerlebnis hinwegtäuschen. Zudem hat das Modell wenig Status in der Szene und keine Aussicht auf Wertsteigerung. Anders der Audi, der in gutem Zustand stetig teurer wird und als GTE inzwischen im fünfstelligen Bereich unterwegs ist. Der leichte Ingolstädter fühlt sich modern an und macht Spaß. Ersatzteile gibt es, Dank der Gleichheit zum Passat und der großen Verbreitung, auch noch. Da ist es dann kein Wunder, dass der Vorsprung deutlich ist.
Technischer Vergleich
Hersteller | Volkswagen AG, Salzgitter | Audi AG Ingolstadt |
---|---|---|
Modell / Ausführung | K 70 | Audi 80 LS |
Karosserie | 4-türige Limousine, Stahl, 5 Plätze | 4-türige Limousine, Stahl, 5 Plätze |
Motor (Benzin/Diesel) | R4 (Reihen-Vierzylinder) vorn, Einbaulage längs, | R4 (Reihen-Vierzylinder) vorn, Ohc, Einbaulage längs, |
Hubraum (ccm) | 1605 | 1471 |
Leistung (PS) | 75 bei 5.200/min | 75 bei 5.800/min |
Drehmoment (Nm) | 125 bei 3.500 /min | 116 bei 3.200 /min |
Getriebe | 4-Gang Schaltgetriebe | 4-Gang Schaltgetriebe |
Antrieb | Frontantrieb | Frontantrieb |
Fahrwerk vorn | McPherson-Federbeine, Querlenker, Schraubenfedern, Querstabilisator | McPherson-Federbeine, Querlenker, Schraubenfedern, Querstabilisator |
Fahrwerk hinten | Einzelradaufhängung, Schräglenkerhinterachse, Schraubenfedern, | Torsionskurbelachse, Schraubenfedern, |
Reifen / Felgen | 165 SR 14, 5J x 14 | 155 SR 13, 5J x 13 |
Bremsen v/h | Scheibe (innenbelüftet) / Trommel | Scheibe (innenbelüftet) / Trommel |
0-100 km/h (Sek.) | 16,0 | 13,2 |
Vmax (km/h) | 148 | 160 |
LxBxH (mm) | 4420 x 1685 x 1450 | 4175 x 1600 x 1362 |
Gewicht leer (kg) | 1060 | 835 |
Verbrauch (l/100 km) | 12,5 | 10,0 |
Bauzeit (Baureihe oder Modell) | 1970 - 1975 | 1972 - 1978 |
Stückzahl (Baureihe oder Modell) | 211'082 | 1'010'201 |
Neupreis (DM) | 9790 DM (1971) |
9435 DM (1973) |
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Es scheint sich immer mehr zu verfestigen, dass mein 71er Exemplar ein Exot, vielleicht ein fälschlicherweise in "Kunden-/WA-Hand" gelangtes Auto war. Hier kommt ja eins zum anderen: Geteilter Motorblock, Doppelscheinwerfer, Leistung, die gefühlt gegen 100 PS tendiert haben könnte. Ob es noch weitere Abweichungen von der Serie gab, kann ich naturgemäß heute nicht mehr feststellen. Den K70 habe ich, wie ich bereits schrieb, mit 0 km aus dem Bestand bekommen und musste dabei die von mir ungeliebte Lackierung goldmetallic in Kauf nehmen. Nach 12 Monaten, wie bei WA üblich, habe ich den K70 verkauft. Nachfolgend erwarb ich ein gelbes Audi 100 Coupe S, das ich ebenfalls nur ein Jahr fuhr. Letzteres war ein Fahrzeug, das die Werkstatt nur selten außerplanmäßig besuchen musste. Damit habe ich viel von Europa bis hin nach Finnland gesehen. Ich liebte dieses Auto, konnte dann aber doch den 911ern (die es vorübergehend wegen der VW-Porsche Vertriebsgesellschaft für VWler auch mit WA-Rabatt gab) nicht widerstehen.
Ich stimme zu, dass der Rosttod bei damaligen Autos sehr verbreitet war und für den K70 dürfte das ebenfalls zutreffend gewesen sein. Den Vogel schoss der von Ihnen erwähnte Alfasud ab. Ein Bekannter aus Hannover hatte sich einen "frühen" Alfasud (trotz meiner Warnung) gekauft und ist bereits beim ersten TÜV nach 2 Jahren mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Der wäre zwar noch reparabel gewesen, aber die Reparaturkosten waren dem Besitzer zu hoch. Er hat ihn gleich verschrotten lassen.
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irgendwo habe ich einmal gelesen, dass der K70 mit 1,8 Litern und 100 PS einen Motor vom Audi 100 gehabt haben soll? Kann das stimmen? Oder war das vielleicht ein Umbau?
Der 1.8 Liter Audi war eine eine Mercedesentwicklung, weil der Motor zu laut war, wurde der Motor nicht in Mercedes eingebaut.
wesentliche Konstruktion: über Kette seitlich angetriebene Nockenwellen im Motorblock, Stösselstangen, Kipphebel, neben einander stehende Ventile.
Der K70 Motor war von dem Luftgekühlten NSU Motor abgeleitet, der von VW verändert wurde, aber der Kern war NSU.....
wesentliche Konstruktion: über Kette im Zylinderkopf obenliegende Nockenwelle, V förmige angebrachte Ventile, die auch über Kipphebel von der Nockenwelle direkt angetrieben wurden.
zwei grundverschiedene Motoren..... Peter Rodenberg
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