Die Versteigerung im Festivalzelt in Gstaad gehört bereits zu den Traditionsveranstaltungen und bildet jeweils den Abschluss des Auktionsjahres. Im mondänen Gstaad, wo schon Roger Moore zu skifahren pflegte, war es am Sonntag, den 29. Dezember 2019 wieder soweit und das Interesse war gross.
46 Automobile, drei Motorräder und ein Traktor kamen zwischen 17:00 und 19:40 unter den Hammer. Der Gesamtwert der der Fahrzeuge lag, inklusive des nachgemeldeten Monteverdi, bei rund CHF 7,5 Millionen (oder EUR 6,8 Millionen).
Das Publikum zeigte sich begeisterungsfähig, im Schnitt wurden 80 Prozent des mittleren Schätzwerts geboten, auch international wäre dies ein guter Wert. Allerdings lagen die Gebote doch bei vielen Autos unter dem (nicht offengelegten) Mindestpreis des Einlieferers, weshalb 23 Fahrzeuge oder 46 Prozent des Angebots nur unter Vorbehalt zugeschlagen werden konnte. Erfahrungsgemäss dürfte rund die Hälfte dieser Lots nach Nachverhandlungen doch noch verkauft werden, womit sich die Verkaufsquote von 28 Prozent auf etwa 51 Prozent erhöhen würde.
26 Prozent der Fahrzeuge wurden definitiv nicht verkauft.
Breites Markenspektrum
32 Marken waren im Gstaader Festivalzelt vertreten. Ferrari war mit fünf, Porsche mit vier (und einem Traktor), BMW und Alfa Romeo waren mit je drei Wagen repräsentiert.
Für die meisten Marken durfte es allerdings nur ein Auto sein, so etwa für Alvis, Audi, Jensen, Lagonda, Sbarro oder Studebaker.
(Fast) alle Jahrzehnte zwischen ab 1931 vorhanden
Im Schnitt waren die Fahrzeuge fast 48 Jahre alt, das Altersspektrum allerdings war gross. Drei Wagen vertraten die Dreissigerjahre, darunter ein sportlicher Lagonda 2 Litre Low Chassis Tourer von 1931. Die Vierzigerjahre wurden ausgelassen, ab dann aber war jedes Jahrzehnt präsent.
Die Vorkriegsautos gehörten offenbar nicht zu den Lieblingen des Publikums. Sie blieben unverkauft.
Zehn Fahrzeuge waren erst im Youngtimer-Alter oder gehörten gar zu den Neoklassikern. Hier zeigten sich die Bieter eher vorsichtig, nur gerade ein Ferrari Testarossa von 1992 und ein Wiesmann Roadster MF3 von 2001 wurden ohne Vorbehalt verkauft.
Aushängeschild Ferrari 250 GT Lusso
Sicherlich das wertvollste Auto der Versteigerung war ein Ferrari 250 GT Lusso aus dem Jahr 1964. Für viele Maranello-Fans gehört dieses Coupé zu den elegantesten Schöpfungen der Marke überhaupt, kein Wunder sind die Preise von einst wenigen hundert Tausend Franken/Euro auf heute siebenstellige Summen gestiegen, zumal ja nur 350 dieser Wagen, deren Technik praktisch der des 250 GTO entsprach, gebaut wurden.
Das angebotene Coupé mit Chassisnummer 5849 sah in seiner roten Lackierung nicht nur auf dem Katalog sondern auch in Natura im Zelt äusserst attraktiv aus. Kein Wunder war das Interesse gross. Zwei Telefonbieter steigerten sich bis auf CHF 1,45 Millionen hoch, am Schluss fehlte nur wenig, als dass der Wagen beim Hammerschlag verkauft worden wäre. “Unter Vorbehalt” ging der Lusso an einen der beiden Telefonbieter.
Der nachgemeldete Monteverdi
Sehr kurzfristig vor der Versteigerung gelangte noch ein Monteverdi High Speed 375 L aus dem Jahr 1976 nach Gstaad. Als Schätzwert für das Coupé, das einst von Kaufhauskönig Horton erstanden worden war, wurde CHF 220’000 bis 250’000 genannt.
So hoch wollten die Bieter aber nicht gehen, CHF 145’000 reichten nicht für einen definitiven Zuschlag, der Wagen dürfte wohl unverkauft an den Einlieferer zurückgehen.
Überraschender Studebaker
Ein Studebaker Golden Hawk Supercharged aus dem Jahr 1957 entpuppte sich zur grössten Überraschung der Versteigerung.
Anstatt der geforderten CHF 65’000 bis 75’000 liess sich der Käufer zu einem Höchstgebot von CHF 80’000 hinreissen, womit das elegante Coupé für CHF 89’600 (inkl. 12 % Kommission) in eine neue Garage fand.
Sifferts Chevron kommt ins Museum
Gespannt war man auch auf das Abschneiden des Chevron B18 Formel 2-Rennwagens von 1971 gewesen, mit dem der Schweizer Rennfahrer Jo Siffert einst zum König von Bogota wurde.
Die Gebote erreichten genau den unteren Schätzwert, womit der Monoposto für CHF 106’400 in ein Schweizer Museum kommen dürfte.
Risiko lohnte sich
Nur ein Auto wurde ohne Mindestgebot versteigert, es handelte sich um einen Jaguar E-Type V12 Roadster von 1973. Das attraktive rote Cabriolet mit Hardtop (selten!) stand mit CHF 65’000 bis 75’000 im Katalog.
Nach einem beherzten Bieterkampf gelangte der Jaguar für CHF 81’200 in neue Hände.
Aus der Region für die Region?
Fast aus der Nachbarschaft von Toffen, wo die Oldtimer Galerie bekanntlich jeweils im Frühling und Herbst eine Versteigerung durchführt, stammte der Alvis TC 108 G Graber Special von 1957. Auf der Basis des britischen Alvis-Chassis erstellten die Kunsthandwerker von Herrmann Graber vor über 60 Jahren eine elegante Coupé-Karosserie, die noch heute kaum etwas von ihrer Attraktivität verloren hat. Nur 15 dieses Coupés wurden gebaut, und keines war gleich wie die anderen.
CHF 115’000 bis 125’000 schien ein günstiger Einstandspreis für eines dieser handwerklich hochstehenden Autos zu sein, doch mehr als CHF 95’000 wurden nicht geboten. Es bestehen aber intakte Chancen, dass der Wagen nach Nachverhandlungen einen neuen Besitzer findet.
Wolf (fast) im Schafspelz
Der Alpina-BMW B9 von 1985 sieht abgesehen von eleganten Alpina-Rädern und den typischen Alpina-Verzierungen auf der Flanke eigentlich kaum anders aus als ein bei BMW gebauter E28. Doch mit der 3,5-Liter-Maschine ging der BMW deutlich besser und der präsentierte Wagen sah wirklich attraktiv aus.
Ein nicht vor Ort anwesender Bieter hatte die Latte bereits schriftlich hoch genug angesetzt, so dass ihm der BMW verkauft werden konnte und zwar für CHF 45’920. Ein exklusives Spassmobil zu einem fairen Preis.
Superklassiker (noch) nicht verkauft
Unter den nicht verkauften Wagen fanden sich einige Autos, die eher überraschend stehenblieben.
Der Mercedes-Benz 190 E 2.5-16 Evo 2 von 1990 etwa gehört normalerweise zu den gesuchten Youngtimern, der Audi Quattro (Ur-Quattro) von 1982 hat ebenfalls eine grosse Fangemeinde. Auch für den Ferrari Testarossa mit nur einem Aussenspiegel wurden schon deutlich höhere Summen geboten als in Gstaad.
Und auch an den wunderschön restaurierten Maserati Ghibli 4700 von 1968 wollte sich kein Bieter so richtig heranwagen. Ob die Herrschaften sich einfach zurückhielten, um später nachzudoppeln? Man weiss es nicht, jedenfalls blieben die Wagen ohne genügend hohe Gebote stehen.
Da erging es anderen Klassikern wie etwa dem Ferrrari 512 BBi von 1982, dem Sbarro 550 Maranello “large” von 2000 oder dem Porsche 356 B 1600 Super Cabriolet von 1960 besser, hier wurden zumindest Beträge geboten, die eine Nachverhandlung sinnvoll machen.
Das Interesse in Gstaad war jedenfalls gross, die Stimmung im vollbesetzten Festivalzelt gut und die im Schnitt durchaus nennenswerten Gebotspreise zeigen, dass kaufkräftige Kundschaft vorhanden war. Man kann also sicherlich auf eine Neuauflage der Auktion im Jahr 2020 hoffen.
Angebotene und verkaufte Fahrzeuge
Die folgende Tabelle listet alle angebotenen und verkauften Fahrzeuge mit Schätzpreisen, Höchstgeboten und Verkaufspreisen. Die Preis-Umrechnung erfolgte zum am Auktionstag gültigen Tageskurs. Alle Angaben ohne Gewähr.
Lot | Fahrzeug | Jahr | CHF Est von | CHF Est bis | CHF HG | CHF VP | EUR VP | % Est | S |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
101 | MG B Roadster | 1968 | 20'000 | 25'000 | 20'000 | 22'400 | 20'608 | -0.44%
|
V |
102 | Fiat 600 D Multipla | 1967 | 30'000 | 40'000 | 25'000 | N | |||
103 | BMW 635 CSi | 1982 | 35'000 | 40'000 | 30'000 | U | |||
104 | Land Rover 86 Series 1 | 1954 | 30'000 | 35'000 | 26'000 | U | |||
105 | Harley-Davidson FXSTSSE2 CVO Softail Springer | 2008 | 25'000 | 30'000 | 17'000 | N | |||
106 | Wiesmann Roadster MF3 | 2001 | 70'000 | 80'000 | 67'500 | 75'600 | 69'552 | +0.8%
|
V |
107 | Jaguar E-Type V12 Roadster | 1973 | 65'000 | 75'000 | 72'500 | 81'200 | 74'704 | +16%
|
V |
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