Um Missverständnissen vorzubeugen, sei zu Beginn dieses Berichts klargestellt: Angesichts der über 180 Toten, welche die Flutkatastrophe im Juli 2021 im Westen Deutschlands rund um Baden-Ahrweiler gefordert hat und der Existenzverluste ist der Schaden an Gegenständen selbstverständlich zweitrangig.
Doch das Wasser hat auch vor den Fahrzeugen nicht Halt gemacht und da stellt sich schon die Frage, wie es Oldtimern ergangen ist, die Opfer der Wassermassen geworden sind. Denn gerade bei klassischen Fahrzeugen wird man oft eher an eine Rettung denken, selbst wenn das im Extremfall wirtschaftlich nicht immer vernünftig sein mag.
Erste Hilfe für Charlotte, die Britin
Genug der Vorrede. Kommen wir nun also zu unserer Protagonistin und Patientin: Charlotte. Sie ist ein rechtsgesteuerter MG TC von 1948 und den Namen hat ihr der Eigentümer verpasst. Der rote Roadster war im Sommer bis zur Unterkante des Armaturenbretts – welches seinen Namen noch ganz zu Recht trägt – in den schlammigen Fluten versunken.
Kurz danach kam Charlotte in die fachkundigen Hände von Jürgen Kress aus Herzogenrath bei Aachen, einem Spezialisten für US-Cars mit einem Herz für Oldtimer.
Dieser nahm zunächst noch vor Ort in der Garage des Eigentümers "Erste-Hilfe-Maßnahmen" an Charlotte vor. Damit sich der Schlamm nicht auf dem Auto festsetzen konnte, wurde es erstmal abgewaschen und das schlammige Wasser aus Motor, Getriebe und Differential abgelassen. Sicherheitshalber wurde auch der Benzintank geleert. Das mag sich alles vielleicht etwas unspektakulär lesen. Doch im Motor befanden sich immerhin 10 Liter Wasser, das muss man sich erst mal vorstellen...
Spülen und Putzen
Danach wurde der MG in die Werkstatt gebracht und in den Wochen danach von Jürgen Kress und seinen Helfern Sarah und Anouar systematisch behandelt. Motor, Getriebe und Differential wurden mit einem speziellen Gemisch ausgespült, danach wurde ein Ölwechsel gemacht. Und danach gleich noch einer. Der Tank wurde ebenfalls ausgespült und mit neuem Benzin plus einem Additiv für ältere Motoren befüllt. Auch die Benzinleitung wurde durchgespült und eine neue Benzinpumpe eingebaut. Der Vergaser wurde ausgebaut und gereinigt.
Sodann wurde der Verteiler gereinigt und instandgesetzt. Ferner wurden sämtliche Bowdenzüge zerlegt und gefettet. Selbstverständlich wurden die Bremstrommeln geöffnet, die Bremsen neu gemacht und eingestellt, zugleich wurde die Bremsflüssigkeit erneuert. Auch das Lenkgetriebe wurde geöffnet und gereinigt.
Natürlich hatte auch die Elektrik durch die Flut gelitten. Daher wurden sämtliche Kontakte und die Zündspule erneuert. Weiterhin wurden die Lichtmaschine und der Anlasser zerlegt und überholt. Zudem wurden alle Leuchten wurden gereinigt und die Kontakte nachgearbeitet. Erfreulicherweise waren die Bordinstrumente jedoch trocken geblieben und brauchten daher nicht aufbereitet werden.
Holz, Leder und Blech erhalten
Nun besteht ein kerniger britischer Roadster jener Jahre ja nicht nur aus Blech, sondern auch aus Holz und Leder, was selbstredend einige Arbeit erforderte... Die beigen Ledersitze wurden zunächst mit Schwamm und Seife gereinigt und dann an der Luft getrocknet. Danach wurde das Leder konserviert. Auf diese Weise konnte die Patina erhalten bleiben.
Auch die Türen brauchten Zuwendung: die Verkleidungen wurden geöffnet und das Holz in den Türen bearbeitet. Auch die Metallstreben in den Türen wurden ausgebaut und – nachdem sie entrostet worden waren – wieder eingebaut. Spätestens, wenn man diesen Roadster auf der Bühne hat und von unten betrachtet, fällt einem spontan das Wort "Holzfussboden" ein, denn hier gibt es noch jede Menge Holz! Daher fragte sich der Verfasser, der Charlotte von Zeit zu Zeit einen Besuch abstatten konnte, ob das Holz wohl nach der Flutung und dem Abwaschen noch gerettet werden könnte.
Kaum zu glauben, aber es konnte komplett erhalten werden. Dazu wurde das Holz getrocknet, leicht angeschliffen und danach geölt. Die Teppiche wurden allerdings erneuert und natürlich wurde auch der Lack noch aufgearbeitet.
Einiges an Arbeit
Alles in allem musste in den kleinen Roadster eine Menge Arbeit investiert werden, bis er so dastand, wie es jetzt der Fall ist. Und sicher wurde in dieser Beschreibung noch das eine oder andere Detail vergessen. Mit Spannung erwartete der Berichterstatter daher, auf welche Anzahl von Arbeitsstunden der Werkstattchef nun kommen würde. Alles in allem waren es 85 Stunden – angesichts des Umfangs der Arbeiten hätte man weitaus mehr vermuten können.
Die alte Dame Charlotte jedenfalls ist jetzt wieder gesund und sieht klasse aus. Nun ist sie fertig zum Saisonstart!