Irgendwann ist genug, sagte sich André Trigano. Mit über 90 Jahren werden andere Dinge wichtig. Schon vor vier Jahren hatte der Senior rund 50 Citroën durch Artcurial versteigern lassen, jetzt folgten weitere 167 Automobile, die er in seiner aktiven Sammlerzeit erworben hatte.
Zudem kamen ein Boot, ein Wohnwagen sowie einige Modell- und Kinderautos sowie Automobilia unter den Hammer.
Ein echter Sammler
André Trigano verfiel schon früh dem Automobil. Er nahm an der Tour de France teil, in Le Mans und auch an der Rallye Monte Carlo, die er sogar hätte gewinnen können. Er war ein Camping-Pionier, als er das Zeltgeschäft seines Vaters ausbaute und zur Blüte brachte. Und er war jahrzehntelang Politiker. Doch seine Liebe zum Automobil erlosch nicht.
So begann er nach seiner Rennfahrerkarriere Autos unterschiedlichster Couleur zu sammeln. Besonders angetan hatten es ihm die eleganten Autos der Dreissigerjahre, aber er hatte auch ein Faible für schöne Sportwagen. Über die Zeit kamen weit über 200 Autos zusammen, die er mit einem Team von drei Spezialisten in Schuss hielt und restaurierte. Ein veritables Museum entstand. Am Wochenende wurden immer ein paar Autos bewegt, doch mit zunehmendem Alter wurde dies zunehmend schwieriger. Seine Nachkommen zeigten wenig Interesse an den alten Autos, die viel Unterhalt erforderten und so entschied sich Trigano, die Sammlung zu verkaufen. Am 13. September 2020 wurden nun nach den Citroën, die bereits 2016 in Paris veräussert wurden, die übrigen Klassiker versteigert.
165 richtige Autos
Neben einigen Modell- und Kinderautos, einem Campingwagen, einem Boot und zwei veritablen ÖV-Bussen waren es insgesamt 165 Autos, die ab 14:00 unter den Hammer kamen.
Die Versteigerung im Südwesten Frankreichs in der Nähe von Toulouse dauerte bis kurz nach 19:30 Uhr, also insgesamt 5,5 Stunden, die Auktionsveteran Hervé Poulain auf dem Podium verbrachte, um immer wieder das vor Ort, am Telefonapparat oder im Internet mitbietende Publikum anzufeuern. Das Publikum vor Ort war dabei in guter Stimmung, immer wieder wurde applaudiert und gelacht.
Standschäden befürchtet
Fast alle Trigano-Autos waren Museumsfahrzeug, d.h. sie wurden teilweise schon über Jahre nicht mehr gefahren. Entsprechend notierte denn auch Artcurial, dass die Autos verkauft würden, wie sie dastünden und vor Fahren auf öffentlichen Strassen noch Arbeiten fällig sein würden, in vielen Fällen sogar einer kompletten Überholung bedürften. Dies hinderte die Bieter allerdings nicht daran, teilweise mehr als das zwanzig- oder fünfzigfache des Schätzwerts zu bieten.
Einige der Fahrzeuge sahen so aus, dass noch nicht einmal eine Restaurierung möglich sein würde …
Fast alle Autos ohne Mindestpreis, die Gebote weit über den Schätzwerten
Mit Ausnahme von fünf Fahrzeugen wurden alle Autos ohne Mindestpreis aufgerufen. Doch nur gerade bei 18 Wagen erreichten die Gebote nicht mindestens den mittleren Schätzwert! Im Gesamten wurde der mittlere Estimate im Schnitt um das 2,77-fache übertroffen!
In vielen Fällen dürften sogar Rekordwerte erzielt worden sein, zumal auch manches Auto unter den Hammer kam, das noch nie an einer internationalen Versteigerung gelandet ist vorher.
Das Durchschnittsalter der Fahrzeuge lag bei 66 Jahren, 70 Fahrzeuge stammten aus der Vorkriegszeit.
Ergebnis weit über den Erwartungen
Insgesamt erwirtschafteten die Artcurial-Leute mit Hervé Poulain am Hammer EUR 3,851 Millionen, was deutlich über den erwarteten EUR 2,742 Millionen lag. Pro Wagen wurde im Schnitt EUR 22’788 anstatt EUR 16’223 realisiert, also rund 40 Prozent als erwartet. Ob sich alle Käufer der Bieterkommission von 17 Prozent bewusst gewesen waren?
Der rote Lamborghini 400 GT 2+2 aus erster Hand
Den Lamborghini 400 GT 2+2 mit Chassisnummer 01231 kaufte sich Trigano damals als Neuwagen, weil ihm die Form gefiel und weil er ein tolles Autobahn-Auto war. Seither hatte er ihn nicht mehr hergegeben. Neu lackiert sah er immer noch fast aus wie neu, was bei nur 33’800 gefahrenen Kilometern auch nicht überraschte. Bei einer Probefahrt mit André Trigano soll jener gesagt haben: “Cette voiture représente 50 ans de ma vie!”
Nur 247 Exemplare des Modells 400 GT wurden gebaut, entsprechend selten ist er. Noch seltener dürfte ein Ersthandfahrzeug sein wie dieses. Dies sahen auch die Bieter ein, allerdings erreichte das Höchstgebot gerade einmal den unteren Schätzwert, der Verkaufspreis inklusive Bieterkommission lautete auf EUR 468’000.
Deutlich besser lief es für den Aston Martin DBS V8 von 1970, den Trigano damals mit Auslieferungskilometerstand (2000 km) fast neu gekauft und nicht mehr hergegeben hatte. Weil der Aston linksgelenkt, handgeschaltet und bisher nur 23’529 km gelaufen war, repräsentierte er eine echte Trouvaille. Dies war offenbar den Bietern klar, denn sie gingen bis auf EUR 155’000 und schliesslich landete der Wagen für EUR 181’350 deutlich über dem Estimate (EUR 90’000 bis 130’000) in einer neuen Garage.
Ebenfalls teurer als angekündigt wurde ein Rolls-Royce Phantom V als James Young Limousine von 1962 verkauft. Der neue Besitzer des eleganten Wagens, der einst Charles Aznavour gehörte, was zu einer längeren Chanson-Inszenierung ab Auktionspodium führte, zahlte schliesslich EUR 175’500.
Weniger gut lief es für den Facel-Vega HK500 von 1960 und den Lancia Aurelia B24S von 1957, die jeweils am unteren Ende der Erwartungen verkauft wurden.
Echte Überflieger
70 Autos wurden mindestens doppelt so teuer zugeschlagen, wie es der mittlere Schätzwert erwarten liess. An der Spitze fand sich ein Peugeot 106 Electric von 2001, den Trigano einst als Promotionsfahrzeug – als Politiker wollte Trigano die Elektromobilität fördern – einsetzte. Er zeigte sich praktisch noch im Neuwagenzustand mit 6134 km auf dem Tacho.
Weil die Batterien fehlten wurde das Elektroauto von Artcurial auf EUR 50 bis 100 eingeschätzt, die Gebote aber gingen bis EUR 4500, also das 60-fache des mittleren Schätzwerts, hoch, so dass der neue Besitzer EUR 5265 zahlen musste für das immobile Fahrzeug.
Mehr als das 20-fache des Estimates zahlte ein Interessent für einen Fiat 500 D.
Auch betragsmässig überraschend war das Abschneiden eines Pontiac Grand Safari 455ci von 1973. Geschätzt auf EUR 6000 bis 10’000 zahlte der neue Eigner eindrückliche EUR 47’970 für den Kombi.
Auch bei den drei Lincoln Zephyr V12 Coupés, die in eher bedauerlichem Zustand unter den Hammer kamen, setzten erbitterte Bieterkämpfe ein, die schliesslich zu deutlich höheren Geboten als erwartet führten.
Französische Exoten am laufenden Band
Was Triganos Sammlung sicherlich aussergewöhnlich machte, waren die vielen französischen Raritäten der Zwanziger- bis Fünfzigerjahre, die unter den Hammer kamen. Wer hat schon je einen Matford oder einen Mathis gesehen? Und auch Hotchkiss, Berliet, Chenard & Walcker, Licorne, Rosengart oder Unic gehörten nicht gerade zu jenen Marken, denen man häufig begegnet.
In Gibel aber kamen gleich 3 Amilcar, 1 Benjamin, 4 Berliet, 7 Hotchkiss und 10 Simca unter den Hammer, um nur einige Beispiele zu nennen.
Während einige dieser Autos komplett restauriert dastanden, musste man bei anderen eher von einem Wrack oder Scheunenfund sprechen. Das Bieterpublikum aber liess sich begeistern und für manche Ruine wurde überraschend viel bezahlt.
Ein Einzelstück war der von einem Künstler gestaltete Renault 4 par Aman aus dem Jahr 1967. Hier waren die Erwartungen mit EUR 30’000 bis 60’000 sehr hoch, wurden aber mit einem Verkaufspreis von EUR 49’140 fast egalisiert. Dies könnte durchaus ein Rekord für einen Renault 4 gewesen sein.
Auch BMW und Volkswagen
Die Sammlung Triganos enthielt auch viele nicht-französische Autos, vor allem die Amerikaner hatten es ihm angetan.
Doch wer die Lotliste durchkämmte, stiess auch auf ein VW 1303 Cabriolet von 1973 (verkauft für EUR 30’420) und eine 1300er Limousine (EUR 11’700) stossen, einen BMW 750iA (EUR 12’870), einen 2000 CS (EUR 25’740) oder einen Riley RMB von 1950 (EUR 17’550).
Auch zwei Porsche waren dabei, ein 924 von 1980 (EUR 3510) und ein 911 Carrera 3.2 SC Cabriolet von 1986 (EUR 81’900).
Auch Youngtimer
Zwar galt Triganos Liebe den Vorkriegsautos und den Wagen der Fünfzigerjahre, er kaufte aber trotzdem bis in die Neuzeit Autos, die er einfach behielt nach der aktiven Nutzung.
So liess sich sicherlich der Audi TT 1.8 T von 2001 (verkauft für EUR 16’380) oder der VW Phaeton W12 von 2004 (EUR 12’285) erklären. Auch ein Renault Vel Satis V6 3.0 L von 2002 (EUR 5850) war dabei oder ein Renault Clio Baccara von 1992 (EUR 8775).
Ingesamt lief es also ausgezeichnet für Artcurial in der Nähe von Toulouse. Alle Fahrzeuge verkauft, 100% Verkaufsquote, Gebote deutlich über den Erwartungen. Da ging sogar Corona für eine Weile vergessen.
Angebotene und verkaufte Fahrzeuge
Die folgende Tabelle listet alle angebotenen und verkauften Fahrzeuge mit Schätzpreisen, Höchstgeboten und Verkaufspreisen. Die Preis-Umrechnung erfolgte zum am Auktionstag gültigen Tageskurs. Alle Angaben ohne Gewähr.
Lot | Fahrzeug | Jahr | EUR Est von | EUR Est bis | EUR HG | EUR VP | CHF VP | % Est | S |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
101 | Citroën 2CV AZA2 | 1974 | 2000 | 3000 | 5500 | 6435 | 6949 | +157.4%
|
V |
102 | Panhard Dyna X 86 berline | 1952 | 3000 | 5000 | 18'000 | 21'060 | 22'744 | +426.5%
|
V |
103 | Panhard Junior X87 Cabriolet | 1954 | 15'000 | 20'000 | 30'000 | 35'100 | 37'908 | +100.57%
|
V |
104 | Triumph Spitfire MK IV | 1972 | 8000 | 12'000 | 14'000 | 16'380 | 17'690 | +63.8%
|
V |
105 | Triumph TR4A IRS | 1965 | 15'000 | 20'000 | 22'000 | 25'740 | 27'799 | +47.09%
|
V |
106 | Peugeot 201 C berline | 1933 | 1500 | 3000 | 4500 | 5265 | 5686 | +134%
|
V |
107 | Peugeot 201 BR Coach | 1934 | 2000 | 4000 | 4200 | 4914 | 5307 | +63.8%
|
V |
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