Es ist genau 50 Jahre her, dass die Marke Ferrari eine Tochterfirma namens “Dino” auf eigene Räder stellte. Damit steht 2016 ein runder Marken-Geburtstag an: Dino, das wissen die Verehrer der Marke und ihrer vorwiegend sechszylindrigen Modelle, war abgeleitet vom Vornamen des Ferrari-Sohnes Alfredino, der an der Konstruktion des erfolgreichen Formel 1-Motors der 50er Jahre großen Anteil hatte.
Der Motor als Auslöser
Fast jeder Dino trägt heute noch die Gene seiner Schaffenskraft: Ein kurzhubiger 65 Grad-V- Sechszylinder wird über drei weitgehend frei atmende Weber-Doppelvergaser in stetige Aufruhr versetzt, garniert von einem nutzbaren Drehzahlband bis über 8000/min und einer Geräuschkulisse, welche die Fahrerlager der Fünfzigerjahre diskret in Erinnerung holen kann.
Jeder Dino, der bei zuvorkommender Pflege über die letzten 50 Jahre gekommen ist, atmet heute noch frei und dreht gerne hoch, wovon die trompetende Saugmelodie akustisch Kunde gibt.
Im Testbericht attestierte Autor Etienne Cornil in den Sechzigerjahren in der Schweizer Automobil Revue: „Für eine Maschine mit nicht weniger als 80 PS pro Liter ist der Dino- Motor erstaunlich geschmeidig; man kann ihn gewiss nicht als leise bezeichnen. Und was man von ihm hört, erweckt sofort die Erinnerung an die Zwölfzylinder aus Maranello und erregt die Freude der Zuhörer”.
Dem ist bis heute nichts hinzuzufügen.
Vom Motor zu insgesamt vier verschiedenen Fahrzeugen
Nachdem Ferrari den Dino-V6-Motor damals gern in der Formel 2 einsetzen wollte, was eine homologierte Jahres-Stückzahl von mindestens 500 Stück erforderte, kam als Stückzahl-Multiplikator rasch eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Fiat- Konzern in die Gänge.
Zusätzlich zum Dino-Mittelmotor-Coupé Dino 206/246 aus der Ferrari- Fertigung kamen die beiden Alternativ-Modell von Fiat als Cabrio – Design by Pininfarina – und Coupé – Design by Bertone – auf die Räder.
Alle drei Modelle verfügen über mehrere Ausbaustufen des aufwendigen Doppelnocken-Motors, der mit allen Hubraum-Varianten von 2,0 bis 2,4 Liter stets sehr kurzhubig ausgelegt blieb, dabei ausgesprochen feurig im Charakter.
Ohne Dino-Schriftzug musste der Lancia Stratos auskommen, der den 2,4-Liter-Sechszylinder ebenfalls quer vor der Hinterachse trug und vor allem im Rallye-Sport für Furore sorgte.
Die Dino Historie endete mit dem Modell 308 GT4 (Baujahre 1974 bis 1980). Auch dieses Coupé wurde wieder von Bertone karossiert und in Maranello gebaut. Er trug den ersten Ferrari-V8-Motor für Strassenfahrzeuge, der die Geschichte der Marke Ferrari bis heute begleitet. Erst beim Modell 308 wurde nach einigen Jahren das Typzeichen von Ferrari mit dem springenden Pferd montiert. Nach dem Bau des letzten Dino 308 GT4 erlosch Dino als Marke im Jahr 1980.
Ausfahrt zum Jubiläum
Zur Jubiläums-Ausfahrt des Dino-Registers drehte man also im tiefen Respekt vor dem halben Jahrhundert Geschichte des Motors gelegentlich über 7000/min. Es tönt bis heute angenehm aufregend, und die Gegend um den Jubiläums-Stützpunkt Garmisch teilte die oben beschriebene „Freude beim Zuhören“ auf ergriffene Art und Weise. Rund 50 Coupés und Cabrios der exotischen Marken waren im Bergland rum um die Zugspitze versammelt. Sie bliesen zur Jubiläums-Tournee über die Hochtäler von der Karwendel bis zur Ortschaft Namlos und fädelten die zahlreichen Mautstraßen dazwischen auf, die mittels geschmeidiger Anpassung an die Kalenderlage der „Eisheiligen“ zum diskreten Test von Heizung und Defroster einluden.
Heimlicher Star – auf Anfrage jedoch klar als „Primus inter Pares“ tituliert (lat. für: Erster unter Gleichen) - war einer der raren Dino 206 mit Zweiliter-Mittelmotor, der extra aus Italien angereist war. Er intonierte im Duett mit einem der raren Lancia Stratos im Rallye-Trimm der frühen Jahre, und alle mitreisenden V6-Antriebe tönten im symphonischen Crescendo ihrer Aluminium- oder Gussmotorblöcke nach der klassischen Partitur des Alfredino Ferrari.
Es wurde gefahren, was die Bergstraßen hergaben. Das Hahntennjoch lud zur Befahrung exakt zwei Stunden nach der saisonalen Frühjahrseröffnung. Man blies im Spider mit offenem Dach an den Schneewänden des Spätwinters entlang, der sich erst zögerlich zum Frühling wandeln mochte. Und man schraubte hie und da ein wenig, sobald Benzinpumpe oder Masseschleife im Kofferraum als Pausenfüller dazu einluden. Wer in die Benzingespräche der Teilnehmer eintauchen mochte, der erfuhr eine behutsame Einführung in die Kunst der Gleichteile-Verwendung: Vorderachse und Getriebe analog Fiat 125, Hinterachse eng verwandt mit der des Fiat 2300 Coupé, die Lage in der Ersatzteilversorgung ist vergleichsweise relaxt, was diese Brocken angeht. Auch bei den späteren 2,4 Liter Dino bediente man sich aus dem Fiat-Baukasten und verwendete das modernere Fahrwerk, Sperrdifferenzial und ZF-Getriebe des Fiat 130.
Ab 1969 wurden übrigens alle drei Modelle in Maranello montiert, das ZF Getriebe passte etwas besser zu den jetzt höheren Drehmomenten der feinen Motoren. Damit war die Grundlage geschaffen für eine Preisentwicklung sämtlicher Sammlerstücke, die heute in Ehrfurcht-gebietenden Gebrauchtpreisen münden. Praktisch alle Modelle liegen aktuell im sechsstelligen Bereich und alle wurden auf Jubiläums-Tournee bewegt, als wäre ein neuer Kotflügel in etwa an jeder Ecke zu haben.
Das 50. Jubiläum blieb – von ein paar munteren Schraubeinlagen unterbrochen – eine fehlerfreie Geburtstags-Tournee für vier großartige Automodelle (Dino 206/246, Fiat Dino Spider und Coupé, Lancia Stratos, Dino 308 GT4), bei der auch Gastmodelle gern gesehen waren: Da rollten Fiat 124 Spider und moderne Cinquecento als geschätzte Gäste im Tross mit. Die Muttermarke Fiat eint sie heute alle, ebenso wie die Abstammung von Ferrari und die Tatsache, dass die meisten ohne das Ferrari-Typzeichen des Cavallino Rampante auskommen mussten.
Auch so war ein Fußgänger-Auflauf zu jeder Fahrtpause garantiert. Die Grußformel der Nicht- Eingeweihten lautet stets auf die Worte „Mein Gott, sind die hübsch,“ gefolgt von der Frage, warum das Ferrari-Pferdchen hier verborgen bleibe? Die Eigner können die Begründung im Schlaf hersagen, die werdenden Fans der Marke nach kurzer Zeit ebenso. Krönendes Intermezzo war die Aussage eines Jugendlichen nach Schnellbleiche in Sachen Dino-Historie: „Das ist nur fast ein Ferrari, aber er klingt beinahe wie zwei...“.
Mission erfüllt, so würde man in Maranello sagen, besser: „Missione assolvato.“