Die diesjährige Sonderschau der 25. Techno Classica in Essen, die vom 10. bis 14. April 2013 stattfindet, trägt den Titel „Automobile Masterpieces“ und zeigt die Haute Couture des Automobilbaus – die elegantesten und schönsten Designerkreationen aus der Hoch-Zeit des Karosseriebaus. Die zwölf ausgestellten Edelkarossen sind allesamt Unikate und wurden von der Crème de la Crème der Karosserie-Manufakturen der 1930er bis 1940er Jahre eingekleidet.
Deren Karosserie-Gestaltungskunst hat eine lange Tradition: Individuell nach Kundenwünschen gefertigte Fahrzeuge entstanden seit der Frühzeit des Automobils meist auf der Basis von Fahrzeugen, die nur in kleinen Stückzahlen hergestellt wurden. Viele Autos von Luxusherstellern wie Talbot Lago, Bugatti, Delahaye oder Maybach galten selbst schon als Schönheiten – doch mit Karosserien beispielsweise von Saoutchik und Figoni et Falaschi aus Frankreich oder Autenrieth und Erdmann & Rossi aus Deutschland wurden sie zu Kunstwerken.
Zu sehen sein wird ein Delage D6-70 von 1936, karossiert von Figoni, eines der schönsten Autos, die in Le Mans (ihre Klasse) gewonnen haben. 1935 hatte Delahaye die Firma von Louis Delage übernommen und wollte mit motorsportlichen Erfolgen das Image aufpolieren. Eigens für Le Mans wurde dieser Wagen, dessen Dreiliter- Sechszylinder-Motor über rund 100 PS verfügte, 1936 gebaut. Die leichte, geschlossene Rennsportkarosserie hatte Joseph Figoni mit fast freistehenden Kotflügeln versehen. Wegen Generalstreiks wurde das Rennen 1936 abgesagt und der Delage präsentierte sich auf verschiedenen Concours d’Elegance. Im folgenden Jahr konnte das Coupé seine Renntauglichkeit beweisen: Louis Gerard und Jacques de Valence wurden Klassensieger und belegten den 4. Platz im Gesamtklassement.
Präsentiert wird ein Talbot Lago T 150 C Teardrop Coupé mit einer Karosserie von Figoni et Falaschi aus dem Jahre 1938. Dieses wunderschöne Coupé ist ein Höhepunkt des französischen Stromlinien-Designs. An die 16 Exemplare dieser sogenannten „goutted’eau“-Coupés (Teardrop, Wassertropfen) bauten die Pariser Joseph Figoni und Ovidio Falaschi - der ausgestellte Wagen war der einzige mit langem Radstand. Und er ist nicht nur bildschön, sondern auch schnell: er gewann1948 den Klassensieg beim 24h-Rennen von Spa.
Der Bugatti 57 C mit Gangloff-Karosserie von 1939 hat eine interessante Geschichte. Der langestreckte Roadster mit den verkleideten Hinterrädern galt lange Jahre als Saoutchik-Geschöpf, bis die Geschichte recherchiert werden konnte: Dem Erstbesitzer gefiel der Entwurf der Pariser zwar, er war ihm aber zu teuer, so dass er Gangloff in Colmar den Auftrag gab. Der elegante Wagen gewann u.a. 2010 den Concours bei der 2. Schloss Bensberg Classic.
Das Delahaye 135 MS Coupé mit Pourtout-Karosserie wurde als Stromliniencoupé 1946 auf der Motor Show in Paris präsentiert. Das Chassis – übrigens das Gleiche wie beim erfolgreichen Delahaye Le Mans-Rennwagen. Bei der Karosserie ließ sich die französische Karosserieschmiede Pourtout von Vorkriegsentwürfen ihres früheren Mitarbeiters Georges Paulin inspirieren, der 1940 als britischer Geheimagent von den Nationalsozialisten ermordet wurde.
Beim Talbot Lago T26 Grand Sport mit Saoutchik-Karosserie folgt entgegen dem Gestaltungsleitsatz der Designer die Funktion der Form. Der bekannte Pariser Karossier Jacques Saoutchik schuf dieses Kunstwerk 1948 – sieben Jahre später musste er seinen Betrieb einstellen.
Geschichtlicher Hintergrund zum Karosseriegewerbe
Der Begriff Karosserie entstammt dem Französischen (carosse = Kutsche). Bereits im Altertum haben sich Wagenbauer und ab dem Mittelalter die Stellmacher mit der Gestaltung von Fahrzeugen und deren Aufbauten beschäftigt. Zu Beginn des Automobilbaus ließen sich betuchte Kunden Aufbauten nach eigenen Wünschen auf Fahrgestelle der Automobilhersteller fertigen. Mit dem Übergang von der Kutschenform zur Automobilkarosserie nach der Jahrhundertwende entstand so auch ein neues Handwerk – das der Karosseriebauer. Mit zunehmender Serienfertigung richteten auch die Automobilfabriken eigene Abteilungen für die Karossierung ihrer Fahrzeuge ein.
In den Zwanzigerjahren, mit der Verbreitung des Automobils, wurde auch das äußere Erscheinungsbild immer wichtiger. Zusätzlich zum Statussymbol wurde das Auto auch zum Schmuckstück seines Besitzers und die Karosserie zum Unterscheidungskriterium im Straßenverkehr – Kunst und Design hielten endgültig Einzug in den Automobilbau. Damit begann die Blütezeit des Karosseriehandwerks und die Entwicklung zur Karosserieindustrie. Und bald nahmen auch künstlerische Reformbewegungen und Stilrichtungen wie Art Deco und Neue Sachlichkeit Einfluss auf die Formgestaltung, ebenso wie die Aerodynamik, die zu den Stromlinienkarosserien der 1930er Jahre führte.
Die von der Fahrzeug-Bodengruppe getrennte Karosserie der klassischen Automobilkonzeption ermöglichte eine große Vielfalt im Karosseriebau. Zwar war bereits 1922 mit dem Lancia Lambda das erste Automobil mit selbsttragender Karosserie und 1925 mit dem Hanomag 2/10 PS „Kommissbrot“ die erste Ponton-Karosserie (bei der die Radhäuser in den Karosseriekörper integriert sind) präsentiert worden. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sich diese funktionalen Karosseriebauweisen durch. Den „Carosseriers“ war damit die unverzichtbare Basis ihres Schaffens genommen.