Wer als letzte Messe die "Auto e Moto d’Epoca" in Padova besucht hat und nun zwischen dem 2. und 4. Dezember 2022 die Retro Classics Bavaria in Nürnberg betragt, der wurde zunächst das Gefühl nicht los, Opfer eines Sparprogrammes zu sein. "Facettenreich und bunt ist die Szene, die ohne Frage unter der Corona-Pandemie litt - keine Messen, weniger oder keine Treffen, keine Märkte…" fasste Karl Ulrich Herrmann die Situation im Messemagazin zusammen. Die deutsche Szene wurde dabei wohl stärker in Mitleidenschaft gezogen als die italienische, denn in Padova war von der Pandemie bis auf ein paar wenige Maskenträger kaum etwas zu spüren.
Trotzdem war die sechste Auflage der Messe in Nürnberg kein Flop, denn sie zeigte sich mit gut 25’000 Quadratmetern in zwei Hallen für die Oldtimer zwar klein, aber fein. Rund 20'000 Besucher wurden gemäss Veranstalter gezählt, am Samstag sei regelrecht die Hölle los gewesen, meinte ein Aussteller.
Spannende Fahrzeuge
Es gab manches interessante Fahrzeug zu sehen, auch einiges, was man im täglichen Leben wohl kaum mehr zu Gesicht bekommt. Zu den Highlights zählte sicher der vermutlich wertvollste VW Käfer KDF Typ 82e. Der KDF Wagen war eines der wichtigsten Projekte der NS-Organisation. Mit einem Preis von 990 Reichsmark wollten die Nazis das Fahrzeug für jedermann erschwinglich machen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden lediglich 3206 Fahrzeuge produziert.
Beim ausgestellten Käfer handelte es sich um einen KDF-Wagen des Typs 82e, der damals eine Spezialanfertigung für die Wehrmacht war. Dieser Wagen wurde im Mai 1943 an das Heereszeugamt in Kassel ausgeliefert. Drei Jahre später wurde das Fahrzeug an einen Privatmann in der Tschechoslowakei verkauft, bevor ihn Hermann Walter 1987 wieder zurück nach Deutschland holte und komplett restaurierte. Seit der Restaurierung befindet sich de KDF-Wagen in der Hermann Walter Sammlung in Kaunitz. Der Wertzuwachs von 990 Reichsmark auf angeschriebene 320’000 Euro ist sicher nicht alltäglich.
Vergessener Peugeot
Der Peugeot 301D von 1935 wurde im November im französischen Department Gironde zugelassen. Viel ist aus dieser Zeit nicht über die graublaue Limousine überliefert, wohl aber, dass man ihn zum Jahreswechsel 1940/41 zum ersten Mal versteckte, um eine Requirierung im Zuge der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen zu verhindern.
2006 erblickte er im wahrsten Sinne des Wortes wieder das Licht der Welt. Als ein Haus abgerissen wurde, entdeckte man die französische Limousine wieder. Eine Zeitmaschine, von der man sich wünscht, sie könnte etwas über die vergangenen Jahrzehnte erzählen.
Der andere Rallye-Lancia
Beim Thema Lancia im Rallyesport denkt man fast automatisch an den legendären Stratos, der die Rallye-Szene der Siebzigerjahre mit den Weltmeistertiteln 1974, 1975 und 1976 beherrschte. Was kaum jemand mehr weiss ist, dass auch die Coupé-Version des Lancia Beta bei Rallyes eingesetzt wurde und dies durchaus mit Erfolg.
Das Beta Coupé sollte nach den Machern in Turin ein sportliches Image bekommen und wurde so gewissermassen als Rückendeckung für da Mittelmotor-Monster Stratos 1974 und 75 in die Rallye Markenweltmeisterschaft entsandt - mit Erfolg: Das Duo Simo Lampinen / John Davenport demonstrierte eindrucksvoll, dass auch mit Frontantrieb Rallyeerfolge möglich sind und half mit, die Rallye-Markenweltmeisterschaft 1974 und 1975 zu sichern.
Raritäten
Ein Kunstwerk im Karosseriebau stellt mit Sicherheit der Talbot-Lago T26 Grand Sport von 1948 dar.
Der von Jacques Saoutchik in Paris karossierte Wagen war in Nürnberg mit 3,5 bis 4 Millionen Euro ausgeschrieben.
Eine ganz spezielle Seltenheit aus Brasilien war der gezeigte Volkswagen Ghia TC mit einem 1600er Typ 3 Käfermotor. Von den Fahrzeugen sind lediglich sechs in Deutschland bekannt. Selbst Oldtimerkennern ist dieses Modell fast unbekannt.
Abseits der grossen Marken
Die Marken Porsche und Mercedes waren natürlich auch an der Retro Classics Bavaria stark vertreten. Dafür musste man Audi oder andere grosse Marken fast suchen. Deutlich besser repräsentiert war die japanische Marke Mitsubishi, denn in einer Sonderausstellung wurden besondere und rare Exponate der auch aus dem Rallyesport bekannten Marke gezeigt.
Zu sehen waren der damals sensationell schnelle Lancer Turbo, aber auch ein Lancer Kombi aus den Siebzigerjahren, von dem es hierzulande heute wohl weniger Exemplare gibt als von manchem Ferrari Sportwagen.
Erfreuliche Vielfalt
Wer durch die beiden grossen Hallen lief, es gab in zwei weiteren Hallen noch die ADAC-SimRacing-Ausstellung zu besuchen, konnte sich über mangelnde Vielfalt nicht beklagen.
Andere Messen mögen grössere Fahrzeugmengen zeigen, in Nürnberg gab es aber doch einige Trouvaillen zu bewundern, die sich vielleicht nicht auf den ersten Blick offenbarten. Aber gerade, weil die Messe übersichtlich blieb, blieb genügend Zeit, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
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