Es war Mitte der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts, als erstmals ein Bergrennen durch den Ort Opfertshofen im Kanton Schaffhausen organisiert wurde. Eigentlich hätte man gleich auch einen Zweiländerpreis ausrufen können, denn die deutsche Grenze liegt nur wenige Kilometer von Opfertshofen entfernt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Tradition wieder aufgenommen, bereits 1948 gab es wieder ein Opfertshofer Bergrennen, organisiert von der ACS-Sektion Schaffhausen. Die Automobil Revue schrieb damals:
“Ein ungewöhnlich hoher Prozentsatz von Mitgliedern der ACS-Sektion Schaffhausen, nämlich etwa 40 von rund 200, hatten den Wunsch geäussert, den sportlichen Bewegungsdrang einmal an einem Bergrennen zu befriedigen. zur Erfüllung dieses Verlangens wurde eine interessante Strecke im äussersten Nordzipfel ausgewählt, die vor nahezu zwei Dezennien Schauspiel einer Bergprüfungsfahrt gewesen war. Der 3,7 km lange Parcours Bibertal-Opfertshofen-Büttenhardt verlangt allerdings hinsichtlich der Absperrung einen grösseren Organisationsapparat. Um zur Deckung der Unkosten eine grössere Zuschauermenge mobilisieren zu können, sollte natürlich der geschlossene Anlass möglichst attraktiv gestaltet werden. Zu diesem Zwecke erging eine Einladung an eine grössere Zahl bekannter Fahrer aus der benachbarten Zürcher Sektion, die denn auch in der Gästeklasse für einen recht lebhaften Rennverlauf sorgten … “.
Man sprach damals von einer gut erhaltenen, rund 4,5 bis 5 Meter breiten Strasse und einer mittleren Steigung von knapp sechs Prozent bei einer Höhendifferenz von 204 Metern. Auf der 3,7 Kilometer langen Strecke waren immerhin 24 Kurven zu bewältigen.
Das Bergrennen von 1948 musste nach einem Unfall von Rudolf Seyffer abgebrochen werden, immerhin aber hatte er vorher mit seinem MG eine Rekordzeit von 3 Minuten 30 Sekunden (Schnitt 63,45 km/h) geschafft.
1950 fand das Rennen zum nächsten Mal statt, wiederum war der Veranstaltung ein “erfreulicher sportlicher Erfolg” beschieden. Die Zuschauermassen waren allerdings nicht so gross wie 1948. Den Gesamtsieg errang H. Helbling auf einem Ford, er liess sich die Rekordzeit von 3:27,6 (64,16 km/h) notieren. Die AR erwähnte zur Strecke folgendes: “Die immer noch grösstenteils belaglose Strasse mit ihren 24 teilweise kitzligen Kurven stellte an Maschine und Fahrer grösste Anforderungen.”
Kein Wunder, kamen auch berühmte Rennfahrer wie Dätwyler oder Hammernick gerne nach Opfertshofen, zumal die Gegend ja einen wirklich malerischen Anblick bietet.
Jubiläum verpasst
Ähnlich wie die ACS-Mitglieder 1948 muss es René Meier und seinem Team gegangen sein. Bereits für das Jahr 2020 hatten sie eine Memorial-Veranstaltung geplant gehabt, um den 70 Jahren, die seit dem letztem Bergrennen am 11. Oktober 1950 vergangen waren, Tribut zu zollen. Doch es sollte nicht so sein, Covid-19 kam dazwischen, der Anlass musste verschoben werden.
Weitere 70 Jahre wollte natürlich niemand warten und darum wurde dann am 10. Oktober 2021 zum Memorial Bergrennen Opfertshofen gestartet.
Natürlich war ein Rennen in der alten Tradition nicht mehr machbar, entsprechend begnügte man sich mit Schaufahrten von mehr oder weniger rennsportlichen Fahrzeugen. Gefahren wurde auf einer deutlich kürzeren Strecke, die vom ursprünglichen Start bis zum Dorfanfang von Opfertshofen führte. Rund 900 Meter lang war die Strecke, rund neun Kurven mussten bewältigt werden. Diese hatten es aber durchaus in sich, wie einer der teilnehmenden Piloten im Interview meinte. Jedenfalls sei er auf den 900 Metern mehr gefordert gewesen als etwa beim Bergrennen von Steckborn.
Fahrerlager im ganzen Dorf verteilt
Das Fahrerlager wurde hinter dem Ziel im Ort Opfertshofen eingerichtet. Praktisch an jeder Ecke parkte eines der Teilnehmerfahrzeuge, an denen auch immer wieder geschraubt wurde. Der Zutritt zum Fahrerlager war genauso wie jener zu den Zuschauerzonen an der Strecke kostenlos. Für das leibliche Wohl sorgten viele adhoc eingerichtete Gaststätten und Beizli, die allerdings mit einigem Ansturm zu kämpfen hatten.
Die Besucher, die mit zunehmender Sonneneinstrahlung immer zahlreicher nach Opfertshofen strömten, kamen zu guten Teilen aus der Region. Man kannte sich untereinander und es herrschte insgesamt eine fröhliche und gelöste Stimmung.
Professionell organisiert
Dass der Zeitplan problemlos eingehalten werden konnte und die Piloten viel zum Fahren kamen, das lag auch an der guten Vorbereitung, die das Team um René Meier seit März 2021 geleistet hatte. Natürlich war von Zeit zu Zeit etwas Improvisation nötig, aber mancher grössere Anlass könnte sich von der in Opfertshofen gezeigten Professionalität eine Scheibe abschneiden.
Vor allem fühlte man sich willkommen und es gab kaum etwas, was die Laune trüben konnte. Auch Langeweile kam nie auf.
Fahrräder, Motorräder und Automobile
An Abwechslung fehlte es sowieso nicht, denn wie vor fast 100 Jahren teilten sich auch am 10. Oktober 2021 Radfahrer, Motorradfahrer und Autofahrer die Strecke. In getrennten Läufen wurden verschiedene Gruppierungen auf die Strecke gelassen.
Das R-Team “Monte Carlo” mit teilweise nicht strassenzugelassenen Rennwagen nutzte dabei die Bergrennstrecke auch für die Rückführung, während die anderen Fahrzeugklassen auf einer Umgehungsstrasse zurück an den Start geführt wurden.
Auch die Motorräder wendeten am Ziel und fuhren wieder an den Streckenbeginn herunter, während die Radfahrer die 900 Meter Bergstrecke eigentlich nur als Teil einer längeren Nostalgierundfahrt nutzten.
Dass diese Radfahrer auch noch mit historischem Material und passender Kleidung fuhren, machte die Stimmung perfekt.
Automobile aus allen Epochen
Während der älteste Wagen, ein Ford Model T von 1909 in der Corso-Klasse fuhr, gab es den beim Publikum wegen seines brachialen Sounds vielbewunderten American La France mit 14,5-Liter-Vierzylindermotor aus dem Jahr 1917 in der Rennklasse zu sehen und hören.
Besonders gut vertreten waren die leichten Sportwagen der Zwanzigerjahre, wie sie vermutlich auch bei den ersten Durchführung der Bergprüfung in Opfertshofen schon am Start waren. So nahmen mehrere Amilcar, Salmson, MG und ein Bugatti die stetig ansteigende kurvige Strecke unter die Räder.
Der Höhepunkt im Teilnehmerfeld aber war wohl der Porsche 911 S von 1970, der in seinem Geburtsjahr die Rallye Monte Carlo gewann, mit Björn Waldegaard am Lenkrad.
In Schaffhausen fand der inzwischen natürlich komplett restaurierte allerdings keine verschneite Winterlandschaft vor, sondern eine Umgebung und Wetterbedingungen, die eher an die Toscana erinnerten. Florian Feustel (Raceline) fuhr den roten 911 am Morgen mehrfach den Berg hoch, musste den Wagen am Mittag aber zurück an die Boxen beordern.
An Vielfalt fehlte es im Feld der über 100 Automobile sicher nicht. Neben den bereits erwähnten Vorkriegsfahrzeugen gab es auch herrliche Sportwagen der Nachkriegszeit und darüber hinaus zu sehen. Auf der Strecke wechselten sich so ein MGA mit einem Fiat Balilla, einem Renault 5 Alpine oder einem Opel Commodore GS ab.
Gut vertreten waren insbesondere die Lancia Delta Integrale, aber auch Kleinseriensportwagen der Sechzigerjahre waren mit Matra Djet oder Marcos repräsentiert.
Unterhaltend und abwechslungsreich
An unterhaltsamen Farbtupfern fehlte es nicht, so fuhr ein Mercedes-Benz 190 E etwa mit Rennrad auf dem Dachträger vorbei und die “Schnellste Badewanne der Welt” kreischte begleitet von mehreren Go-Karts die Strecke hoch.
Für viel Freude und interessierte Blicke sorgten auch die Motorräder, von denen viele aus den Zwanzigerjahren stammten.
Am Mittag meldete sich auch noch die sympathische Schweizer Rennfahrerin Cindie Allemann am Streckenmikrofon.
Rund 4000 Besucher zählten die Organisatoren und waren mit ihrem ersten Revival sehr zufrieden. “Treffen, geniessen, begeistern” als Motto hatte erfolgreich umgesetzt werden können.
Bliebe noch zu erklären, warum man eigentlich beim Opfertshofer Bergrennen vom “Kleinen Klausen” spricht. Auch dies hat natürlich historische Gründe, denn offenbar erinnerte die Streckenführung schon in den Dreissigerjahren an den grossen Bruder Klausenrennen (im Kanton Glarus). Der Begriff bürgerte sich ein und wurde natürlich auch beim Memorial wieder werbewirksam eingesetzt.
Wer wissen möchte, wie es am Memorial Bergrennen Opfertshofen 2021 aussah, der kann sich in den verschiedenen Bildergalerien zu den Autos der Rennklasse “Monte Carlo” , der Kategorie S mit den Teams “Goodwood”, “Bergmeister”, “Nordschleifenfräser”, “Jägermeister” und “Lokalmatadoren” sowie des Oldtimer-Corso inspirieren lassen. Ein Durchklicken lohnt sich gewiss.
Auch dem Film, den das Team um René Meier zusammengeschnitten haben, wollen wir hier einen guten Platz geben:













































































































































































































































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