Irgendwie erinnert die Szene an einen Film, genauer an “The Italian Job”. Dort fährt ein distinguierter Herr eine Passstrasse hoch und lässt seinen Lamborghini Miura aufbrüllen und durch Tunnels röhren. Matt Monro singt dazu sein “On Days Like These”.
Und fast so ist es 48 Jahre später im Engadin, nur dass statt eines blutorgangen je ein gelbes und oranges Exemplar die Serpentine hochbeschleunigen. Und einen Maserati Bora und einen De Tomaso Pantera, sowie viele andere italienische Klassiker im Schlepptau führen. Die Ausfahrt nennt sich Julius Bär Rallye und ist Teil der Passione Engadina, die Paolo Spalluto und sein Team vom 19. bis 21. August 2016 zum fünften Mal organisierte.
Leidenschaft
“Passione” bedeutet in Deutsch Leidenschaft und davon hat Paolo Spalluto jede Menge. Er ist ein Angefressener ein Bewunderer der italienischen Autobauerkunst. Und es gelingt ihm immer wieder, seine Rallye-Teilnehmer zu überraschen.
So ganz nebenbei hat er für die fünfte Ausgabe der Passione Engadina vier Alfa Romeo 33 zusammentrommelt, die er neben anderen Alfa-Romeo- und Abarth-Raritäten im Zelt auf der Via Serlas präsentiert. Es sind fast zuviele Autos für das kleine Zelt, das dazu auch noch spärlich beleuchtet ist. Zu gerne hätten die vielen Besucher die Autos genauer angeschaut.
Für Herrenfahrer
Es ist keine Rallye für Jedermann, dazu sind die Preise zu hoch. Es ist eine Veranstaltung für Herrenfahrer, die nicht wegen des Rasens zusammenkommen, sondern weil sie gute Freunde sind, gerne in distinguiertem Rahmen dinieren und etwas für gute Zigarren übrig haben. Ein italienisches Auto (oder meistens gleich mehrere) haben sie auch noch in der Garage, gerne mit Jahrgang 1980 oder älter, aber es gibt auch eine Spezialkategorie für jüngere Sportwagen.
Alfa Romeo im Zentrum
Die fünfte Ausgabe der Passione Engadina verehrt vor allem die Sportwagen und Limousinen der Marke Alfa Romeo, entsprechend machen diese Modelle denn auch fast das halbe Fahrzeugfeld von nicht ganz 100 Autos aus.
Gleich drei Vorkriegsmodelle des Typs 6C 1750 sind zu bewundern, dazu kommen die wunderschönen Giulias und Giuliettas in Spider- und Coupé-Form, aber auch als Limousine der Nachkriegszeit. Zwei Alfa Romeo Montreal lassen ihren Achtzylinder-Soundtrack ertönen, ein ganz besonderes Exemplar aber zeigt sich unter Schweizer Karosserie.
Graber kleidete in den Nachkriegsjahren mehrere Alfa-Romeo-6C-2500-Fahrgestelle ein, eines hat den Weg an die Passione gefunden.
Gemächlicher Beginn
Der erste der drei Tage ist der Anreise, der Einschreibeprozedur und einer kurzen Schlauchprüfung auf dem Militärgelände von S-Chanf gewidmet.
Dann geniessen die Herrenfahrer ein Filet Stroganoff auf fast 2500 Metern über Meer und erhalten als Beiprodukt auch noch eine wunderbare Aussicht vom Muottas Muragl.
Passfahren
Am Samstag, an der Julius Bär Rallye kommen die Teilnehmer dann zum fahren. Von St. Moritz geht es über Zernez und Schuol nach Nauders, wo die Strasse dann zum Reschenpass hochführt. Wer bis dahin noch verrusste Kerzen hatte, kann jetzt seinem Automobil die Sporen geben und die kurvige Strasse auf den Pass erklimmen, um dann an dessen Ende ins mittelalterliche Städtchen Glurns zu gelangen, wo das Mittagessen serviert wird.
Weiter geht die Fahrt durch das Vinschgau und den Schweizerischen Nationalpark über den Ofenpass zurück nach Zernez und zum Ausgangspunkt St. Moritz.
Einige dieser Strassen gehören zu den attraktivsten Fahrer-Strecken der Welt, einige Teilnehmer hätten sich allerdings noch etwas mehr Nebenstrassen gewünscht statt der grossen und teilweise staugefährdeten Hauptstrassen.
Dass es nach dem Mittagessen zu regnen beginnt und in etlichen Autos der Notstand ausgerufen werden muss, weil die Scheiben partout nicht mehr beschlagsfrei zu kriegen sind, dafür kann der Organisator natürlich nichts.
Fast ein Ruhetag
Am Sonntag ist dann der Concours im Zentrum von St. Moritz angesagt. Bewertet werden die Autos von den Zuschauern, eine Jury braucht es also nicht.
Vorher allerdings dürfen die Piloten ihren Maschinen nochmals die Sporen geben, denn die Gleichmässigkeitsprüfung auf dem Flughafen Samedan enthält auch ein Hochgeschwindigkeitsteilstück.
Mancher ist auch froh, dass es dem Motor so richtig warm wird, denn dadurch heizt sich auch der Innenraum auf, was bei rund zehn Grad Aussentemperaturen durchaus wohltuend ist.
Vater und Sohn
Für die fünfte Ausgabe seiner Passione hat sich Spalluto, der für die Teilnehmer wie ein alter Freund ist, etwas ganz besonderes ausgedacht. Väter, die mit ihrem Sohn oder ihrer Tochter teilnehmen, konnten dies zu vergünstigten Konditionen tun. Der Nachwuchs kommt kostenlos mit.
Zehn solche Paare haben sich gemeldet und es hat sich für sie gelohnt, denn zukünftigen Oldtimer-Fahrer werden von Spalluto je mit einer wertvollen Uhr beschenkt. Und gefeiert. Der Gala-Dinner-Saal ist gerührt und die Sprösslinge geloben wiederzukommen. Auch so kann man Nachwuchsförderung machen.
Leidenschaft für schnelle Autos
Ein Höhepunkt für viele Teilnehmer ist das Podiumsgespräch am Sonntag vor dem Mittagessen.
Die Rennfahrer Arturo Merzario, Miki Biasion und Bruno Giaccomelli, sowie der ehemalige Maserati-Designer Lorenzo Ramaciotti und Paolo Zegna tauschen sich über ihre Leidenschaften aus, moderiert durch Pino Allievi.
Natürlich ist die Stunde, die dafür vorgesehen ist, viel zu knapp, alleine schon Merzario - rettete 1976 Lauda aus dem brennenden Ferrari beim GP Deutschland - hätte mit seinen Anekdoten locker die ganze Zeit bestreiten können. Doch dann wäre den Zuhörern verborgen geblieben, dass Miki Biasion auch im Lastwagen tüchtig Gas gibt oder dass Bruno Giaccomelli einst als Magaziner bei March seine Rennkarriere begonnen hat.
Für Geniesser
Die Passione ist kein Anlass für rennsportorientierte Vielfahrer oder asketische Rund-um-die-Uhr-Langstreckenpiloten, es ist eine Rallye für Geniesser. Gespräche unter Freunden und Buffets mit beindruckender Auswahl sind genauso wichtig, wie das Fahren der raren Klassiker. Natürlich gehören Benzingespräche dazu, aber es wird sicherlich auch über manch andere Themen diskutiert, vor allem über das Preisbarometer rund um die klassischen Autos, etwas weniger leider über die vielen schön restaurierten Oldtimer und Youngtimer auf dem Platz, wie ein Teilnehmer meinte.
Und Paolo Spalluto wechselt stetig von einem Tisch zum nächsten, stellt sicher, dass sich alle wohlfühlen und auch nächstes Jahr wiederkommen. Auf jedes Detail wird geachtet, ob das nun das Bändchen mit Alfa-Romeo-Aufdruck ist, das die Serviette zusammenhält oder die vielfältigen Geschenke, die die Teilnehmer während der dreitägigen Veranstaltung erhalten.
Auch Gewinner
Natürlich gibt es trotz der auf Genuss und Freundschaftspflege ausgelegten Veranstaltungen auch Gewinner. In der Julius Bär Rallye sind es Axel und Domonique Marx im Alfa Romeo 6C 1750 GS Brainza von 1932, Giustino De Sanctis und Claudia Morbiducci auf einem Lancia Aurelia B24S America Spider von 1955, Filippo und Alessandro Forcella im Alfa Romeo Giulia Sprint GT von 1965, Bjorn und Annekatrin Schmidt-Liedl im Ferrari 365 GTB/4 Daytona von 1973 sowie Miki Biasion mit Paola Ramella Paia im Lancia Delta HF Integrale, die in ihren jeweiligen Kategorien obenauf schwangen. Gesamtsieger wurden die Schmidts auf dem Daytona.
Den Zegna Challenge Cup gewannen Giustino De Sanctis und Claudia Morbiducci im Lancia, gefolgt von Axel und Dominque Marx sowie Miki Biasion und Paolo Ramella Paia.
Der Sieger des Concours d’Elégance hiess Alfa Romeo 6C 1750 Gran Sport Compressore, ein wunderhübsches mausgraues Cabriolet aus dem Jahr 1930. Da kann man dem Publikum den guten Geschmack nicht absprechen.
Mehr als tausend Worte (so lange ist dieser Artikel) zeigen Bilder die Essenz der Passione Engadina. Eine zusätzliche Bildergalerie zeigt fast alle Teilnehmerfahrzeuge auf den verschiedenen Prüfungen.
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher