Nur wegen einer langjährigen Tradition muss eine Veranstaltung noch lange nicht gut sein. Positive Überraschungen aber gibt es immer wieder. So sorgte der Internationale Edelweiss Bergpreis Roßfeld im südbayrischen Berchtesgaden am 28. bis 30. September 2018 für eine grosse Überraschung bei manchem Zuschauer, der sich erstmals an die Roßfeld-Panoramastraße aufgemacht hatte.
Die sechs Kilometer lange Strecke allein ist schon atemberaubend, hat sie doch zwischen den beiden, jeweils mit Kehren gespickten langsamen Teilstücken zu Beginn und am Ende ein sehr flüssig zu fahrendes Zwischenstück mit langgezogenen schnellen Kurven zu bieten. Dazu war die Organisation “1A” und als kleines Sahnehäubchen passte auch noch das Wetter.
Erste Rennen bereits vor bald 100 Jahren
1927 wurde die Idee der Deutschen Alpenstraße geboren. Sie sollte den Bodensee mit dem Königsee durch eine Straße längs des Gebirges verbinden, um den Tourismus zu fördern. Die Nationalsozialisten griffen diese Idee 1933 auf und begannen in Inzell mit dem Bau des ersten Teilabschnittes.
Die Roßfeldhöhenringstraße wurde als östlicher Abschluss geplant und sollte in der Strecke Unterau - Oberau - Roßfeld - Obersalzberg - Hinterbrand - Königssee den grandiosen Abschluss der Alpenstraße bilden. Mit dem Bau wurde 1938 begonnen, aber erst in den Jahren 1953 bis 1955 wurde das letzte Teilstück der Roßfeldhöhenringstraße vollendet. Der Abschnitt vom Hinterbrand bis zum Königsee wurde allerdings nie verwirklicht und so endet heute die ursprünglich geplante Deutsche Alpenstraße am Parkplatz Hinterbrand. Damals, in den Fünfzigerjahren, wurde auch der Begriff „Bundesprivatstraße“ erfunden und Mautgebühren sollten die Kosten rechtfertigen und nachträglich abdecken.
Die Roßfeldhöhenringstraße, heute heisst sie Roßfeld-Panoramastraße, ist rund 16 km lang und ihre grösste Steigung beträgt 13 %. Mit maximal 1.560 m ü. Meer stellt sie die höchste durchgehende und ganzjährig befahrbare Straße Deutschlands dar.
Bereits zwischen 1925 und 1928 fanden auf der steilen Sandstrecke von Berchtesgaden zum Obersalzberg Bergrennen mit Motorrädern und Automobilen statt. Das Salzbergrennen lockte renommierte Rennfahrer nach Berchtesgaden. Unvergessen bleibt das Duell zwischen Hans Stuck und Rudolf Caracciola im Jahr 1928.
Ab 1958 war das Rennen auf der Roßfeldstraße bei Berchtesgaden ein internationaler Wettbewerb für Tourenwagen, Grand-Tourisme-Fahrzeuge sowie Sport- und Formel Junior-Wagen. Ab 1961 wurde es als Lauf zur Europa-Bergmeisterschaft gewertet. Bekannte Rennfahrer, wie Sepp Greger, Edgar Barth, Gerhard Mitter, Hans Herrmann, Rolf Stommelen und Johannes Ortner, siegten beim „Internationalen Alpen-Bergpreis Roßfeld“.
Am 8. Juni 1968 kam hier beim Training der zweifache Berg-Europameister Ludovico Scarfiotti am Steuer eines Porsche 910 Bergspyder aus unerklärlichen Gründen ums Leben.
Viel Lokalkolorit
Neben den bekannten Werksfahrern der großen Automobilhersteller starteten in den verschiedenen Klassen ambitionierte Privatfahrer - auch einheimische Autosportfreunde. Fast alles, was vier Räder hatte – vom Porsche bis zum Goggomobil – wurde bergwärts gejagt.
Eine Besonderheit waren die Hartmann Spyder und Formel Junior-Rennwagen aus Berchtesgadener Produktion – leistungsstarke und zuverlässige Fahrzeuge, die durchaus ihre Liebhaber fanden.
Mit der Energiekrise kam 1973 das Aus für das Bergrennen und damit auch für eine der grössten Zuschauerattraktionen in Berchtesgaden.
Vor rund 20 Jahren als historische Veranstaltung neu aufgelegt
25 Jahre später wurde der Geist des Roßfeldrennens von Günter und Heidi Hansmann wiederbelebt und von 1998 bis 2010 fand die Roßfeld Historic statt, in deren Rahmen auch das Bergrennen auf das Roßfeld – natürlich als Gleichmäßigkeitsveranstaltung – organisiert wurde.
Seit 2013 hiess die Veranstaltung dann “Internationaler Edelweiss Bergpreis Roßfeld”, als Macher im Hintergrund stellt Joachim Althammer die Weichen. Bereits zum fünften Mal half auch Botschafter Walter Röhrl tatkräftig mit: "Auch in diesem Jahr habe ich die Rolle des Botschafters wieder gerne übernommen. Denn es geht ja dabei um sehr viel mehr als diese fantastische Strecke und herrliche, historische Fahrzeuge. Der gesamte Erlös der Veranstaltung kommt der Lebenshilfe Berchtesgadener Land zugute, die damit Menschen mit Behinderung unterstützt. Einen schöneren Zweck kann ich mir für eine Motorsport-Veranstaltung doch gar nicht vorstellen." Aktuell wird ein neues Wohnheim mit knapp 45 Betreuungsplätzen gebaut, welches den Zustupf aus dem Gewinn der Veranstaltung dringend brauchen kann.
Volksfest für Einwohner und Touristen
Ende September 2018 gestaltete sich das “Bergrennen” einmal mehr als grosses Volksfest für die Berchtesgadener und die anwesenden Touristen. Fast schien es, als ob der Anlass noch mehr Besucher anziehen konnte als das Oktoberfest in München.
Sie sassen bereits am Freitag stundenlang geduldig und begeistert in der Fussgängerzone, als die über 150 Fahrzeuge vorgestellt wurden, und sie drängten sich am Samstag und Sonntag in die 25 historischen Busse aus ganz Europa, um an die Zuschauerplätze der Strecke gefahren zu werden.
Es war eine wahre Augenweide, den Menschenauflauf von rund 12’500 Fans, fast wie zu den besten Zeiten in den Sechzigerjahren, zu sehen und deren Begeisterung zu spüren. Aber man muss auch wissen, dass eine solche Veranstaltung nur mit den rund 250 ehrenamtlichen Helfern aus der ganzen Region möglich ist.
Vielfältiges und auserlesenes Fahrzeugaufgebot
Das Fahrzeugaufgebot sehr exquisit. Man fand wirklich von allem etwas. Kein Fabrikat dominierte, auch die Porsche 356 oder Mercedes-Benz 300 SL nicht. Nein, zu sehen gab es viele sehr seltene und auch zum Teil kuriose Autos – Rennwagen mit viel Geschichte im Hintergrund.
Stark präsente Vorkriegsfahrzeuge
Die Vorkriegszene war mit vielen tollen Autos vertreten. Zwei Fahrzeuge müssen hier speziell hervorgehoben werden.
Für Spektakel sorgte der Lion Peugeot aus dem Jahre 1909. Mit seinem 2,5 Liter und 45 PS Einzylinder Motor schüttelte sich das ganze Auto im Leerlauf wie ein nasser Hund. Kein Wunder dass er später den Reifen von der Felge schmiss. Da man damals lieber fahren und sicher nicht bremsen wollte, war er ursprünglich nur mit einem Lederband um die Antriebswelle ausgestattet, das mit einem Hebel zusammengezogen werden konnte und dadurch eine gewisse Verzögerung erzeugte. Heute aber ist er aus Sicherheitsgründen mit einer Ducati-Scheibenbremse ausgestattet. Diese brachte aber auch keine Hilfe, als der Wagen wie ein erschrockenes Pferd durchbrannte und schlussendlich in der Wiese bei den Kühen landete.
Kleiner ganz gross
Der Publikumsliebling war der ohrenbetäubende weisse DKW F1 Monoposto von 1931. Man erwartete jeweils mindestens einen Dragster, wenn nicht ein Düsenjet, wenn der Wagen den Berg hochfuhr.