Auf der Suche nach überschaubaren Veranstaltungen mit viel Charakter finden sich immer wieder Überraschungen. Zum Beispiel im ostbelgischen Zolder, wo es seit 1963 eine kleine permanente Rennstrecke gibt. Mit einiger Geschichte übrigens: Zehnmal war ab 1973 die Formel 1 auf Rundkurs in Flandern an den Start gegangen. Noch viel häufiger gastierte die Formel 2. Auch ein tragischer Moment ist mit Zolder verbunden: Gilles Villeneuve starb hier bei der Qualifikation zum Großen Preis von Belgien 1982 nach einer Kollision mit Jochen Mass. Eine durchaus bewegte Geschichte also.
Heute kommen nicht mehr die ganz großen Namen nach Zolder, auch keine Zuschauermassen. Umso sympathischer gelingt jedes Jahr das Festival für Klassikfans, das jeweils Ende Juli vor allem Aktive lockt. Wer nach Zolder kommt, ist mittendrin: Auch dieses Jahr reisten am 20. und 21. Juli wieder viele Rennteams und Besucher aus Belgien, den Niederlande und viele aus Deutschland (und sogar einige aus der Schweiz) zu diesem Wochenende, das sich wie ein gelungenes Zusammenkommen mit Freunden anfühlte: herzlich, unkompliziert und voller Begeisterung. Mit Preisen von 35 Euro für die Tageskarte (und 50 Euro für das Wochenende) blieben auch die Preise auf einem für heutige Verhältnisse angenehmen Niveau. Vor allem die unmittelbare Nähe zu den Akteuren – im Fahrerlager und beim Concours – gilt als ein reizvolles Plus in Zolder. Hier gibt es weder übervolle Parkplätze noch lange Wege.
Auf dem Programm stand zwei Tage viel Aktion auf der knapp vier Kilometer langen Rennstrecke. Schwerpunkt bildete die Youngtimer Trophy mit mehreren einstündigen Rennen. Weil die über 75 gemeldeten Fahrzeuge für einen Lauf zu viel waren, teilten die Veranstalter das Feld in zwei Rennen auf. In der schnelleren Truppe dominierten klar Porsche 911 und BMW. Das etwas volksnähere Feld sah acht Opel Kadett aus unterschiedlichen Jahren auf den ersten zehn Plätzen. "Zolder ist noch Racing pur.", sagt Stefan Eckhardt, einer der Verantwortlichen hinter der Rennserie Youngtimer Trophy. "Hier ist nichts anonym, sondern noch genau so, wie es mit der Serie vor über 30 Jahren begonnen hat."
Ergänzt wurde die Youngtimer Trophy von mehreren Läufen mit GT- und Tourenwagen zwischen 1966 und 1981, dem "Kampf der Zwerge" mit einer herrlich wilden Mischung aus Fiat 500 Abarth über NSU TT hin zu Simca 1000 Rallye; und nicht zuletzt der mit seinem Starterfeld beeindruckende Belcar Historic Cup. "Belcar" steht als Marke für die Belgische Tourenwagenmeisterschaft, und im historischen Format lieferten sich auf dem Asphalt in Zolder mehrere Ford Capri RS 3100 mit Weslake- und Cosworth-Motoren, Corvette ZR-1, Porsche 911 RSR, dazu Ford Escort, BMW und Mercedes-Benz teils sehr engagierte Szenen auf dem Asphalt.
Eleganz vor Geschwindigkeit
Direkt neben dem Fahrerlager hat eine Gruppe um den belgischen Oldtimerexperten Jan Bové zudem wieder einen vielseitig besetzten Concours d'Elegance organisiert – mit immerhin sieben Klassen und knapp 50 Autos, die meist in belgischen oder auch niederländischen Sammlungen zu Hause sind. Zum "Best of Show" wählte die Jury unter Leitung von Leo Van Hoorick, Kurator des Museums "Autoworld" in Brüssel, einen 1935 gebauten Lancia Astura.
Dieses Roadster-Unikat hatte einst Mario Revelli di Beaumont bei Pinin Farina auf Bestellung einer Schweizer Kundin entworfen. In mehr als 50 Jahren in der Schweiz war seine Karosserie massiv verändert worden. Später gelangte das Fahrzeug in Peter Kaus' legendäre Rosso-Bianco-Sammlung und schließlich zu seinem heutigen Eigentümer, dem Niederländer Piet Janssen. Nach zehn Jahren aufwendiger Rekonstruktion gewann der nun wieder äußerst elegante Entwurf in Zolder den ersten Platz. Nach Pebble Beach und Villa d'Este war es der dritte Auftritt des Astura Roadster bei einem Concours d'Elegance – und sein erster Sieg. In Pebble Beach hatte der Roadster im Jahr 2021 immerhin Platz 2 der Klasse für Pinin-Farina-Vorkriegswagen errungen.
Eine Würdigung sprach die Jury dem 1927 gebauten Miller 91 aus. Der einst von Pete DePaolo bei den Indianapolis 500 gefahrene Monoposto ist eine äußerst eindrucksvolle Konstruktion: Unter der kompakten, extrem schlanken Karosserie steckt ein gerade 1,5 Liter großer Reihenachtzylinder, der – kräftig aufgeladen – bis zu 300 PS bei 7000 Umdrehungen leisten soll. Als Ettore Bugatti ihn einst sah, soll er nicht nur zutiefst beeindruckt, sondern auch äusserst inspiriert gewesen sein. Nur den Vorderradantrieb wollte er nicht übernehmen, was an der Tatsache lag, dass ein Ovalkurs ein Fahrwerk weniger vielseitig fordert als das Fahren auf einem kurvigen Kurs.
Der heutige Besitzer des Miller, der belgische Sammler Erwin Beerens, hatte noch vor der Preisverleihung am Sonntagnachmittag die Chance zu einer auch akustisch genussvollen Demofahrt auf der Grand-Prix-Strecke. Mit dabei auch der spätere Concours-Sieger der GP-Klasse: ein Arrows A8 aus dem Jahr 1985, den einst der ehemalige Formel-1-Pilot Thierry Boutsen fuhr.
Für den Demo-Lauf nahm eine andere Rennlegende Belgiens Platz im Cockpit: Christine Beckers, heute 80 Jahre alt, fuhr einst Rallyes, Berg- und Rundstreckenrennen – und sogar mehrmals die Rallye Dakar. Der Arrows-Eigentümer, Adriaan De Maegt, gilt als einer der großen Sammler und Restauratoren historischer Mononposto-Rennwagen in Belgien.
Für alle, die Nähe lieber mögen als Distanz, die Leidenschaft spüren wollen und gute Laune, bot der Historic Grand Prix Zolder 2024 viele charmante Möglichkeiten zum Eintauchen in die Rennsport- und Sammler-Szene. Die ganz große Bühne vermisste hier niemand, im Gegenteil.






































































































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