Kurz bevor der Schnee leise rieselt, wird’s akademisch: Fahrertraining 2012 in Hockenheim, Saisonausklang und letzter Ölwärmer vor der Wintersaison.
Im November kann man sich vor Berichten über das bevorstehende „Akademische“ kaum noch retten, es redet praktisch jeder darüber der ein Produkt auf vier Rädern vertritt: Allein die Namen lesen sich wie das „Who is Who“ der privat organisierten Markenpokale.
Am Start waren 2012 unter anderem mehrere Alfa Clubs (sortiert nach Modellen und Jahrgängen), Audi Interessenten, speziell das A3 Quattro Forum, BMW, geführt von mehreren 02 Clubs, der De Lorean Club Deutschland, das Ford Focus RS Forum, mehrere Käferclubs, das Karman Ghia Forum, Mercedes-Liebhaber wie der MSC-Ladenburg, diverse Miniclubs, die Nissan 350Z Fahrer und ein knappes Dutzend Porsche-Liebhaberclubs, darunter die Elferliste, das 993 Forum, der Club für den klassischen 911 Südwest e.V. und die Zuffenhausener Sportwagenfreunde.
Aber auch bei Marken-übergreifenden Clubs stösst das Ereignis auf großes Interesse, seien es regionale Motorsportclubs vom AvD über den Deutschen Sportfahrerkreis, Carpassion, dazu mehrere Event-Portale wie BlindAd oder Nikon Fotografie. Interessant ist auf jedenfall die physische Präsenz ansonsten teilweise nur virtuell agierender Vereinigungen.
Historie zum Anlass im Zeitraffer
Der Akademische Motorsportclub wurde 1958 von Studenten mit Benzin im Blut der Technischen Hochschule Stuttgart gegründet. Die Begeisterung für den Club ist seither ungebrochen: Vereinseigene Werkstatt, Vereins-Transporter und das für Mitglieder zur Verfügung stehende Sportgerät sorgen bis heute für ein großes Interesse bei den Studenten.
2012 kam es nun zur 45. Auflage des Akademischen Fahrtrainings auf dem Hockenheimring. Erstaufführung war 1966, seither stemmt der Club in Eigenregie die jährliche Aufführung für ambitionierte “Angaser” und solche, die es werden wollen.
Die Sicherheitsstaffel des DMSB garantiert einen hohen Sicherheitsstandard. Halbautomatischer Ausschluss herrscht für Saisonkennzeichenfahrer, denn traditionell findet die Veranstaltung Anfang November statt.
Motorsport für jedermann
Das zweiteilige Event bietet Motorsport zum Anfassen für jedermann. Einerseits gibt es einen Fahrerlehrgang für Straßen-zugelassene Fahrzeuge mit abschließender Gleichmäßigkeitsprüfung, zum anderen ein Sporttraining für Tourenwagen, GTs und Sportprototypen.
Das Schema hat sich gleichfalls seit 45 Jahren bewährt. Wer sich seriennah ausgekämpft hat, der findet anschliessend grandiose Unterhaltung auf professionellem Niveau – und umgekehrt.
Sorgfältige Einweisung
Die Einweisung für alle Fahrer straßenzugelassener Fahrzeuge mit theoretischer und praktischer Unterweisung bietet jedem die Möglichkeit, sein Fahrzeug auf dem Hockenheimring besser kennenzulernen. Die Instruktoren versuchen zudem, das fehlerfreie Befahren der Ideallinie zu vermitteln. Zum Gleichmässigkeits-Test geht es anschließend pro Forma darum, eine vorgegebene Rundenzeit möglichst genau einzuhalten, Abweichungen ergeben Punktabzug.
Abwandlungen des Konzepts werden systematisch ausgeführt: Man pfeift auf die Gleichmässigkeit und rollt mit wachsender Runden-Routine zunehmend flotter um den Kurs, schliesslich kommt der Spaß beim Fahren und die Routine steigt mit der Rundenzahl quadratisch an. Die Punktewertung verkommt zur grauen Theorie und die Freude am Fahren steigt ungemein. Generell gilt, dass man als Fahrer für eine Handvoll Dollar eine ausgedehnte Zeit auf der Strecke zubringen kann. Schnupperkurs in Sachen Racing für ambitionierte Amateure ist so auf eine ganz charmante Art und Weise möglich.
Fahrspass und akribische Messung
Grundsätzlich werden aber alle gefahrenen Rundenzeiten ermittelt, was den Teilnehmern die Möglichkeit zur Verbesserung Ihres Fahrstils oder der Einstellungen des Fahrwerks bietet. Die Einteilung in verschiedene Leistungsklassen erhöht zudem nicht nur die Sicherheit dadurch, dass der fahrerische Anstrengungsgrad über das Leistungsgewicht weitgehend gleichgeschaltet wird.
Die Rundenjagd im Schulterschluss mit halbwegs Gleichschnellen und –starken garantiert auch maximalen Fahrspaß, da bei jedem Lauf halbwegs adäquate Konkurrenten antreten.
2012 konnte man schon ab Freitagabend zur Fahrzeugabnahme kommen, was von vielen Teilnehmern als willkommenes Entspannungsprogramm für das Wochenende wahrgenommen wurde. Die Mühe der frühen Anfahrt am Samstag ließ sich so vermeiden und so war das Ringhotel mit Blick auf die Strecke bereits zum Samstags-Frühstück dicht besiedelt. Professionalität wird dabei weithin sichtbar: Campingmobile im Fahrerlager vermehren sich von Jahr zu Jahr.
Gut organisiert
Die Papierabnahme erfolgt straff organisiert, nachträgliche Nennungen von in letzter Minute als Beifahrer gewonnenen Familienmitgliedern sind klar Routine. Die Boxen füllen sich zusehends mit Fahrzeugen aller Marken, heiße Drinks sind sehr gefragt, schliesslich gibt es 2012 ideales Wetter zur intensiven Erprobung der Nasshaftung moderner Reifenfabrikate - immerhin ist es nicht ganz so eiskalt wie im Jahr davor, als die Streckenposten zur eigenen Erbauung Schneemännchen bauen konnten.
Pflichtprogramm ist das Fahrerbriefing. Streckenerklärung, Fahrereinweisung, Sicherheitsbestimmungen und Flaggenkunde sind angesagt, speziell die gelb-rot gestreifte Flagge wird zur Beachtung warm empfohlen. Für nachdenkliche Minen sorgt das Wetter. Grenzbereichs-Forschung bei messbarem Wasserstand ist nicht jedermanns Sache. Andererseits hat man selten die Möglichkeit die Fahrzeuggrenzen bei Regen zu erforschen, schließlich liegen so die Eigenfrequenzen am Grenzbereich erfreulich niedrig.
Für die straßenzugelassenen Fahrzeuge fahren die Instruktoren für vier Runden den aufgeteilten Gruppen voraus um den Streckenverlauf im Ansatz vorzustellen und die ideale Linie zur gefälligen Nutzung unverbindlich zu empfehlen. Danach gilt es, konstante Rundenzeiten einzuhalten, bei Zeitabweichungen über drei Sekunden drohen Strafpunkte. Der Standard der Rundenzeiten wurde angesichts des Wetters deutlich abgelassen, und dennoch können die Sollzeiten nur von den Wenigsten wirklich eingehalten werden.
Buntes Starterfeld
Beeindruckend das Starterfeld, das aktuelle wie historische Fahrzeuge im bunten Sammelsurium zu bieten hat: Schnelle Käfer und leichte Minis mischen das Feld ebenso auf wie manch ein gekonnt pilotierter Alfa. Bemerkenswert ist neben ehrwürdigen Heckflossen im Feld auch die Teilnahme eines De Lorean, der den anderen Fahrern allein durch seinen Seltenheitswert hohen Respekt abverlangt. Der Nimbus des Unberührbaren verfolgt in von einer Runde zur anderen.
Nicht nur auf der Rennstrecke ist etwas los
Kleine Events am Rande der Strecke unterstreicht das Nebenprogramm locker. Wer gerade nicht fährt, geniesst Fahrerlager-Entertainmant auf hohem Niveau. So beglückt der Porsche-Vollberufs-Rentner Wolf Hendrik Unger, der wenige Tage zuvor noch bei der Soundnacht im Porsche Museum moderierend geglänzt hatte, die wartenden Starter in dem Audi der DMSB-Staffel mit einen engagierten Soundcheck gegen die Ringfeuerwehr, aus dem er souverän als Gewinner hervorgeht. Und die Heizung funktioniert anschliessend in beiden Fahrzeugen deutlich besser als zuvor.
Glimpfliche Ausrutscher
Nicht alle Teilnehmer können den Ring aus eigener Kraft verlassen. Standardproblem sind zahlreiche Dreher speziell im Bereich der Sachskurve, die im Nassen besonders gefühlvoll gemeistert werden möchte. Aber derlei Finessen machen den Reiz am Hockenheimring aus. Durch die großzügigen Auslaufzonen übersteht das Feld praktisch alle Forschungsarbeiten abseits der Ideallinie ohne Schäden am Fahrzeug. Die Folge sind freilich zunehmende Mengen an Kies auf der Strecke, was wiederum die Streckenposten vor dem Tod durch Erfrieren in Langeweile zu retten pflegt. .Nachmittags vereitelt eine sickernde Ölwanne die Möglichkeit, an den Bremspunkten weiter erfolgreich zu feilen, ziemlich definitiv.
Die Teilnehmer im zweiten Lauf sind also gut beraten, besonders behutsam an der Ideallinie zu arbeiten. Die einstudierten Bremspunkte verlieren an Bedeutung gegen hochpräzise ausgeführte Schaltpunkte, speziell beim Runterschalten. Die Rundenzeiten bekommen vorsichtshalber eine Tendenz ins Gemütliche und jeder betet innig darum, dass der Hintermann eine Gentleman sein möge, was den Sicherheitsabstand angeht. Allerdings fährt auch nicht jeder seinen Lauf zu Ende, manch einem war der spiegelglatte Parcours einfach zu anspruchsvoll – oder die Drohgebärden der Hinterleute zu eklatant.
Vom Fahrtraining zum Driftlehrgang
Der Pistenclub aus Nettetal , der Tags drauf seine Abschlußvorstellung am Hockenheimring gibt, hat am Sonntag immer noch Probleme mit dem wenig griffigen Belag in der Sachskurve und deklariert sein Fahrtraining grosszügig zum Driftlehrgang um – zugegebenermassen bei idealen Trainingsbedingungen. Das Akademische hat auch als Wassersport-Veranstaltung auf hohem Niveau richtig Spaß gemacht.
Man darf, genau wie bei einem guten Wein, auf den nächsten Jahrgang gespannt sein. Wir empfehlen die Homepage der unermüdlichen Veranstalter, Akademische Motorsportgruppe Stuttgart, e. V. ) zur gefälligen Beachtung. Parallel zur einsetzenden Eisbeeren-Auslese bei den Weinen wird es im November 2013 ganz sicher wieder ein Fahrtraining unter eisigen Bedingungen gegeben, so viel steht fest. Für Inhaber heisser Herzen genau das Richtige.
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und nächstes Jahr bei trockenem Wetter wieder mit besseren Rundenzeiten.
Beste Grüße - Emanuel