Es geht steil die Strasse hinauf zum frei stehenden Haus. Ich drücke auf die Klingel:“Grüss Gott, ich bin der Walter.“, öffnet sich die Tür. „Grüss Gott, ich bin Holger.“ Ich hatte mich telefonisch angekündigt. Der Mann ist gefragt und unendlich viel unterwegs. Kein Rentnerleben sondern aktiv im Leben, da muss man Termine machen (und pünktlich sein).
„Wir kennen uns.“, eröffne ich die Runde am Esszimmertisch bei Kaffee und Kuchen. „Bei Audi Sport in der DTM.“ Walter runzelt die Stirn, nickt freundlich. Ich führe meine Rolle dort aus. Freundlich nickt er weiter. Dann komme ich auf eine Runde mit ihm auf der Nordschleife - auch im DTM Jahr – als ich bei Audi mehr Klassik-Präsenz entwickeln wollte und wir dort als Sponsor auftraten. „Ja, klar, es hatte geschüttet wie aus Kübeln.“.
Die Nummer 1
Plötzlich scheint er sich auch an mich zu erinnern. Auf jeden Fall erklärt er mir, warum diese Runde so besonders war. Es war das Auto, was sonst, das ihn so fasziniert hat. Ein spezieller leichter Austin Healey mit unendlich viel Power. Ich werde daneben wohl nur als überflüssiger Ballast wahrgenommen worden sein, der 10% zu Ungunsten einer guten Balance und Dynamik mit durch die Kurven gewuchtet werden musste. Die Runde vor 25 Jahren kann er fast so minutiös wie ich herunterbeten.
Unzählige Male habe ich die eine, die Runde mit Walter Röhrl auf der Nordschleife schon mit stolzer Brust im Kreise meiner Petrolheads zum Besten gegeben. Ich kenne sie auswendig. Dass er, der grosse Walter, mich aber erst über eben diese Runde, diese knapp 10 min seines Lebens, an die er sich sogar ganz gut zu erinnern scheint, erkennt, lässt tief in die Person Walter Röhrl blicken. Autofahren ist für ihn fast das Ein und Alles, und er treibt es zur Perfektion. Daher ist und war er auch die Nummer 1.
Grade steht er da
Beim Öffnen der Haustür war mir bereits aufgefallen wie kerzengrade der 1,93m Hüne da in der Tür steht. Wie eine Tanne im Bayrischen Wald ruht er vor einem, wobei er leicht federnd von einem Fuss auf den anderen wogt. Wahrscheinlich fährt er nebenbei noch schnell die Etappe Arganil nach. Dass er das „Du“ so leichtfertig daher gibt, mag nicht zu ihm passen. Aber mit der Zeit hat er sich das „Herr Röhrl“ im Ohr wohl abgewöhnen wollen.
Schnell kommen wir auf das Thema Auto, was sonst. „Selbstfahrende Autos, so ein Quatsch, das kann ich mir nicht vorstellen, dass ich das Fahren aus der Hand geben soll.“ Und dann kommt’s. Er der Porsche Repräsentant, der gerade von einer Porsche-Veranstaltung zurück kommt, schwärmt vom neuen Mazda MX-5. „Den hab ich auf dem Rückweg hierher gefahren. Und glaubt’s mir, ich war 20 Minuten vor den Anderen in Regensburg.“
Klar das diese Anreise nicht über die Autobahn erfolgt war, sondern auf den winkligen Pisten des Bayrischen Waldes.
Ehrlich bis unter die Haut
„Den Mazda hab ich mir gleich bestellt.“ Wohlgemerkt von unterwegs hat er das per Telefon gemacht. So eine diebische Freude hat er an dem leichten, heckgetriebenen, hochdrehenden Klassiker aus Japan. Da kann sich der Regensburger Mazda-Händler freuen.
Und Porsche darf schlucken. Denn aus seiner Meinung hat der Walter noch nie einen Hehl gemacht. Und die zum Mazda und seinem neuen Spielzeug erzählt er jedem Journalisten mit der Freude eines Kindes. Da fragt man sich manchmal, wie es Röhrl trotz seiner zweifellos vorhandenen Fähigkeiten geschafft hat, so lange im Business zu bleiben? Oder blieb er gerade wegen seiner gnadenlos Ehrlichkeit?
Er ist wie er fährt
Die RAC Rallye 1982 verliess er im Zug. Röhrl war schon vor dem Rennen aus dem Rennen. Der Sponsor Rothmans hatte auf ein Dinner vor der Rallye beharrt, auf das der gesundheitlich angeschlagene Weltmeister auf Opel keine Lust hatte. Es kam zum Eklat und zur besagten Zugreise. Ein Auto hatte man wohl nicht mehr für ihn übrig. Man stelle sich das in der Karriere anderer Sportler vor?
Bei Walter Röhrl tat die Sache keinen Abbruch. Seine Ehrlichkeit war geschätzt. Bei den Journalisten sowieso, und ehrgeizige Teamchefs wussten, was sie an ihm hatten, nicht nur auf der Strecke, sondern weit vorher, bei der Entwicklung. „Es ist billiger mit Herrn Röhrl zu fahren als gegen ihn.“, mit dieser Erkenntnis beendete der Audi Technik-Chef seinerzeit das gespaltene bayrische Verhältnis und Ferdinand Piëch holte Röhrl persönlich ins Ingolstädter Team. Und der dankte es: Mit ehrlicher Arbeit, denn ohne ihn wäre der Sport quattro wahrscheinlich eine noch grössere Fehlgeburt geworden.
Unvergessen der Sieg bei der San Remo oder der unvergesslichen Ritt auf der Kanonenkugel, die Herbert Deimel im Innenraum des Audi quattro auf einer Sonderprüfung in Szene gesetzt hat.
WR 70
Dass Walter Röhrl nun bereits 70 Jahre alt ist, mag man gar nicht glauben. So richtig weg war er doch nie. Er ist präsenter denn je, Internet, YouTube und Co liefern die zahllosen Zitate jederzeit nochmals direkt auf den Screen. Abgetreten ist er irgendwie nie. Es gab keinen Abschied von der Strecke. Er ist wohl aufgestiegen, er ist ein Idol. Keiner macht ihm etwas vor. Dafür macht er auch keinem etwas vor. Was Selbstbewusstsein von Arroganz unterscheidet ist Demut. Die hat er, in aller Bescheidenheit und einem Mordsspass am Autofahren.
Alles Gute zum Geburtstag Walter Röhrl
Wer diesem Menschen noch nicht begegnen durfte oder konnte oder ihm näher kommen möchte, der erfährt viel mehr im Buch WR 70, das Freunde und Weggefährten für und über Walter Röhrl und seine Karriere zum runden Geburtstag herausgegeben haben. Seine wichtigsten Weggefährten nutzen die Gelegenheit, über ihre Begegnungen mit dem Genie auf Rädern, zu berichten. Herbert Völker, Christian Geistdörfer, Eckhard Eybl, Helmut Deimel, Gerhard Nöhrer, Jürgen Pippig und Dieter Scharnagl erinnern sich an die großen Röhrl-Momente in ihrem Leben. Feiern Sie mit!
Wer Röhrl mag, dem sind die EUR 29.90 sicher nicht zu viel, auch wenn er schon zwei oder drei Werke über den Regensburger im Regal stehen hat. Zumal die 200 Seiten mit viel schönem Bildmaterial illustriert sind. Das Buch ist schön gedruckt und wo sonst könnte man lesen, dass Rennfahrer Röhrl auf öffentlichen Strassen in seinem ganzen Leben nur eine einzige Radarbusse einfuhr? Und er deswegen schlaflose Nächte erlitt?
Bibliografische Angaben
- Titel: WR 70 - 70 Jahre Walter Röhrl
- Autor: Diverse
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Delius Klasing
- Auflage: 1. Auflage 2017
- Format: 267 x 307 mm, gebunden
- Umfang: 200 Seiten, 82 Farb- und diverse s/w-Bilder
- Preis: € 29,90
- ISBN: 978-3-667-11021-3
- Kaufen/bestellen: Online beim Delius Klasing Verlag , online bei amazon.de oder in der gut assortierten Buchhandlung