Bei Porsche knallen die Korken. 70 Jahre Porsche Sportwagen zelebrieren die österreichstämmigen Schwaben mit grossem Aufwand und viel Tamtam - und auch auf dem Büchermarkt vergeht keine Woche ohne eine neue Publikation zum Thema Porsche. Die Marke hat es geschafft, grosse Anziehung auszuüben. Nur die Porsche Geschichte hat sich in den letzten 70 Jahren nicht verändert. Deshalb lassen wir die Bücher, die zum x-ten Mal die Porsche Geschichte ohne neue Aspekte aufleben lassen bewusst links liegen.
Deshalb widmen wir uns für diese Buchbesprechungen einem Buch, das die Porsche Geschichte künstlerisch in Angriff nimmt.
Bernd Ostmann & René Staud
Mit Bernd Ostmann als Herausgeber und René Staud als Fotograf sitzt hier ein professionelles Team im Cockpit, das die Porsche Geschichte mit einzigartiger Studiofotografie in Szene setzen will. Ostmann, als langjähriger Chefredakteur von Auto, Motor und Sport bekannt, pflegt eine grosse Hingabe zu Porsche. Das Gleiche gilt für den ebenfalls 1951 geborenen Studiofotografen René Staud, der sich in der Werbefotografie seit Jahrzehnten einen Namen gemacht hat, insbesondere und vor allem in Automobilfotografie.
Während Ostmann mit einigen Kollegen von der AMS redaktionell durch die über 306 Seiten führt, sind Stauds Studioaufnahmen für den Bildteil zuständig.
Untermalt wird diese Komposition noch durch Beiträge von Dr. Wolfgang Porsche und Dr. Oliver Blume sowie Rückgriffe auf Bilder aus dem Porsche Archiv.
Copyright 2016, Herausgegeben 2018
Es hat tatsächlich gute zwei Jahre gedauert bis alle von Staud vorgestellen Modelle so akribisch fotografiert waren, wie sich das wohl nur der Meister vorstellen kann. Wahrscheinlich erahnt der Laie nicht mal im Ansatz, welcher Aufwand getrieben wurde, um jedem Modell die nötige Aura zu verleihen.
„Wir brauchen keine Gimmicks.“, lautet Stauds Credo. So wirkt auch ein Grossteil seiner Bilder. Ganz gleich, ob im Studio oder bei Aussenaufnahmen in Szene gesetzt. Egal ob in vor weissem Hintergrund frei gestellter 911er oder ein 356 Carrera GTL Abarth sich in einer Alpenlandschaft präsentiert.
Staud beherrscht das Spiel aus Licht und Schatten, um seinen Anspruch, die Form eines Porsches in einem Bild in seiner höchsten Ästhetik herauszuarbeiten. Die zwei Jahre nimmt man für die Arbeit sicher ab.
Ikonen der Porsche Geschichte
Natürlich stellt das Buch auch eine Auswahl an Porsche Ikonen dar. Selbst, wenn der Titel diesen Gedanken aussen vor lässt, knapp 60 ausgewählte Modelle werden vorgestellt. Und man ist natürlich gespannt, ob die Autorenmannschaft bekannte Ikonen aussen vor gelassen hat, oder neue Ikonen entdeckt hat. Geändert hat sich die Porsche Gesichte in den letzten 70 Jahren bekanntlich nichts. Das mag es manchmal schon ein wenig abgedroschen wirken, wenn man zum xten Mal den selben 917er vorstellt oder den gleichen 356er lobpreist.
Unterm Strich fehlt aber bei der Anzahl der vorgestellten Modelle zumindest in der für unsere Leser eher interessanten Epoche bis Ende der 90er Jahre so manches Modell. Wer einen 914/6 oder einen Dreikantschaber sucht, muss woanders suchen. Das Buch orientiert sich eher am Porsche Mainstream. Und der heisst, frühe 356er, viele 911er inkl. turbo, dann die Transaxle Ära, sowie der Übergang in die Neuerfindung von Porsche ab mitte der 90er Jahre mit dem Boxter.
Dasselbe gilt für die Motorsportgeschichte von Porsche. Auch hier eine Beschränkung auf das Wesentliche, interessant inszeniert die 910er Flotte von 1967, einschliesslich den 910 Bergspyders. Sechs Fahrzeuge auf einem Bild vereint, unterstreichen Porsches damaligen Anspruch, endgültig in den Motorsport-Olymp aufsteigen zu wollen, koste es was es wolle.
Im Text sorgt Ostmann dafür, dass wichtige Fahrzeuge ausführlich von Redakteuren der AMS vorgestellt werden. Dazu bedient er sich eines Kniffs, indem er einfach die zeitgenössischen AMS-Testberichte heranzieht und das Buch damit redaktionell unterlegt.
Was auf den ersten Blick abgegriffen und billig wirken könnte (bereits im Inhaltsverzeichnis sind entsprechende Hinweise), entpuppt sich beim Lesen ein ein wunderbar nostalgischer Rückgriff auf die Ansichten ihrer Zeit. So wurde das jeweilige Fahrzeug bei seiner Vorstellung aufgenommen, beurteilt und für den Leser eingeordnet. Angesichts der schon immer vorhandenen redaktionellen Stärken der AMS sicher keine schlechte Idee.
Zielgerade
Hoppla, EUR 79,00 spielen schon in einer anspruchsvollen Liga. Dafür bekommt der geneigte Betrachter einiges an Staud Fotografien geboten. Für die Historiker gibt es nicht viel Neues zu entdecken. Die Bilder aus dem Porsche Archiv sind zumeist bekannt, die Bildunterschriften eher allgemein gehalten. Konkret wird dieses Buch nicht. Aber das ist auch nicht sein Anspruch. Wie viele Bücher im Jubiläumsjahr macht es sich auf die Suche nach dem Mythos Porsche. Versucht auf seine Art über die Bilder von René Staud der Faszination Sportwagen näher zu kommen. Es spannt einen gelungenen bebilderten Bogen von 1948 bis 2018, wobei die Jahre zwischen 1998 und 2018 nur ein viertel des Buches ausmachen.
Der eher sparsam eingesetzte Text bildet mit Ostmanns Anmerkungen die historische fassende Klammer, während die zeitgenössischen AMS-Berichte punktuell die aus Autorensicht wahren Porsche Ikonen auch im Text präsentieren. Das Buch präsentiert sich seinem Preis entsprechend gut gestaltet. Dass es in erster Linie um die Bilder geht, merkt man daran, wieviel Platz diesen eingeräumt wird. Hier gibt es tatsächlich mehr zu schauen als zu lesen. Und dabei finde sich zuweilen auch eher unbekannte Bilder aus dem Porsche Archiv wieder. Text dagegen kann man eher als sachliche Erläuterung auffassen… Fachlich aber kompetent und wie oben angemerkt dank ihrer zeitgenössischen Betrachtungsweise durchaus anregend in der Lektüre. Was man heute durchaus anders interpretieren würde, wurde damals kontroverser gesehen. Oder möchte jemand dem 911 turbo seine Daseinsberechtigung absprechen?
Unterm Strich sind knapp € 80,– eine Menge Geld für ein Buch. Dafür bekommt man allerdings auch eine Menge Arbeit geliefert, die sich eher in der aufwändigen Fotografie und Studioarbeit niederschlägt als in tief schürfendem Bearbeiten der Porsche Geschichte. Aber gerade das wird manchem Porsche Liebhaber und Fan der Marke besonders gefallen. Wer sich also für die gekonnte Inszenierung von Porsche Modellen interessiert, wird an diesem Buch viel Freude haben. Und dank seiner ansprechenden Gestaltung, kann man es nach dem Blättern auch ruhig mal offen liegen lassen.
Bibliografische Angaben
- Titel: Art of Porsche
- Autor: Bernd Ostmann, René Staud
- Sprache: Deutsch/Englisch
- Verlag: Motorbuch
- Auflage: 1. Auflage 2018
- Format: Gebunden, 240 x 27 x 312 mm
- Umfang: 308 Seiten, 162 Farb- und 12 s/w-Bilder
- ISBN: 978-3-613-04081-6
- Preis: EUR 79,00
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