Alle Jahre wieder, ist man geneigt zu sagen, und trotzdem warten wir immer wieder gespannt auf das neue “Classic Car Auction Yearbook”. Und jetzt ist es da, druckfrisch und direkt nach der Pressekonferenz in Padua abgeholt. Es ist die 23. Ausgabe und die Zahl stimmt direkt überein mit der Startnummer, die der Ferrari 250 GTO auf dem Titelbild trägt. Und traditionell ist auf dem Titelbild der Wagen abgebildet, der im Jahr am teuersten verkauft wurde.
September bis August
Aus historischen Gründen wohl beginnt für die Autoren Orsi und Gazzi das Auktionsjahr am 1. September und endet am 31. August. Für diese Zeitspanne haben sie einmal mehr 5628 Autos von 308 Marken an Versteigerungen verfolgt und sauber, inklusive Chassis-Nummer, Schätzwerte und Verkaufspreise im 418 Seiten starken Buch gelistet. Insgesamt macht dieser tabellarische Teil rund 290 Seiten oder über 2/3 des Buches aus.
Alleine dieser gewichtige Teil, der komplett schwarzweiss daher kommt, ist eine unterhaltsame Lektüre, denn man wird ständig an besondere Autos erinnert und lässt sich immer wieder überraschen, wie teuer (oder wie günstig) einzelne Exemplare verkauft (oder eben nicht verkauft) wurden.
Fast 100 Seiten Kommentare und Statistiken
Der Rest des Buchs teilt sich in Analysen, Kommentare, Statistiken und meist attraktiv aufgemachte Werbeinserate zusammen. Ja, tatsächlich, dieses Buch erinnert trotz der gebundenen Form eher einem Magazin, und dies obschon Credit Suisse als Sponsor auftritt.
Europa nicht günstiger als die USA? Zögerliche Europäer?
Ganz vorne im Buch finden sich die Marktkommentare der vier grössten Auktionshäuser Arcturial, Bonhams, Gooding & Co sowie RM/Sotheby’s. Interessanterweise widersprechen sich die jeweiligen Repräsentatoren untereinander, so beschreibt Artcurial den Markt in Europa als kaum weniger attraktiv als den in den USA, während RM/Sotheby’s die europäischen Einlieferer als eher zögerlich und vorsichtig beschreibt.
Soft oder nicht?
Auch bei der Beurteilung des Markts generell sind sich die Kommentatoren und die Autoren, die ihrerseits ihre Sicht zum Markt, basierend auf dem Datenmaterial, ausführlich darstellen, nicht einig. Für Orsi und Gazzi sind wir nachwievor in einem “Buyers’ Market”, also einem Umfeld, in dem die Käufer und nicht die Verkäufer die Preise definieren.
Für die Auktionshäuser macht dies die Sache nicht einfacher, denn sie brauchen attraktive Fahrzeuge, die zeigen, dass der Markt bei guter Gesundheit ist. Um Besitzer zum Verkauf ihrer Autos zu bewegen, werden auch unorthodoxe Methoden genutzt. So wurden sowohl beim Ferrari 250 GTO als auch beim Aston Martin DP215 Mindestpreise garantiert, so dass der Verkäufer nicht das Risiko eingehen musste, dass der Wagen nicht verkauft würde und somit “verbrannt” wäre. Das Risiko sicherte das Auktionshaus mit finanziellen Transaktionen ab.
Deutlich mehr “no reserve”
Stark zugenommen hat der Anteil der “no reserve”-Angebote, also Fahrzeugen, die unabhängig vom Gebot auf jeden Fall verkauft werden. Noch vor drei Jahren betrug dieser Anteil 10 %, ein Jahr darauf 9% , letztes Jahr 21% und dieses Jahr nun 29 %. Oft erhalten verkaufswilllige Einlieferer nicht aussergewöhnlicher Autos nur noch dann einen Platz in einer hochwertigen Versteigerung, wenn sie einwilligen, den Wagen ohne Mindestpreis anzubieten.
Immer mehr neue Autos
Ein weiterer Trend ist der stetige Anstieg des Anteils neuzeitlicher Autos am Gesamtangebot, obschon das Durchschnittsalter z.B. von 2017 auf 2017 nicht angestiegen ist. Die sogenannten “Comtemporary” Fahrzeuge machten im aktuellen Jahr 15,88 Prozent aus. Interessanterweise ist der Anteil, der verkauft werden konnte, gerade in dieser Kategorie am tiefsten, während beispielsweise beim den Vorkriegsfahrzeugen, die nur noch einen Anteil von gut fünf Prozent innehalten, die Verkaufsquote deutlich höher ist.
Interessante Analysen
Generell sind die von Orsi und Gazzi gezeigten Analysen sehr spannend, ihre Kommentare lesen sich spannend wie ein Krimi. Ihre Erläuterungen zur Wertentwicklung von Scheunenfunden, ihre Auswertungen der Preisentwicklungen einzelner Modelle und gar einzelner Fahrzeugexemplare sind spannend und zeigen, dass die Preise zwar auf breiter Ebene teilweise unter den Höchststand um 2013/2015 gefallen sein mögen, sich aber immer noch auf hohem Niveau befinden. Ganz besondere Exemplare vermögen sogar auch heute noch Rekordpreise zu erzielen, als Beispiel sei etwa der Ex-Surtees-BMW 507 genannt.
Spannend
So ist das Classic Car Auction Yearbook auch in der neuen Ausgabe wiederum ein Werk für Autoliebhaber, die sich auch verstärkt für den Markt und die Preisentwicklung interessieren.
Dass sich die Berichterstattung vor allem auch auf die wertvolleren Fahrzeuge konzentriert, überrascht in diesem Kontext sicher nicht, im Datenteil findet man aber beispielsweise auch neun Lotus Elan, 39 Mercedes-Benz 190 SL oder sieben MG TC. Als Nachschlagewerk und als Kommentar zum Markt ist es sowohl als Sofortlektüre wie auch als Informationsquelle wertvoll.
Bibliografische Angaben
- Titel: The Classic Car Auction Yearbook 2017 - 2018
- Autoren/Editors: Adolfo Orsi und Raffaele Gazzi
- Sprache: Englisch
- Verlag: Historica Selecta SRL
- Auflage: 1. Auflage Oktober 2018
- Format: Gebunden, 24,3 x 31,5 cm
- Umfang: 418 Seiten, rund 1000 Farb- und Schwarzweissabbildungen, viele Grafiken
- Preis: EUR 70.00
- ISBN: 978-88-96232-10-1
- Kaufen/bestellen: Online bei BM Classics oder bei anderen von Historica Selecta empfohlenen Buchhändlern