Schon wieder ein Buch über den Motorsport in den Sechzigerjahren. Haben wir inzwischen nicht alles darüber schon gesehen und gelesen? Halt! Klicken Sie den Artikel noch nicht gleich gelangweilt weg. Denn dieses 320 Seiten starke Werk ist ein wenig anders. Denn eines dürfen wir nicht vergessen: Ohne die Transporterfahrer und Rennmechaniker gäbe es die ganzen anderen Bildbände gar nicht. Hätten sie die Autos nicht zu den Strecken und auf die Strecken gebracht, hätten die ganzen Fotografen überhaupt nichts zu fotografieren gehabt.
Robert Hahn war beides; in der Saison 1968 für Joakim Bonnier, in den Jahren 1972 bis 1974 für Jo Vonlanthen. Am Steuer von Volvo 122 S, Opel Blitz und Saviem SG 2 lieferte er das Einsatzgerät für seine Arbeitgeber an und bereitete es vor Ort auf das anstehende Rennen vor. Immer mit dabei: sein Fotoapparat, mit dem er seine Einsätze in den Werkstätten, Boxengassen und Fahrerlagern dieser Welt ausgiebig dokumentierte – vom lokalen Slalomrennen in der Schweiz bis zu den 12 Stunden von Sebring.
Fahrerlager in Farbe
Obwohl bei seinem ersten Einsatz für Jo Bonnier erst 22 Jahre alt, hat er am Material nicht gespart und überwiegend in Farbe fotografiert. Da Hahn die allermeisten Bilder selbst geschossen hat, finden sich logischerweise erfreulich viele Aufnahmen, die selbst der akribischste Motorsport-Historiker noch nicht gesehen hat. Die Fotos, auf denen Hahn selbst in Aktion zu sehen ist, stammen von seinen Weggefährten Andreas Gross und Kurt Müller.
Die Fotos gefallen neben ihrer für Schnappschüsse überraschend guten Qualität durch ihre ungestellte Natürlichkeit, die den lockeren, bisweilen etwas chaotischen Arbeitsalltag im internationalen Motorsport-Zirkus vor 50 Jahren authentisch abbildet. Zuschauer, die in der Startaufstellung von Sebring den Mechanikern über die Schulter schauen (und sich dabei sogar aufs Auto lehnen), haben damals noch niemanden gestört.
Viel zu erzählen
Da sich natürlich nicht alles nur anhand von Fotos zeigen lässt, schildert Hahn seine Erlebnisse noch ausführlich in Textform. Dabei spart er sich grosse Ausschmückungen, weshalb die erzählte Zeit auch mit vergleichsweise wenigen Worten sehr gross ist und die Geschichten ein hohes Tempo wahren. Etwa wie er bei seiner ersten Ankunft in England den Hafen beinahe gleich wieder unfreiwillig verlassen hätte, wie seine Schwester einmal Bruce McLaren über die Finger gefahren ist oder warum man in der Startaufstellung besser keine Zündkerzen wechselt.
Als einer von zwei Mechanikern der Ecurie Bonnier hat Hahn definitiv einiges zu erzählen. Nicht nur von den üblichen Aufgaben eines Mechanikers (Fahrwerk abstimmen, Motor aufwärmen und – ganz wichtig –Rückspiegel einstellen), sondern auch von seinen Begegnungen mit Motorsportgrössen wie Bruce McLaren und Jack Brabham. Deshalb erschlägt einen die Textmenge beim ersten Durchblättern des Buches ein wenig. Doch wer sich die Zeit nimmt, alles aufmerksam und in Ruhe durchzulesen, wird hier sicher – je nach Leseeifer – einige Wochenenden Beschäftigung finden.
Erläuternde Einschübe – etwa zu Formel-1-Rennen ohne WM-Status, die es heute gar nicht mehr gibt, oder Beschreibungen von Rennstrecken – sind rot statt schwarz gehalten. Persönliche Hintergründe wie Hahns Flegeljahre in den Fünfzigern sind kursiv gedruckt. Kurzbiografien wichtiger Personen erscheinen konsequenterweise rot und kursiv. Als Anhang enthält jedes der drei grossen Kapitel (Bonnier, Vonlanthen sowie die eigene Zeit als Rennfahrer 1985–1995) am Ende eine mehrseitige Tabelle mit allen Rennen, die Robert Hahn als Mechaniker besucht hat, inklusive Fahrer, Auto, Team, Klasse und Resultat.
Fazit
Ja, "Schlaflos im Renntransporter" ist wieder ein Buch über längst vergangene Zeiten des Motorsports. Doch weiss es durch seine ungewöhnliche neue Perspektive zu gefallen. Hier kommt endlich einmal nicht der Rennstrecken-Fotograf, Streckensprecher, Journalist, Teamchef oder Fahrer zu Wort und wiederholt, was inzwischen schon alle wissen; sondern einer der zahllosen unermüdlichen Helfer, die das Spektakel einst am Laufen gehalten haben und für gewöhnlich gerne vergessen werden. Für 79,90 Euro (beim Verlag) oder 79,90 CHF (vom Autor) bekommt man 320 Seiten voller einzigartiger Bilder und persönlicher Geschichten.
Bibliografische Angaben
- Titel: "Schlaflos im Renntransporter – Unterwegs zu den Rennstrecken 1968–1995"
- Autor: Robert Hahn
- Sprache: Deutsch
- Herausgeber: McKlein Publishing
- Auflage: 1. Auflage, November 2023
- Umfang: 320 Seiten, 380 Fotos
- Format: 200 x 300 mm, gebunden
- Preis: EUR 79.90 – CHF 104.90
- ISBN: 978-3-947156-54-2
- Kaufen/bestellen: online bei amazon oder bei McKlein Publishing oder auf der Website des Autoren.