Carl Hahn (1894 – 1961) stand in seinen 67 Lebensjahren 35 Jahre mehr oder weniger ununterbrochen im Dienste von DKW und der Auto Union. Sein leidenschaftlicher Einsatz und seine Hingabe zu DKW sowie dem untrennbar damit verbundenen Zweitaktmotor, haben ihm schon früh den Ehrennamen »DKW-Hahn« in der Branche eingebracht. Unter diesem Titel haben nun sein Sohn, Ex-VW Vorstandsvorsitzender Carl Horst Hahn, und der Nestor der sächsischen Kraftfahrzeuggeschichte, Peter Kirchberg, eine Biografie verfasst, die den Leser fesselnd in den Kontext unternehmerischen Handelns bei DKW und der Auto Union einbindet.
Eine Biografie - zwei Co-Autoren
2012, beim Abschlussbankett der Horch-Klassik, offenbarte sich der ehemalige VW-Manager gegenüber Kirchberg: »Ich möchte eine Biografie über meinen Vater herausgeben und ich weiss auch schon, wer das Buch schreiben wird. Sie!«. »Wenn ein Carl Horst Hahn das will, kann man sich dem nicht verwehren.«, resümiert Kirchberg den Anstoss zum Werden des Buches bei dessen Vorstellung in historisch aufgeladener Umgebung des alten Audi Werks in Zwickau, indem heute das August Horch Museum der Audi Tradition untergebracht ist.
Die Lebensgeschichte eines Unternehmers
Herausgekommen ist eine mehr als 200-seitige Lebensgeschichte über einen Manager, der alle Höhen und Tiefen, die das letzte Jahrhundert bereithielt, durchlebt hat. Sein unternehmerisches Wirken weit über den Einsatz bei DKW und der Auto Union hinaus. Zwei Weltkriege, Wirtschaftskrisen, Inflation, persönliches Lebensglück aber auch die Suche nach sprichwörtlich einem neuen Erwerb nach der Flucht aus Sachsen. Grob lässt sich das Buch in zwei Teile fassen.
Carl Horst Hahn übernimmt den ersten Teil mit der Familiengeschichte und Peter Kirchberg den zweiten Teil mit der Bedeutung Hahns in der Automobilwirtschaft. »Mich interessierte weniger, was für ein Unternehmer Hahn war, mich interessierte, in welcher Zeit Hahn Unternehmer war.«, räsoniert Kirchberg seine Herangehensweise beim Schreiben seines Teils des Buches. Insbesondere der Aufbau von DKW, später die produktiven Jahre bei der Auto Union in Sachsen sowie die Wiederbelebung der Auto Union in den Westzonen, führt Kirchberg im Buch in seiner eloquenten Schreibe eindrücklich und nachvollziehbar aus. Glücklicherweise sind den Verfassern sowohl die Quellen des Privatarchivs der Hahns als auch die Quellen der Unternehmensarchive von DKW und der Auto Union nicht zur Belastung geworden. Im Gegenteil, die Fülle an Fakten, Beschreibungen und das umfangreiche Bildmaterial charakterisieren nicht nur Carl Hahn. Hahns Biografie vereint Wirtschafts-, Technik-, Lebens- und Zeitgeschichte.
Dr. Ing. Carl Hahn
Carl Hahn wurde 1894 in Böhmen geboren. Er machte sein hervorragendes Abitur im Kriegsjahr 1914 und wird mit dem Verlassen der Schulbank eingezogen. Durch glückliche Umstände überlebt er den menschenfressenden 1. Weltkrieg und schliesst sein Studium an der Hochschule für Bodenkultur in Wien ab.
Durch freundschaftliche Vermittlung tritt er 1922 die Stelle eines Sekretärs bei Jörgen Skafte Rasmussen im Zschopautal in Sachsen an, wo er schnell dank seines Einsatzes und seines Talents zum Kaufmännischen Direktor und rechten Hand von Rasmussen aufsteigt. Hahn erkennt das Potential des Unternehmens und seiner Produkte und nicht zuletzt ihm ist es zu verdanken, dass DKW Ende der Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts zur grössten Motorradfabrik der Welt aufsteigt. Ausgezeichneter Kundendienst, Ratenzahlungssysteme, Händlerschulungen und hohe Produktqualität lassen sich auf Hahns Wirken zurückführen.
Getrübt wird das Verhältnis zu Rasmussen, als dieser sein hoch verschuldetes Unternehmen 1931 in der Auto Union AG aufgehen lassen muss. Während Hahn in der Auto Union die Chance für DKW erkennt und deren Gründung mitträgt, wirft Rasmussen ihm Verrat vor. Trotz dieser persönlichen Enttäuschung setzt Hahn sich für die Auto Union ein und macht die Marke DKW zur entscheidenden, tragenden Säule des neuen Unternehmens. Er ist es, der die Initiative ergreift und dem kommenden KdF-Wagen als einziger deutscher Automobilhersteller Paroli bieten will und wird.
Bereits 1935 stösst er die Entwicklung des DKW F9 an, der allerdings erst 15 Jahre später in West und Ost bei der Auto Union GmbH in Ingolstadt und bei der IFA in Zwickau und Chemnitz vom Band rollen sollte.
Schon bald nach der Flucht in die Westzonen setzt er sich für den Wiederaufbau der Auto Union in Ingolstadt ein, übernimmt einen Posten als Geschäftsführer und versucht das Unternehmen mit den sprichwörtlichen DKW-Tugenden zu einem Neustart zu verhelfen. Dabei greift er auf seine Marketing-Expertise zurück, pflegt die DKW-Händlerschaft und ist ein unverbesserlicher Verfechter des Zweitaktprinzips.
Visionär skizziert er bereits 1953 den Zukunftsentwurf der Auto Union für den Nachfolger des DKW F91: »Ein Wagen mit 1,2 Liter Hubraum, Zweitaktmotor und den Innenraummassen eines Fiat 1100 sei ein feiner Wagen, den die Auto Union in Angriff nehmen sollte.«
Vorgestellt wurde der Wagen allerdings erst 10 Jahre später als DKW F 102, nun bereits unter den Fittichen von Mercedes entwickelt. Hahn hat diesen Augenblick nicht mehr erlebt. Der F 102 sollte sich allerdings bald anschicken, dank Mercedes-Viertakter und zum Audi umbenannt, die Auto Union wieder auf die Strasse des Erfolgs zurückzuführen.
Co-Autor Hahn, damals VW-Vertriebsvorstand, sah schon 1965 für VW das Heil in einer Mehrmarkenstrategie des Wolfsburger Konzerns, der Kreis von Vater und Sohn hatte sich geschlossen.
Welche Bedeutung die Auto Union alsbald für VW entwickeln sollte, kann man heute noch an der ersten Generation von Polo, Golf, Scirocco und Co. ablesen. Ingolstädter Know-how verhalf VW aus der selbst eingebrockten Krise. Was sich hier nur in Kürze trotz recht ausführlichen Rezension andeuten lässt, ist im Buch ein eine ausführliche, hervorragend recherchierte und lesenswert ausgeführte Geschichte, die auch dank des ausgezeichneten Bildmaterials das Leben und Werk von Carl Hahn nachzeichnet.
Ausführlich, auch unser Fazit
Im Buch schwingt die Lebenserfahrung von mehr als 170 Jahren der beiden Autoren Hahn und Kirchberg mit. Wer sie über die Zeitumstände in diesem Buch sprechen hört, merkt, dass sie selbst über einige Dekaden der Biografie bestens und aus unterschiedlichen Blickwinkeln Bescheid wissen. Wohl und gerade auch deshalb gelingt es ihnen, weit über das übliche Mass hinaus eine sowohl technik-, als auch lebensaffine Biografie über Carl Hahn zu vermitteln.
Gerade das Herausarbeiten der Person als auch dessen unternehmerische Vision und Intention verbinden sich fliessend und unprätentiös auf unterschiedlichen Ebenen mit Zeit- und Wirtschaftsgeschichte. Es ist der detaillierten Herangehensweise geschuldet, dass dieses Buch nicht nur lesenswert sondern überaus spannend macht.
Nur absolut profunde Kenner der Unternehmensgeschichte der Auto Union wissen, dass Carl Hahn sich neben seinem Vorstandsposten bei der Chemnitzer Auto Union auch noch einem zweitem Engagement bei der Maschinenfabrik Germania in Chemnitz verschrieben hatte, das erstmal mit einer Sanierung begann. Oder dass die Carl Hahn KG ab 1948 in Deutschland Innovatives mit dem ob-Tampon auf dem Sektor der Damenhygiene leistete.
Diese Rezension kann den Gehalt des Buches nur ansatzweise wiedergeben. Aber dafür gibt es ja das Buch. Oder ein Kamingespräch mit Carl Horst Hahn und Peter Kirchberg in der August Horch Villa vor dem alten Audi Werk in Zwickau. So ein Moment wird aber nur den wenigsten vergönnt sein. Deshalb die Empfehlung an die Freunde von DKW, der Auto Union und an alle, die sich für die Deutsche Automobilgeschichte interessieren: Im Zweitakt in diesem Buch: lesen, staunen, lesen, staunen, lesen, staunen. Selbst der Preis für das Buch könnte von DKW sein.
Bibliografische Angaben
- Titel: DKW Hahn
- Autoren und Herausgeber: Carl Horst Hahn und Peter Kirchberg
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Verlag, Heimatland Sachsen, 1. Auflage 2016
- Format: 310 x 230 mm, Hardcover gebunden
- Umfang: 208 Seiten, 400, zumeist s/w-Bilder
- Preis: € 19,95
- ISBN: 978-3-910186-93-4
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