Bereits auf Seite 11 drohen einem richtigen Lancia-Fan die ersten Tränen zu fliessen, dabei sind wir gerade bis zum Vorwort vorgestossen, nachdem auf den Seiten zuvor herrliche Bilder Appetit auf das Buch gemacht haben.
Im letzten Absatz schreiben die Autoren: “Wir hoffen inständig, dass man sich auch im Hause Lancia eines Tages der Bedeutung der erreichten Erfolge im Motorsport wieder angemessen erinnert und zum Besten der Turiner Traditionsmarke nutzt …”.
Heute wissen wir, dass diese Hoffnung nicht erfüllt wurde. Die Marke wurde fallengelassen, im auf Massenproduktion ausgerichteten FCA-Konzern hatte sie keinen richtigen Platz mehr. Dabei feierte Lancia im Jahr 2006 noch das hundertjährige Jubiläum und konnte auf eine Vielzahl revolutionärer und erfolgreicher Automobile zurückschauen. Genannt seien hier etwa der Lambda, die Aurelia, die Fulvia, der Stratos oder eben der Lancia Delta.
Dass die Autoren im Vorwort soviel Hoffnung haben, zeigt, dass dieses für die zweite Auflage, die erste erschien 2005, nicht modifiziert wurde. Was hätte man auch schreiben wollen …
Die Fortsetzung einer erfolgreichen Rallye-Tradition
Mit dem Lancia Delta setzte die Turiner Automarke dort an, wo sie u.a. mit der Fulvia, vor allem aber mit dem Stratos und dem 037 Rally gezeigt hatte, wie man erfolgreiche Rallye-Fahrzeuge baut. Der Delta aber sollte alle seine Vorgänger in den Schatten stellen, denn zwischen 1987 und 1992 dominierte der Lancia Delta integrale die Rallye-Weltmeisterschaft fast nach Belieben und dies mit einem Auto, das eigentlich überhaupt nicht zu diesem Zwecke entstanden war.
Vom S4 bis zum Hyena
Blaettel und Wagner ziehen einen genügend grossen Bogen, um das Thema “Delta Integrale” komplett abzuhandeln. Sie erzählen vom Serienfahrzeug, das 1980 Auto des Jahres wurde, erläutern die Stärken der Abarth-Sportabteilung und widmen auch dem S4 ein Kapitel, einem Auto, das zwar wie ein Delta aussah, das darunter aber ein reinrassiger Rennwagen war, der mehr mit dem 037 Rally als mit dem Delta gemeinsam hatte.
Die Gruppe B, in der sich der S4 beteiligte, war allerdings von kurzer Dauer, bereits 1986 war Schluss, der teuer entwickelte S4 bereits ein Museumsstück. Die als Nachfolge geplante Gruppe S kam gar nie zum Laufen, der dafür entwickelte Prototyp ECV2 ist den Autoren aber trotzdem ein Kapitel wert.
Vom Frontriebler zum Allrad-Rallye-Sieger
Lancia aber erkannte die Zeichen der Zeit und entwickelte rechtzeitig eine Allrad-Variante des Lancia Delta, HF 4 WD genannt.
Davon wurde dann die Gruppe-A-Version abgeleitet, die Juha Kankkunen 1987 zur Fahrer-Weltmeisterschaft und Lancia zum Markentitel verhalf. Bis 1992 wurde die Rallye-Weltmeristerschaft jedes Jahr gewonnen. Und bis Ende der Neunzigerjahre sah man Abwandlungen des Delta Integrale noch an vielen Rallyes teilnehmen.
Strassen- und Rallye-Fahrzeuge
Im Buch führen die Autoren durch alle Evolutionsstufen, beginnend mit dem HF 4 WD, über HF Integrale, HF Integrale 16V, HF Integrale 8V Kat, HF Integrale Evo 1, bis HF Integrale Evo 2. Für jedes Jahr werden die Strassen- und die Rallye-Versionen erklärt und bildlich dargestellt. Auch Angaben zu Produktionsmengen fehlen nicht.
Die limitierten Sonderversionen
Unter Sammlern sind vor allem die in beschränkten Stückzahlen produzierten Sonderversionen wichtig.
Auch diese dokumentieren Blaettel und Wagner feinsäuberlich auf 24 Seiten, ob sie nun “Martini 5” oder “Dealers Collection” hiessen.
Und dann noch die Prototypen und Spezialeditionen
Damit nicht genug. Neben dem bereits erwähnten ECV 2 erhalten auch Einzelstücke und Prototypen noch einen Beitrag im Buch, insbesondere der einzig wahre Evo 3 (Viola) und der Zagato Hyena, ein in 24 Exemplaren gebautes Sportcoupé mit der Technik des Delta HF Integrale.
Zeitzeugen und Erinnerungsstücke
Spannend sind die Aussagen von Ninni Russo, der einer der Hauptakteure des Delta-Erfolgs war und sich noch an viele Details erinnert, etwa, warum sich der Einsatz von einem Helikopter bei den Rallyes auch finanziell lohnte.
Und für die Delta-Fans sind sicherlich auch die erwähnten Modellautos und die damaligen Zubehöre interessant.
Grosszügiger Anhang
Abgeschlossen wird das 200-seitige Werk mit einem umfangreichen Anhang, der die Rallye-Erfolge des Lancia Delta Integrale minutiös auflistet, samt beteiligten Chassisnummern und Fahrern. Auch die Produktionszahlen werden sauber zusammengestellt und eine Typenübersicht hilft, Licht ins Versionendickicht zu bringen.
Leider fehlt auch hier wiederum das von uns immer gerne gesehene Schlagwortverzeichnis, allerdings ist es angesichts der Spezifität des Themas ein verzeihliches Malheur.
Fazit empfehlenswert, nicht nur für Delta-Besitzer
Natürlich muss ein Delta-Besitzer, zumal wenn es sich um die HF-Version handelt, eines dieser Bücher im Regal haben. Aber das Werk ist auch für allgemeine Lancia-Enthusiasten und breiter interessierte Fans des Rallye-Sports empfehlenswert, denn es überzeugt durch eine saubere Aufmachung, tolle Fotos und ein schönes Layout. Das ab und zu auftretende Zeitenwirrwarr (Präsenz/Imperfekt) fällt nicht sonderlich negativ ins Gewicht.
EUR 49,90 sind dafür zwar kein Pappenstiel, aber vier Kinotickets kosten annähernd gleich viel und der Spass ist schon nach zwei Stunden vorbei, während das Lancia-Integrale-Buch deutlich länger reizvoll ist.
Bibliografische Angaben
- Titel: Lancia Delta HF Integrale - die Geschichte eines Champions
- Autoren: Werner Blaettel und Gerhard D. Wagner
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Heel Verlag
- Auflage: 2. Auflage 2018 (erste Auflage 2005)
- Format: Gebunden mit Schutzumschlag, 252 x 276 mm
- Umfang: 200 Seiten, 268 Farbbildungen
- ISBN: 978-3-89880-268-0
- Preis: EUR 49,90
- Kaufen/bestellen: Online beim Heel-Verlag , online bei amazon.de oder im einschlägigen Buchhandel
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Heinz Grossniklaus