Ein Buch über die “Geschichte des Caravanings” passt wie kaum ein anderes Autobuch perfekt in die heutige Zeit. Schliesslich hat die Pandemie der Wohnwagen- und Wohnmobil-Branche einen gewaltigen Boom beschert. Angesichts geschlossener Hotels und Reisebeschränkungen wurde nämlich das Reisen mit den eigenen vier Wänden im Schlepptau plötzlich wieder äusserst attraktiv im Jahr 2020.
Bücher über die Welt des Caravanings gibt es zuhauf, Thomas Wirth und Christian Steiger aber beschreiben in ihrem neuen Buch “In der Welt unterwegs - die Geschichte des Caravanings” ausführlich, wie sich die Wohnwagen- und Wohnmobil-Technik entwickelt hat. Das ist nicht nur bildend, sondern auch ganz schön unterhaltend, selbst wenn man persönlich mit dieser eigenwilligen Reiseform wenig am Hut hat.
Und interessanterweise sind die beiden Autoren auch keine Kinder der Wohnwagenbewegung der Sechzigerjahre, sondern kamen erst spät in ihrer Karriere mit dem Caravaning in Kontakt. Fehlende Sachkompetenz resultiert allerdings nicht daraus, die beiden haben sich tüchtig ins Zeug gelegt und in vielen Archiven recherchiert, um eine stimmige Ahnenforschung zu betreiben.
Entlang der Zeitachse
Die Autoren haben sich dazu entschieden, die Geschichte der Wohnwagen und Wohnmobile entlang der Zeitachse zu erzählen und so beginnt sie denn in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, als Wandervögel noch mit Zelten und einem Kanu auf die Reise gingen, soweit denn diese Utensilien auch in einem Hanomag 2/10 PS oder einem Ford Model T Platz fanden. Erste Wohnmobile gab’s schon in den Zwanzigerjahren, Wohnwagen genauso. Es war die Zeit der Individualisten und Handwerker, bis sich erste Industrielle und Pioniere wie Artur Wasner für das Thema zu interessieren begannen.
Jahr um Jahr werden die Neuerungen, die bald in schneller Folge erschienen, von Steiger und Wirth eingeführt. Wohnwagen-Reisende sind aber in den Dreissigerjahren immer noch Individualisten und Vorreiter, über ihre Abenteuer berichten Tageszeitungen und Magazine.
In den Nachkriegsjahren wird Camping auch Teil des Wirtschaftswunders. Isetta oder Käfer ziehen nun einen Wohnwagen Piccolo oder ein Modell von Berger. Man fährt nach Italien oder nach Frankreich und nimmt sein Heim gleich mit. Und wer richtig viel Geld hat, greift zu den ersten kommerziell erhältlichen Wohnmobilen, z.B. einem Mikafa.
Die Wohnwagen werden immer luxuriöser, die Zugfahrzeuge stärker und eleganter. Und Volkswagen liefert mit dem Bulli einen wichtigen Beitrag, der bis heute wertgeschätzt wird.
Im Buch werden auch Alternativen zu Wohnmobil und Wohnwagen eingeführt, etwa das Dachzelt, der Camping-Anhänger oder das rollende Hotel. Sogar Magazine, die in Grossauflage gedruckt werden, wie die “Quick” haben den Wohnwagen auf dem Titelblatt.
Grosse Messen machen das Publikum in den Sechzigerjahren mit dem Thema Camping bekannt, der Wohnwagen ist schon lange kein Exot mehr auf den hiesigen Strassen.
In den Siebziger- und Achtzigerjahren legen die Wohngefährte weiter an Grösse zu, Wohmobile sehen teilweise aus wie Fahrzeuge von einem anderen Stern. Und sie bieten im Innern sogar Garagen-Platz für ein kleines oder grösseres Auto.
Erst auf Seite 222, also nach gut zwei Dritteln des Buches, kommt man in den Neunzigerjahren an, der VW-Bus ist nun ein T4, Wohmobile werden einem Crashtest unterzogen.
Und so geht es weiter bis in die Neuzeit, da mit “Glamping” ein besonders glamouröses Camping erfunden wird, für das sich auch Hipster begeistern können.
Steiger und Wirth dürften kaum ein wesentliches Wohnwagenmodell oder eine wichtige Entwicklung verpasst haben, zumindest nicht was die deutschen Errungenschaften anbelangt. Wer lieber amerikanische Camping-Exzesse sehen möchte, der muss allerdings nach einem anderen Buch suchen.
Tolles Bildmaterial
Neben den gut recherchierten Texten sind es aber auch die sorgfältig ausgesuchten Bilder, die das Buch zu einem echten Vergnügen machen. Ob es nun Fotos aus der damaligen Verkaufsliteratur, Werbesujets, Werksabbildungen oder Schnappschüsse aus der Zeit sind, die Bilder zeigen die Entwicklung des fahrenden Reisens über mehr als ein Jahrhundert dar und sind gleichzeitig auch eine Charakterdarstellung des sich stets ändernden Deutschlands.
An vielen Fotos bleibt man gerne hängen und freut sich an den Details im Hintergrund, etwa wenn man den Männern zuschauen, die einen Caravan des Herstelles “hobby” zusammenschrauben. Aber auch der Eifelland-Kingsize-Wohnwagen mit Sonnenschirm auf dem Oberdeck und einem Mercedes-Benz 600 als Zugfahrzeug ist eine Augenweide.
Viele “Fun Facts”
Wer sich durch das Buch durcharbeitet wird auf viele interessanten Geschichte stossen, die sich auch als Gesprächsstoff für die nächste Cocktail-Party eignen. So war Hans Stuck einer der ersten Rennfahrer, die schon in den Dreissigerjahren mit dem Wohnwagen (Typ Westfalia Landstreicher) an der Rennstrecke übernachtete.
Reporter im Zeiten Weltkrieg nahmen den Wohnwagen gleich als “Bildwagen” mit an die Front, mattschwarz lackiert und mit verriegelten Fenstern.
Der “Deutsche Camping Club” (DCC) wird 1948 gegründet.
Und 1962 rast Rolf Stommelen mit einem Wohnwagen hinter dem Formel-1-Rennwagen um die Nürburgring Nordschleife, mit satten 200 km/h. Designer Colani versucht in den Sechzigerjahren den Camping-Utensilien einen aerodynamischere Form zu geben.
Im Jahr 1998 wird zunächst in einem Grossversuch Tempo 100 km/h für Gespanne freigegeben, jetzt kommt man also auch mit dem Wohnwagen (etwas) schneller ans Ziel und verflüssigt gleichzeitig den Verkehr auf der Autobahn.
Abgerundet
Besonders erwähnt werden sollte, dass Wirth und Steiger es nicht unterlassen haben, sowohl ein Personen- als auch ein Sachregister zusammenzustellen.
Ohne diese drei wertvollen Seiten wäre das Werk deutlich umständlicher in der Nutzung. So aber kann man gezielt nach Wohnwagenherstellern wie Fendt oder Tabbert und nach Pionieren und Promotern des Caravaning wie Fritz B. Busch oder Rolf Stommelen suchen.
Man muss kein Caravan-Fan sein und auch kein Wohnmobil in der Garage haben, um an diesem fast 300-seitigen Buch Gefallen zu finden. Mit EUR 39.90 ist das grossformatige Werk erschwinglich genug geblieben, um einem Kauf und manchen unterhaltsamen Stunden damit nicht in Wege zu stehen.
Bibliografische Angaben
- Titel: In der Welt unterwegs – Die Geschiche des Caravanings
- Autoren: Christian Steiger / Thomas Wirth
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Delius Klasing
- Auflage: 1. Auflage, September 2021
- Format: Gebunden, 23,7 x 27,2 cm
- Umfang: 296 Seiten, 528 Fotos und Abbildungen
- ISBN-Nummer: 978-3-667-12241-4
- Preis: EUR 39.90
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