Wenn man jemanden nach seinem Auto fragt, bekommt man des öfteren zu hören: "Ich habe einen Golf.", oder "Es ist ein Golf.". Mehr ist dann meist gar nicht mehr nötig. Wir wissen Bescheid. Nach dem Käfer wurde der Golf dieselbe ewige Konstante in der Konzerngeschichte, die er ablösen musste: den Käfer. Russel Hayes spannt in seinem Buch "VW Golf Story" den Bogen von den ersten Vorüberlegungen: die Bürde war gross, die Käfer-Monokultur ausgeprägt. Bis zu den aktuellen Elektro-Entwicklungen.
1. Grund: Alles drin
Diesem Buch gelingt es, sieben Generationen Golf und damit vier Dekaden seit der Vorstellung des VW Golf abzudecken. Das reicht vom Basis-Golf bis hin zu den GTIs, nicht zu vergessen die Cabriolets. den Jetta oder Bora und später die Variant-Variante. Spannender wird es dann auch bei den US-Gölfen. In diesem Buch finden sich innerhalb der weiten Angebotswelt des Golf seit 1974 so ziemlich alle Modelle wieder, die es auf dem Markt gab und gibt. Den bereits 1973 präsentierten Scirocco inklusive.
2. Grund: Von Anfang an
Bevor ein Golf auf den Markt kommt, wird er entwickelt. Und diese Entwicklungsgeschichte kommt Gerde bei den ersten drei Generationen nicht zu kurz. So wird gerade beim Golf 1 die gesamte Befindlichkeit des VW-Konzerns ausgebreitet, um die Dringlichkeit und Bedeutung des ersten Golf zu verdeutlichen. VW hing am Tropf. Technisch an der Tochter Audi NSU, von Porsche begann man sich zu distanzieren, Optisch an Giorgetto Giugario, den man die Designverantwortung übertragen hatte, weil in Wolfsburg einfach die Fähigkeiten und das Selbstbewusstsein fehlte. Mit dem Erfolg des Golf 1 änderte sich das rasant. Golf 2 und 3 sind dann selbstbewusste Statements aus Wolfsburger Hand.
3. Grund: Die Randnotizen
Der Autor macht es sich nicht zu einfach. Das kommt dem geneigten Leser zu Gute. Ob Audi 50 oder VW Scirocco. Ob Forschungsauto ESVW 1 oder die 16 V-Entwicklung von Oettiger für den französischen Markt. Der Autor stellt sie an der richtigen Stelle vor und ordnet damit die Geschichte des Golf und dessen Bedeutung für das Unternehmen neu. Spannender Nebeneffekt. Der Leser erhält viel Wissenswertes aus der VW-Geschichte präsentiert, das sonst noch nicht publiziert wurde.
4. Grund: Das Design
Der Golf ist eben nicht irgendein Auto. Auf der ganzen Welt im Angebot ist er schon ein Weltauto gewesen, als andere erst 20 Jahre später solche Begriffe als markenstrategische Absicherung ihres Wischi-Waschi-Designs erfinden mussten. Anders der Golf. Markante C-Säule, ausgeprägte Toronado-Linie und keine Experimente. Eine Designphilosophie wie Porsche sie beim 911er zelebriert, umgibt auch die Lasterhafte des Golf-Designs. Schön, dass man in diesem Buch neben Skizzen, Clay-Modellen und Prototypen der Golf-Evolution folgen kann und darf.
5. Grund: Die Technik
Ob GTI, TDI, 16V, Synchro, VR6, Plastiktank, Golf Country oder Cabriolet Entwicklung. Immer wieder werden Passagen zu den Nebenwegen und -entwicklungen aufgezeigt und ausführlich dargestellt. Dem Buch gehinkt es damit auf lockere Art und Weise auch ganze Technologiebewegungen innerhalb des VW-Konzerns aus seiner Abstraktion zu holen und sie in Historie einzuordnen. Dass der Autor dabei auch auf Hintergründe und Personen eingeht, verleiht dem Buch eine Spur Persönlichkeit.
6. Grund: Die Recherche
Der Autor hat zahllose Interviews mit dem ehemaligen VW Entwicklungschef Ernst Fiala, Designchef Walter de Silva oder Ex-VW-Vorstand Carl Hahn geführt. Er hat die ehemaligen VW Motorsport Rennleiter kontaktiert und bei den wichtigsten Importeuren in Italien, USA, Südafrika, Frankreich und Grossbritanien Informationen eingeholt. Das ausführliche Quellenverzeichnis belegt die üppige Recherche, die in diesem Buch deutlich wird und mit den zahllosen Details ein wesentlichen Reiz des Buches ausmachen.
7. Grund: Der Golf
Der Golf ist bis heute das einzige Fahrzeug, das einer ganzen Fahrzeug-Klasse seinen Namen gegeben hat. Damit war und ist der Golf immer Ziel der zahllosen Jäger auf den Golf-Thron. Grund genug, der Geschichte des Golf auf den Grund zu gehen. Dass ein britischer Autor, Russel Hayes, dem nachgeht, macht es auf den ersten Blick, schon wegen der Sprachbarriere nicht einfacher. Doch scheint dem Autor dieser Spagat in der deutschen Übersetzung gut gelungen.
Das Buch leiert nicht einfach chronologisch die Golf Modelle runter, sondern verstehet es, an der richtigen Stelle auf die Konzerngeschichte oder -entwicklungen einzugehen. So begegnet man eben auch dem Audi 50 oder dem Skoda Favorit. Und das nicht einmal überraschend, sondern nach dem Lesen nachvollziehbar. Die Geschichte des Golf wird lebendig.
Fazit
Dem Briten Russel Hayes gelingt es in der über 300 seitigen Golf Monografie, die Geschichte des Golf spannend und umfassend rüberzubringen. Er lässt dabei weder spannende technische Entwicklungen noch Nebenstränge aus. Motorsport, Tuner oder Sondermodelle werden genauso abgehandelt wie die technische Evolution des Golf. Dabei gliedert der Autor die Einschübe und Randerzählungen in grossen Zügen chronologisch, weicht dabei aber auch ab, um die konzernbedeutenden Entwicklungen für VW zu unterstreichen. Hier und da entdeckt man schon mal den einen oder anderen Fehler, der sich aus Sekundärquellen einschleicht und den nur absolut profunde Kenner der Unternehmensgeschichte aus erster Hand als solchen identifizieren. Ansonsten ein lesenswertes Buch über den Golf und die Technikgeschichte des Volkswagen-Konzerns als man der Luftkühlung den Rücken kehrte.
Bibliografische Angaben:
- Titel: VW Golf Story
- Autor: Russel Hayes
- Verlag: Motorbuch, 1. Auflage 2015 aus dem Englischen
- Format: 230 x 265 mm, gebunden, 320 Seiten, 362 Farb- und 70 s/w-Bilder
- ISBN: 978-3-613-03792-2
- Preis: Euro 39,90,
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