Die Tour Auto gehört zu den Oldtimer-Rennveranstaltungen mit dem höchsten Prestige, die in einem Atemzug mit der Mille Miglia oder dem Monaco Grand Prix Historique genannt wird.
Kein Wunder, denn wenn fast 300 Autos der Extraklasse in einem Startfeld zusammenfinden, um durch halb Frankreich zu fahren, dann ist dies sicherlich ein besonderes Ereignis, zumal die Hälfte des Felds dabei (auf den Spezialprüfungen) rennsportlich um Bestzeiten fährt.
Geschichtsträchtiger Anlass
Schon 1956 konnte man in der deutschen Zeitschrift “Auto Motor und Sport” lesen:
"Wenn man von der Tour de France spricht, denkt man in erster Linie an jenen radsportlichen Wettbewerb, der alljährlich die Gemüter der Franzosen bis ins letzte Dorf hinein erregt. Die Tour de France für Automobile dagegen galt bisher nur als eine nette Langstrecken-Fahrt ohne besondere internationale Bedeutung, allerdings mit hohen Geldpreisen ausgestattet. Nun, das änderte sich bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt für Automobile, die über den Rahmen einer durchschnittlichen Langstrecken-Prüfung weit hinaus ging und zu einem interessanten Wettbewerb eigenen Charakters wurde. Die Franzosen hatten bei der Ausarbeitung des Reglements ihre eigenen Vorstellungen von einer modernen automobilsportlichen Prüfung. Sie kombinierten eine ausgewachsene Langstrecken-Fahrt von 5383 km Länge mit zahlreichen Sonderprüfungen, die in Form reiner Rennen auf den bekanntesten französischen Rundstrecken und Berg-Pisten ausgetragen wurde.”
Auch mit der Neuinterpretation von Patrick Peter (Peter Auto) ab 1992 änderte sich an dieser Charakteristik wenig, startberechtigt sind Fahrzeuge der Typen, die zwischen 1951 und 1973 an der Tour teilgenommen hatten. Wegen Verwechslungsgefahr mit dem Radrennen wurde die Tour de France Auto übrigens bereits vor Jahrzehnten in Tour Auto umbenannt. In den Jahren 1975 bis 1986 wurde sie als typische Rallye und nicht mehr im Sinne eines Strassenrennens durchgeführt.
Breit gefächertes Startfeld
Einige Tausend Autos nahmen an den Austragungen der Tour in den Fünfziger- bis Siebzigerjahren teil, ein passendes Teilnehmerfahrzeug zu finden ist also deutlich einfacher als bei anderen Sportveranstaltungen. Im Laufe der Jahre fuhren in Frankreich ordinäre Renault- oder Peugeot-Modelle genauso mit, wie der Deux-Chevaux von Citroën oder berühmte Sportwagen der Hersteller Ferrari, Porsche, Maserati, Alfa Romeo oder Jaguar.
Auch beinahe reinrassige Rennboliden waren am Start, etwas der Matra 650, der Ligier JS2 oder der Ford GT40.
Genauso breit zeigte sich das Startfeld der diesjährigen Tour, bei der sich neben vielen Porsche 911 und Alpine-Renault A110 auch “Exoten” wie ein Sunbeam Alpine von 1953, ein Citroën 2 CV von 1952, ein Fiat 600 D von 1967, ein Panhard PL 17 von 1961, ein Honda N 600 von 1971 oder ein Siata 208 S von 1953 auf die rund 2100 km lange Strecke (Spezialprüfungen nicht eingerechnet) machten.
Stilvoller Beginn
Wie immer die letzten Jahre nahm die Tour Auto, die im Jahr 2018 vom 23. bis 28. April 2018 dauerte, ihren Anfang im Grand Palais in Paris, dort wo einst anlässlich des Salon de l’Auto Neuheiten vorgestellt wurden. Da musste sich mancher der heutigen Teilnehmerfahrzeuge durchaus wohl fühlen, wurde doch beispielsweise die Serienausführung des Ferrari 365 GTB/4 Daytona ebenfalls in Paris erstmals präsentiert.
Das Grand Palais war aber auch ein Ort des Sehens und Gesehenwerdens, so fanden sich etwa Miss France und die Miss Corsica beim Champagner-Empfang ein. Zweitere, mit Namen Eva Colas, hätte die ganze Tour in einem Fiat 600 D mitfahren sollen, doch offenbar bekam ihr das nicht so gut, jedenfalls gab sie dann den Beifahrerplatz weiter.
Gesehen wurde auch Margot Laffite, die Tochter von GP-Sieger Jacques Laffite, und Ari Vatanen, der für BMW vor Ort war.
Allzu viel Champagner und Feierlichkeiten waren den Teilnehmern allerdings nicht empfohlen, mussten sie doch am Dienstag morgen schon früh aus den Federn, um vom Grand Palais an den eigentlichen Start im Château de Courances zu fahren.
Attraktive Streckenführung
Die Langstreckenfahrt war in fünf Tagesetappen aufgeteilt, die von Paris nach Besançon, dann nach Megève, schliesslich nach Avignon, Aix-en-Provence und zum Schluss nach Nizza führten.
Da gab es also sicherlich einiges zu sehen, zumal einige der schönsten Gegenden Frankreichs, z.B. das Burgund, Savoyen, die Provence und Südfrankreich durchfahren wurden.
Und natürlich stellte die Organisaton von Peter Auto sicher, dass auch die Übernachtungsgelegenheiten und die Mahlzeiten einem gehobenen Standard entsprachen, schliesslich kostet die Teilnahme fast EUR 10’000.
Vier Rundstrecken und 10 Spezialprüfungen
Die Tour Auto kann nach dem Regularitäts- oder Competition-Modus bestritten werden.
Rund die Hälfte der Fahrzeuge wählten 2018 die zweite Variante, was für sie bedeutete, dass auf den zehn Spezialprüfungen (auf öffentlichen, aber gesperrten Strassen) und auf vier Rundstrecken-Prüfungen – Dijon-Prenois, Bresse, Ledenon und Paul Ricard - Vollgas und Spätbremsen angesagt war.
Pannen und Unfälle
Dass über ein Dutzend Hochgeschwindigkeitsprüfungen und über 2000 km auf Landstrassen an einem alten Auto nicht spurlos vorübergehen, ist nachvollziehbar. So sah man denn am Streckenrand immer wieder hektische Reparaturversuche.
So musste das Team der Shelby Cobra Daytona etwa die Hinterachse reparieren, Jean-Pierre Nicolas, der bekannte Rallye-Fahrer, hatte nahe Megève einen Unfall am Peugeot 504 Coupé zu beklagen, den er aber innert zwei Stunden gerichtet bekam.
Andere traf es weniger glimpflich, allerdings scheint es, dass die Begleitfahrzeuge fast gefährdeter sind an solchen Veranstaltungen als die eigentlichen Teilnehmer. Jedenfalls musste eine der Spezialprüfungen neutralisiert werden, nachdem ein moderner BMW heftig verunfallt war.
Strahlende Sieger
Hatte es zunächst nach einem Sieg der Briten ausgesehen, das Duo Andrew Smith/James Cottingham setzte sich erwartungsgemäss im Ford GT40 an die Spitze, gefolgt von Chris Ward/Andy Elcomb im Jaguar E-Type, so begann im Laufe der Woche einer der Favoriten nach dem anderen zu straucheln.
Ward/Elcomb erwischte es auf dem Rundkurs von Paul Ricard, während Smith/Cottingham anlässlich der zweitletzten Spezialprüfung mit ernsthaften Getriebeproblemen kämpfen mussten.
Davon profitierte das Schweizer Team Raphael Favaor/Yves Badan, die schliesslich mit ihrem Lotus Elan 26R das Siegerauto stellten, gefolgt von den Franzosen Frédéric Jousset/Paul Miliotis auf einer Shelby Cobra 2389 und Damien Kohler/Sylvie Laboisne auf einem weiteren Lotus Elan 26R. Der Kunststoffwinzling von Colin Chapman hatte es den Hubraumriesen wieder einmal gezeigt.
In der Gleichmässigkeitswertung konnten sich Jean Rigondet und Olivier Souillard in ihrem CG 1200 S durch die ganzen fünf Tage an der Spitze behaupten und die Prüfung vor Nicolas Pagano/Michel Périn auf einem Alfa Romeo 1750 GTV gewinnen.
Grosses Kino
Zehntausende Zuschauer säumten die Strassen, wenn die Tour Auto vorbeikam. Nicht jeden Tag schliesslich sieht man einige der schönsten Granturismo-Rennwagen vorbeifahren, auch wenn der angekündigte Matra 650 genauso fehlte im Jahr 2018 wie die Ferrari 250 GTO oder die Porsche Carrera 6, die man in vergangenen Jahren beobachten konnte.
Dafür aber gab’s dieses Jahr Exoten wie einen Citroën SM der Gruppe 5 oder den flachen Jidé zu sehen, sowie eine ganze Horde Ferrari 308 GTB im Gruppe-4-Trimm, und dies alles bei besten Wetterverhältnissen, wenn man einmal vom Aufenthalt in Paul Ricard absah.
In der umfangreichen Bildergalerie sind viele der teilnehmenden Wettbewerbsfahrzeuge abgebildet.