Was die Streif in Kitzbühel für die Skifahrer, Wimbledon für die Tennis Cracks und Indianapolis für die aktuellen Rennfahrer ist, das ist das Goodwood Revival und in seinem Sog das Members Meeting für die historische Motorsport-Szene. Der einzige Unterschied ist, dass Goodwood allen Wettern trotzt, während die Streif bei Nebel, Wimbledon und Indianapolis bei Regen aber nicht ausgetragen werden.
Was sich am Wochenende des 17. und 18. März 2018 in Südengland abspielte, war so nicht eingeplant. War es am Freitag für die Jahreszeit noch angenehm warm und schön, so wurde es Samstag und Sonntag bitter kalt mit Wind und Schneefall. Allen Vorhersagen zum Trotz wurde es sogar noch schlimmer als erwartet.
Aber nichts konnte den engen Zeitplan der zwölf Rennen von Samstag-Nachmittag bis Sonntag-Abend aufhalten. Einzig die Hailwood Trophy, das Rennen der Motorräder, musste wie schon vorher das Training vom Samstag abgesagt werden. Zu kalt war der Asphalt, als dass die Reifen auch nur annähernd hätten Grip aufbauen können. In der ersten Kurve hätte sich wohl schon 99% der Gestarteten in die Botanik verabschiedet. Die farbenfrohen gelben Osterglocken am Streckenrand kämpften ums Überleben und sanken stündlich tiefer dem Boden entgegen. Die wetterbedingt nicht zahlreich angereisten Zuschauer waren absolute Hard-Core Fans.
Denn bei dieser Kälte und Nässe stundenlang am Streckenrand verharrend, konnten die Zuschauer von keinem Drift oder Turbo-Feuer mehr erwärmt werden. Trotzdem standen sie da, mit Schirm, Mütze, Schal und Handschuhen und erweckten in keiner Weise den Eindruck, dass ihre Freude am dargebotenen Programm verloren ginge.
Moss Trophy als Höhepunkt
Die Rennen waren stark, einige davon sogar noch stärker. So war sicher die Moss Trophy ein absoluter Höhepunkt. Den beiden Jaguar E-Type der späteren Sieger Minshaw/Keen und dem zweitplatzierten Meins/Huff wurden von den beiden Ferrari 250 GT SWBs mächtig unter Druck gesetzt.
Emanuele Pirro im Breadvan startete nur aus der dritten Reihe, kam aber mit seinem springenden Pferd Runde für Runde den beiden Katzen näher. Er konnte sie sogar beide niederringen und übernahm die Führung. Leider war Pirros Teamkollege, Lukas Halusa, den Fahrkünsten seines Vorgängers und ex-F1 Piloten nicht ganz gewachsen und so fehlte dem Ferrari am Ende rund 21 Sekunden auf die beiden siegreichen Briten.
"Seifenkisten" im Bolster Cup
Ein weiteres geniales Rennen boten die verrückten Männer in ihren tieffliegenden "Seifen"-Kisten im Bolster Cup aus dem frühen vergangenen Jahrhundert. Der siegreiche Bentley 3/8 Special von 1926 versprühte seinen heissen Dampf Runde für Runde in die a****kalte südenglische Luft.
Man konnte die Wärme schon fast spüren und die Fans vergassen bei den wilden Drifteinlagen für kurze Zeit ihre gefühllosen und schmerzenden Hände und Füsse. Es wurde um jeden Millimeter gekämpft als würde es um den Gewinn der Weltmeisterschaft gehen. Wir ziehen den Hut vor dieser Truppe, die im Stande ist diese uralte Technik einerseits am Laufen zu halten und andererseits sie auch derartig zu Bewegen. Chapeau!
Zweikampf im Gurney Cup
Das dritte grossartige Rennen war der Zweikampf im Gurney Cup zwischen dem Ford GT40 von David Hart und dem Shelby Cobra Daytona Coupé von Andrew Smith. Insgesamt waren hier neun GT40 am Start!
Smith wurde am Ende für seine grossartigen Drifteinlagen noch speziell geehrt. Eigentlich fuhr er nie wirklich geradeaus, sondern stand immer irgendwie kontrolliert schief auf der Gasse.
Martin Stretton gegen David Coulthard im Salvadori Cup
Martin Stretton, der historische F1-Champion von 1995 im Tyrrell 005, zeigte seine beherzte Fahrweise auch mit dem wesentlich schwereren Lister Jaguar Knobbly beim Salvadori Cup, fuhr einem ungefährdeten Start-Ziel Sieg entgegen und verwies die beiden Lotus Climax 15 von Roger Wills und Oliver Bryant auf die Plätze.
Ex-F1 Pilot David Coulthard fuhr mit dem Mercedes 300 SL mit nur sieben Runden Training auf den guten neunten Platz. "Es ist sehr schwierig ohne richtige Vorbereitung unter diesen Umständen ein derartiges Auto im Grenzbereich sicher zu bewegen", meinte der Schotte nach dem Rennen.
Hawthorn Trophy auf Eis
Das unmenschlichste Rennen war vermutlich die Hawthorn Trophy, da der Start bereits Sonntag früh um neun Uhr stattfand. Erst mussten noch die Autos vom Schnee befreit und auf Betriebstemperatur gebracht werden, doch dann wurde mit sich nie erwärmenden Reifen wie wild durch Frau Holles winterliche Pracht gefahren. Tony Wood im Cooper Bristol war nicht zu schlagen, nachdem der Kurtis schon beim Vorstart auf der Pole Position alle Viere von sich streckte. Edward Williams im Maserati 250F fuhr mit 32 Sekunden Rückstand auf den zweiten Platz.
Sieg der Caracciola Sportwagenrennen ging nach Italien
Das Caracciola Sportwagenrennen ging mit dem Sieg und dem dritten Platz der Alfa Romeos 8C 2300 Monza, mit Patrick Blakeney-Edwards und Moritz Werner am Steuer, nach Italien. Zwischen die beiden Italiener drängte sich der Bugatti 35 von Duncan Pittaway.
Drei Sekunden bei der Ronnie Hoare Trophy
Die besten Strassenverhältnisse hatten sicher die beiden Rennen vom Samstag Abend. Es war kalt, dunkel aber trocken. Die Ronnie Hoare Trophy wurde nach 21 Minuten zwischen dem Porsche 904 (James Cottingham) und dem Morgan Plus 4 SLR (James Bellinger) um winzige drei Sekunden entschieden.
Klare Entscheidung beim Derek Bell Cup
Der Derek Bell Cup der Formel 3 Rennwagen war eine klare Angelegenheit ohne grosse Zweikämpfe. John Milicevic gewann das Rennen im Brabham-Ford BT 21, vor Thierry Gallo im wunderschönen Tecno und Simon Armer im March.
Nachtrennen der Gerry Marshall Trophy
Die Gerry Marshall Trophy wurde als einzige in zwei Läufen ausgetragen. Am Samstag Abend bei fast völliger Dunkelheit dauerte der Lauf mit Fahrerwechsel 38 Minuten.
Und am Sonntag gab es noch ein Sprint über 20 Minuten. Im Nachtrennen hatte das Team Michael/Blundell im Ford Escort RS2000 die besten Sichtbedingungen und gewannen vor dem Capri lll 3.0S von Whitaker/Jordan und dem Rover 3500 SD1 von Bruce/Harvey.
Teilweise wurde bereits mit modernen Lichtern gefahren. Der Unterschied war deutlich sichtbar. Am Sonntag gewann wiederum ein Ford Escort RS2000, diesmal aber mit Pantelis Christoforou am Steuer. Zwei bekannte Gesichter mischten sich hier unter die Amateur-Fahrer. Mark Blundell, Sieger des ersten Laufes fuhr früher unter anderem für McLaren in der F1 und der grossartige Tourenwagenfahrer und dreifache Weltmeister (2005, 2006 und 2007) Andy Priaulx. Er fuhr einen smarten Ford Fiesta und meinte dazu nur: "Ist er nicht süüüüss!"
Gelbe Flagge beim Abschlussrennen
Zum Schluss gab es dann noch das Abschlussrennen des Wochenendes. Es wäre ein Spitzenrennen geworden, hätte da nicht der Safety Car die Führung übernommen. Ein gigantischer Abflug eines Ford-Lotus Cortina brachte das Rennen leider in die Gelbphase. Auf den Bodenwellen begannen die Cortinas Verrenkungen zu machen und bekamen ein Eigenleben, das nur schwer zu kontrollieren war. So verabschiedete sich der eine Wagen mit einem Totalschaden im Wall. Andrew Jordan gewann das kurze Rennen vor Andrew Wolfe und auf dem dritten Platz landete Steve Soper, auch ein bekanntes Gesicht aus dem früheren Tourenwagensport. Alle drei fuhren einen Ford-Lotus Cortina MK1.
Gruppe 5 Rennlegenden leider im Demo-Tempo
Das waren die Rennen, dazu kamen noch die zwei Demonstrationen der F5000 und der Gruppe 5 Rennwagen. Leider waren die Bedingungen für diese PS-starken Fahrzeuge unter aller Würde, so dass nur gestandene Fahrer fähig waren, die Autos auch einigermassen artgerecht zu bewegen. Interessant war vor allem der Porsche 935/78 mit seinem Spitznamen "Moby Dick".
Jochen Mass verglich die Fahrt im "Moby Dick" mit dem Reiten eines wilden Bullen: "Für die Zuschauer war er sehr spektakulär, aber im Cockpit war er leise und daher nicht ganz so aufregend zu bewegen." Am spektakulärsten wurde der wunderschöne Ex Markus Höttinger BMW 320 vom holländischen WRC-Fahrer Kevin Abbring bewegt. Es war eine Augenweide wie er das Auto mit dem wunderbar singenden F2-Rennmotor immer an der Haftgrenze bewegte.
Die F5000 war nie sehr bekannt in Europa. Sie war die amerikanische Konkurrenz zur F1. Die Serie wurde 1968 gegründet und im Vergleich zur F1 mit einem viel geringeren Budget gefahren. Nur ab und zu verirrten sich einzelne F5000 Fahrzeuge nach Europa in die F1. So gewann Peter Gethin 1973 im F5000 Chevron überraschend vor Denny Hulme (McLaren) und James Hunt (Hesketh) das nicht zur WM zählende Race of Champions in Brands-Hatch gegen die europäische Konkurrenz.
Die meisten Teilnehmer fuhren auffällig mit einem schwarzen Sticker und den goldenen Lettern HHF (Henry Hope-Frost) am Helm oder Auto über die Runden. Henry Hope-Frost war der jahrelange sehr geschätzte Streckensprecher von Goodwood und verunglückte leider am Dienstag den 8. März nur kurz vor dem Meeting bei einem Verkehrsunfall tödlich. Insider berichteten, dass sein Wissen über den Motorsport absolut gigantisch und einzigartig gewesen sein soll. Leider verstummte so nicht nur seine Stimme für immer, auch sein ganzes Wissen nahm er so mit ins Grab.
499 Fotos vom Members' Meeting in Goodwood 2018
Zum Schluss können Sie nun noch in die einzelnen Rennfelder abtauchen und die Fotos betrachten. Hierzu klicken Sie oben links einfach das entsprechende Rennfeld an.
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