Es war im Jahr 1973, als erstmals die Freunde alter Rennwagen sich am Nürburgring trafen, um anlässlich einer “Renn- und Industrieshow” zu beweisen, dass ihre Autos durchaus auch noch für schnelle Runden gut waren. Aus der übersichtlichen Veranstaltung entwickelte sich der AvD Oldtimer Grand Prix, der jährlich Zehntausende anzieht und sich zum grössten derartigen Anlass in Deutschland entwickelt hat.
Grossaufmarsch
Auch am 11. bis 13. August 2017 strömten sie wieder zur Nürburg, 45’000 Zuschauer zählte der Organisator. Und sie kamen, um spannende Rennen und schöne Autos in Bewegung zu sehen.
Über 500 Autos auf der Rennstrecke
16 Rennen, einige Gleichmässigkeitsprüfungen und dazu noch Paraden und Hochgeschwindigkeitspräsentationen wurden den treuen OGP-Besuchern über drei Tage geboten. Egal, ob man sich für kleine quirlige Einsitzer, elegante und formschöne Sportwagen der späten Fünfzigerjahre oder kraftstrotzende Gruppe-6-Prototypen der Siebzigerjahre interessierte, es wurde allen etwas geboten.
Und wie immer an solchen Anlässen kam man eben auch als Zuschauer (zumindest im Fahrerlager) nahe an die Boliden heran, viel näher, als es die sterilen Motorsportserien der Moderne je zulassen würden.
Wetterkapriolen und ihre Folgen
Die Eifel machte sich einmal mehr alle Ehre und zeigte ein Wetter, das nicht nur mit kalten Temperaturen nach gut isolierenden Kleidern rief, sondern mit Regenfällen aus allen Richtungen auch nach Gummistiefel und Schirm. Erst am Sonntag ab dem Mittagessen zeigte sich die Sonne richtig und es wurde mit rund 22 Grad dann auch etwas wärmer zum Ausklang.
Die nassen und kalten Verhältnisse machten auch die Piste glitschig, viele Fahrzeuge fanden kaum Traktion und die Räder drehten dauernd durch. Dass es dann auch noch den einen oder anderen Dreher und Ausrutscher absetzte, verstand sich bei derartigen Verhältnissen fast von selber.
Lotus gegen Maserati
Seit Jahren ein Höhepunkt ist das Rennen der zweisitzigen Rennwagen und GT-Fahrzeuge bis 1960/1961, das jeweils am Samstag Abend während der Dämmerung startet und in die Nacht hinein dauert. Etwas überraschend für viele Beobachter entwickelte sich ein Kampf der PS-starken Maserati Sportwagen und der leichtgewichten, aber leistungsmässig klar unterlegenen Lotus-Zweisitzern.
Am Schluss waren es je zwei Fahrzeuge beider Marken, die die Plätze 1 bis 4 unter sich ausmachten. Das einstündige Rennen konnte schliesslich Ulrich Schumacher im Maserati Tip 63 für sich entscheiden, Michael Gans auf dem Lotus 15 wurde Zweiter, Hart Seven/Fierro Guillermo im Maserati Tipo 61 Dritte und Jörg Markus auf dem Lotus Eleven Vierter.
Ihre Konkurrenten mussten sich alle mit mindestens einer Runde weniger begnügen, wobei vor allem der Siebte überraschte. Es war nämlich Rainer Bastuck, der seinen Marcos 1800 GT mitten zwischen die reinrassigen Sportwagen fuhr.
Das Ergebnis des halbstündigen Laufs am Sonntag sah fast gleich aus, nur dass der Tipo 61 vor den Lotus 15 fahren konnte. Für das Publikum zählten aber vermutlich die Ergebnisse weniger als der Le-Mans-Start, der showmässig am Anfang des Rennens vom Samstag Abend zelebriert wurde.
Fast komplettes Grand-Prix-Feld
Klangmässig sicherlich ebenfalls zu den Höhepunkten gehörten die Formel 1 Autos mit Cosworth-Motoren, die je ein Rennen am Samstag und am Sonntag austrugen. Mit 18 Autos wies das Startfeld beinahe Grand-Prix-Umfang auf, allerdings deckten die Dreiliter-Formelautos über ein Jahrzehnt Formel-1-Geschichte ab.
So überrascht es denn auch nicht, dass es meist ein ungleicher Kampf ist, wenn ein Tyrrell-Ford 001 von 1970 gegen ein Flügelauto wie der Williams-Ford FW07B von 1980 antritt. 18 Sekunden betrug die Rundenzeitdifferenz bereits im Training.
So stand denn Michael Lyons mit dem Williams FW07B beim ersten Rennen mit 30 Sekunden Vorsprung zuoberst auf dem Treppchen, während das zweite von Martin Stretton im Tyrrell 012 für sich entschieden wurde. Leider ging der zweite Lauf nicht ganz ohne Blechschaden zuende, weil der Fittipaldi F5A (Copersucar) über Lotus 77 flog, der sich verbremst hatte.
Marathonfahrer
Marco Werner gehört bekanntlich zu den gekrönten Le-Mans-Siegern. Am AvD-OGP-Wochenende legte er aber beinahe so viele Kilometer zurück wie in der Sarthe, sah man ihn doch in den unterschiedlichsten Klassen starten.
Er fuhr zum Beispiel einen Lotus 22 in der FIA Lurani Trophy für Formel-Junior-Wagen und kam mit dem kleinen Monoposto immerhin auf Platz 4 im ersten Rennen. Den Sieg errang allerdings in beiden Läufen Jackson Cameron im Brabham BT2, während Bruno Weibel jeweils in der Klasse D2 oben aufschwang.
Tourenwagen-Festival
Tourenwagen der Sechziger- bis Achtzigerjahre starteten gleich in mehreren Feldern und Rennen. Viel Aufmerksam erhielt natürlich auch am Nürburgring die neue Tourenwagen Classics. Für einmal waren nicht die schnellen Mercedes-Benz C-Klassen siegreich sondern Stefan Rupp im Alfa Romeo 155 V6 TI von 1996. Auf Platz 4 im Gesamtklassement schaffte es der schnellste Ford Sierra RS Cosworth.
Tourenwagen fuhren aber auch im Gleichmässigkeitsfeld ehemaliger DTM- und STW-Fahrzeuge mit und natürlich gab es auch bei den beiden Läufen zum Revival der Deutschen Rennsport Meisterschaft manch aufgeputschte Limousine, aber auch reinrassige Rennwagen vom Stile eines Porsche 935 oder eines BMW M1 Procar zu sehen.
Am Schluss erhielten Wolgang Kaufmann auf einem Porsche 935 im ersten und Afschin Fatemi im Porsche 934/5 im zweiten Lauf den Siegerpokal, während sich die BMW M1 teilweise selber dezimierten oder aber die Gegner, z.B. den Ford Capri von Stephan Mücke aus dem Rennen rissen. Für Aktion auf der Strecke jedenfalls war gesorgt, für akustische Unterhaltung und Flammeneinlagen ebenfalls.
Die AvD-Tourenwagen- und GT-Trophäe entscheiden Sebastian Glaser und Patrick Simon im Ford Escort RS 1600 mit knappem Vorsprung vor einem weiteren Escort für sich.
Ein Porsche 917 im Sportwagenfeld
Sicherlich eine der attraktivsten Wagen im gesamten Wagenpark war der Porsche 917, den Claudio Roddaro aus Frankreich in die Eifel brachte. Er startete mit seinem Fünfliter-Zwölfzylinder mitten zwischen offenen Lola-Sportwagen, leichten Chevron-Prototypen und kräftigen Sechzigerjahre-Lola T70.
Am Ende fuhr er als Sechster ein, gegen die führenden Diogo Ferrao und Martin Stretton im Lola T292 aber hatte er keine Chance.
Zweimal den Maserati 250 F hinter sich lassen konnte Andy Willis im Ferrari 246 Dino bei den Grand-Prix-Wagen bis 1960, während der Sieger bei den Formel-3-Autos von 1964 bis 1984 zweimal Christian Olsen im Martini MK39 mit Alfa-Romeo-Motor hiess.
Fahrzeug-Vielfalt war einmal mehr bei den Gentlemen Drivers angesagt, die mit GT-Wagen bis 1965 ein gut einstündiges Rennen austrugen, das mit dem Sieg von Michael Gans und Andrew Wolfe in der AC Cobra endete.
Jubiläum auf Jubiläum
Es durften einige Jubiläen gefeiert werden auf den Nürburgring.
Neben dem eigenen 45. Geburtstags des Oldtimer Grand Prix schaute man auch auf 90 Jahre Nürburgring zurück, zündete 25 Kerzen auf dem Jaguar-XJ-220-Kuchen an und freute sich über 40 Jahre Porsche 928 und 50 Jahre Ford Cosworth V8.
Die Hersteller-Show
Als der Oldtimer-Grand Prix im Jahr 1973 zum ersten Mal stattfand, nannte man ihn noch “Renn- und Industrieshow”. Eigentlich würde der Name auch heute noch passen, denn wenn man schaut, wie sich die Hersteller sozusagen in Schale werfen, dann darf man sicherlich auch im Jahr 2017 noch von “Industrieshow” sprechen. Tatsächlich füllten die ankommenden Porsche Sportwagen riesige Parkflächen, wo sie schön aufgeteilt nach Baureihen präsentiert werden konnten.
Auch Jaguar und Volvo leisteten sich wie Porsche grosse Showflächen und zeigten ihre Neufahrzeuge und was sie sonst noch zu bieten haben. Eindrücklich!
Auch auf der Piste liess sich automobile Tradition verfolgen, etwa beim Lauf der Fahrzeuge aus der Skoda-Motorsportgeschichte oder beim Paradelauf zum 70. Geburtstag von Ferrari.
Alles paletti?
Es gab also viele zufriedene Gesichter auf den Tribünen und im Fahrerlager des Nürburgings. Aber so ganz sicher ist man sich vielleicht bei den Organisatoren, die ihre Sache im übrigen hervorragend im Griff hatten, doch nicht, was denn das richtige Konzept für die Zukunft ist. Jedenfalls sucht man nach Ideen und Vorschlägen, wie man die Dinge noch besser machen könnte.
Nüchtern betrachtet würde man sich für die Zuschauer natürlich spannendere Rennen mit mehr Positionskämpfen wünschen, etwas was die Briten einfach besser hinkriegen. Dass auch die sicherheitsorientierte Grand-Prix-Strecke mit den riesigen Abständen zwischen Publikum und Renngeschehen nicht unbedingt ein Stimmungsbringer ist, daran lässt sich leider vermutlich kaum etwas ändern.
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Jan Rotenberger