Nomen est omen? Amerikanische Einzelstücke trugen oft mehrteilige Bezeichnungen und der Salem GMC Kurtis Byers Special, auch wenn er nie exakt so genannt wurde, illustriert dies besonders gut. Gleich vier Geschichten fliessen in diesem Rennsportwagen zusammen. Und dass er nicht rannte, sondern mit seiner Schönheit bezauberte, war so eigentlich gar nicht vorgesehen.
Der Konstrukteur Frank Kurtis
Frank Kurtis wurde vor allem durch seine Indianapolis-Rennwagen bekannt, die in den frühen Fünfzigerjahren fast unschlagbar waren und oftmals fast das halbe Startfeld ausmachten. Geboren wurde er als Sohn eines Einwanderers im Jahr 1908 in Colorado (USA), als er 14 Jahre alt war, zog die Familie nach Kalifornien um. Schon früh verdingte sich der junge Kurtis als Mechaniker und Karosseriespengler. Ab den Vierzigerjahren begann er, Monopsti für das berühmte 500-Meilen-Rennen von Indianpolis zu bauen, bereits 1946 erzielte einer seiner Wagen einen neuen Rundenrekord, im Jahr 1950 gelang dann der erste Sieg.
Parallel zu seinen Rennwagenaktivitäten begann er auch Sportwagen zu bauen. Aus dem Kurtis Sport, lanciert im Jahr 1948, wurde dann später der Muntz Jet. Auf der Basis der Indianapolis-Erfolge entstanden auch mehrere Rennsportwagen, zuerst der 500S mit Leiterrahmen, danach der 500X mit einem Rohrrahmenfahrgestell und schliesslich der 500M ab 1955.
Mit dem 500-KK bot Frank Kurtis geschickten Heimwerkern und Hotrod-Konstrukteuren die Möglichkeit, ein Chassis und Fahrwerkskomponenten zu kaufen, die dann zusammen mit einem Antriebsstrang und einer Karosserie zu einem “Special” komplettiert werden konnten. Der rechteckförmige Rahmen wurde mit einem “X” in der Mitte versteift, vorne und hinten waren Starrachsen für die Radführung verantwortlich. Der Rahmen alleine, der rund 100 kg wog, wurde für USD 399 verkauft, dazu kamen dann Kosten für die Aufhängungen, die Lenkung, Bremsen und so weiter. Das gesamte Fahrgestell kam auf rund 320 kg. Der Radstand war exakt 100 Inch, also 2,54 Meter, aber Kurtis konnte auch verkürzte Fahrgestelle anbieten.
Diese Rahmen, von denen rund 60 Stück gebaut wurden, eigneten sich zur Aufnahme von Stahlblech-, Aluminium- oder Kunststoffkarosserien, letztere waren wohl die häufigste Wahl. Sie kamen typischerweise von Bangert, Glasspar, Sorrell, Victress, Woodhill oder Byers.
Der Kunststoff-Spezialist Jim Byers
Jim Byers war ein Kunststoff-Pionier. Zusammen mit Dick Jones kreierte er den Meteor SR-1, der 1953 an der Los Angeles Motorama gezeigt wurde. Inspirationen für Namen und Form kamen vom Veritas Meteor. Bereits 1955 trennten sich Jones und Byers, während der eine nach Colorado zog, blieb Jim Byers in Kalifornien.
Er verdiente viel Geld mit dem Bau von Kunststoffteilen für das Militär, fand aber trotzdem noch die Zeit, den Meteor-Aufbau zu modifizieren und neue Formen für eine neue Karosserie herzustellen, die er Byers SR-100 nannte. Die Zahl “100” bezog sich auf den Radstand, also 100 Zoll oder 2,54 Meter. Mit dem ersten SR-100-Body wurde ein Special mit eigens konstruiertem Chassis und Chevrolet-V8-Motor hergestellt, der es 1957 auf die Titelseite von Road & Track schaffte.
Der Titel des Artikels “The Byers Special – world’s most beautiful sports car?” zollte der Schönheit des Wagens Tribut und sorgte sicherlich für einige Aufträge. Ein Käufer war John R. Bond, der Chefredaktor von Road & Track, der damit seinen eigenen Special baute.
Die SR-100-Karosserie wies einen grossen Motorraum auf, der auch grösseren V8-Motoren geben konnte. Eine Corvette-Windschutzscheibe passte perfekt zur Form und ein grosses Maul ermöglichte einen voluminösen Wasserkühler. Die Radöffnungen waren für einen Abstand von rund 2,54 Metern zwischen den Achsen ausgerichtet, aber die Konstruktion der Karosserie erlaubte es, sie zu kürzen, wenn nötig. Zwischen USD 345 und 595 musste ein Käufer hinlegen, abhängig von Ausstaffierung und Zubehör.
Etwa 25 dieser von Hand laminierten Cabriolet-Aufbauten verkaufte Jim Byers ingesamt, dann verkaufte er die Formen Mitte der Sechzigerjahre an Kellison weiter. Zudem fertigte Byers auch noch einige CR-90-Bodies, die auf einen Radstand von 90 Zoll ausgelegt waren und mit ihrer Form mit integrierter Kopfstütze an die Bodies von Bill Devin erinnerten.
Der Heimwerker Steve Salem
Der Kalifornier Steve Salem wollte Mitte der Fünfzigerjahre seinen eigenen Sportwagen bauen. Er besorgte sich ein Kurtis 500XX Chassis mit 90 Zoll Radstand und eine der ersten Byers SR-100-Karosserien, die er wohl in Eigenarbeit einkürzte. Seine Absicht war es eigentlich, einen Rennwagen zu bauen, mit dem er am Strassenrennen Carrera Panamericana teilnehmen konnte.
Während die Bremsen von Lincoln kamen, stammte die Lenkung von Ford.
Der Motorenlieferant General Motors Truck Company
GMC baute vor allem “Trucks”, also Nutzfahrzeuge. Bereits 1912 stand der erste GMC auf der New York Auto Show. Neben Motoren aus dem GM-Arsenal hatte GMC auch einen eigenen Reihensechszylinder im Programm, der u.a. auch bei Hotrod-Konstrukteuren wegen seiner robusten Natur sehr beliebt war. Den Motor gab es über die Zeit in vielen Hubraumvarianten.
Steve Salem hatte sich offensichtlich auch für den GMC-Sechszylinder mit 320 cu (5246 cm3) entschieden. Mit drei SU-Vergasern und einer Verdichtung von 9,1:1 soll der Motor, der an das Getriebe aus einem Buick Roadmaster aus dem Jahr 1937 gekoppelt wurde, 268 PS bei 5500 Umdrehungen abgegeben haben, genug, um den Sportwagen auf gegen 250 km/h zu beschleunigen.
Allerdings glaubte Salem nicht, dass der Motor stark genug sein würde, um im Rennsport gegen die Konkurrenz anzutreten. Und weil er bereits fast 2400 Dollar ausgegeben hatte und 2,5 Jahre Freizeit investiert hatte, konnte er sich keine Alternative leisten, zumal der Wagen noch nicht einmal lackiert war.
Ein überzeugendes Ergebnis
Statt einer Rennkarriere erhielt der “Salem GMC Kurtis Special” dann viel Aufmerksamkeit, als er 1958 im Trend Book 178 “Sportscar Specials” vorgestellt wurde. Der flache Sportwagen (Masse: 396 x 172 x 89 cm) sah auch wirklich heiss aus. Der Motor war weit hinten montiert, weshalb das Getriebe weit in den Innenraum hinein reichte.
Grosse Stahlräder mit Chromradkappen und dicke Pneus füllten die Radhäuser komplett aus.
Jim Byers gefiel das Ergebnis so gut, dass er die Fotos des Artikels auch in seiner Verkaufsliteratur nutzte.
Zu jenem Zeitpunkt war der Wagen übrigens noch nicht komplett lackiert, irgendwann später erhielt er dann einen roten Anstrich.
Wiederentdeckung und Neuaufbau
In den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren war der Sportwagen an der amerikanischen Westküste unterwegs, in den späten Siebzigerjahren gelangte das Auto nach Texas, wo es schliesslich Ende der Achtzigerjahre wiederentdeckt wurde. Während die Form noch in gutem Zustand war, fand sich unter der Haube ein modernisierter Antriebsstrang. Der neue Besitzer wollte den Wagen wieder so restaurierten, wie er einst gedacht war und wandte sich an Steve Salem, um sich beraten zu lassen. Man entschied sich, anstelle des ursprünglichen GMC-Reihensechszylinder einen periodengerechten DeSoto Firedome Hemi V8 zu verbauen.
Für die Räder wählte man Replica-Halibrand-Felgen mit Zentralnaben. Die Corvette-Frontscheibe ersetzte man durch ein kleinere renntaugliche Version und am Schluss liess man den Wagen rennmässig lackieren, wie er vielleicht auch an der Carrera Panamericana hätte starten können.
So ganz entsprach das Ergebnis also nicht dem Original, doch hätte Salem den Wagen ursprünglich vielleicht auch so ähnlich aufgebaut, wenn er die Mittel und das Geld gehabt hätte.
Restauriert fuhr der Salem Special dann ab 1992 in Monterey und wurde 1993 sogar am Concours d’Elégance von Pebble Beach gezeigt. Im neuen Jahrtausend wurde der Sportwagen erneut restauriert und so erfreute er dann ab 2006 nicht nur die Zuschauer beim Monterey Rennspektakel, sondern auch die Concours-Besucher in Amelia Island (2011).
Nun kommt der Salem Special als Kurtis 500KK SR-100 von 1955 anlässlich der Bonhams-Versteigerung von Scottsdale am 21. Januar 2021 erneut unter den Hammer. Bereits 2019 sollte der Sportwagen an einer Bonhams-Versteigerung einen neuen Besitzer erhalten, das damalige Höchstgebot von USD 145’000 reichte aber nicht für einen Verkauf. Jetzt sind USD 130’000 bis 160’000 geschätzt. Und dafür kriegt man immerhin einen Teil des Lebenswerks von mehreren amerikanischen Autolegenden!
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Eine Erwähnung der Ähnlichkeit zur Cobra und warum die so ist, fehlt mir allerdings noch.
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