Ende der Siebzigerjahre gingen die Zeiten des gloriosen Lancia Stratos zu Ende und seriennähere Ford Escort, Fiat 131 Abarth oder Talbot Sunbeam Lotus rückten mit ihren Siegen ins Rampenlicht. Bei Renault aber glaubte man an die Stratos-Konzeption und stellte 1980 ein - für die Marke typisch natürlich mit Turbomotor bestücktes - Rallye-Basisgerät mit Mittelmotor vor, den Renault 5 Turbo.
Auf den Spuren der Berlinette
Die Entwicklung des R5 Turbo ging auf das Jahr 1976 und den Rallyefahrer Jean Terramorsi zurück, der anstrebte, für den internationalen Rallye-Sport einen Nachfolger der berühmten Renault-Alpine A110 und R8 Gordini für die Gruppe 3 und 4 bereitzustellen.
In enger Zusammenarbeit mit dem in Dieppe ansässigen Departement “Renault Sport”, sowie der Produktionsabteilung von Renault in Paris entstand schon 1978 der erste Prototyp des Renault 5 Turbo. Für das Design griff man auf die Dienste von Bertone zurück, wo vor allem Marcello Gandini Hand anlegte. Als Ausgangsbasis wählte man dasjenige Serienmodell, das von den Abmessungen am meisten Erfolg versprechen würde und kam auf den Renault 5, der bereits seit 1971 als kompakter Allzweckwagen für Erfolge gesorgt hatte.
Die erste Vorstellung erfolgte dann mittels eines bei Heuliez gebauten zweiten und rot gespritzten Prototypen (ohne Motor) am Pariser Autosalon im Oktober 1978.
Mittelmotor
Frontantrieb war aus Sicht der Entwickler genauso wenig eine Option wie ein vorne liegender Motor, denn der Wagen sollte agil und traktionsstark sein, an Allradantrieb dachte man zu jener Zeit noch nicht. Für den Motor kamen mehrere Aggregate in Anbetracht, etwa der 2,7-Liter-V6-Saugmotor oder turbo-geladene Varianten des 1,4- oder 2-Liter-Vierzylinders. Wegen seines geringen Gewichts, der bewiesenen Zuverlässigkeit im R5 Alpine und der kompakten Ausmasse entschied man sich für den 1,4-Liter-Motor, nahm die Verdichtung von 10:1 auf 7:1 herunter, baute eine Bosch-K-Jetronic-Einspritzung sowie einen Transistorzündung ein und setzte den Reihenvierzylinder mittels eines Garret T3 Turboladers unter Druck.
Ein Regelventil (Waste Gate) verhindert Überdruck jenseits von 0,85 Bar (Serienmodell) und leitete nicht benötigte Abgase direkt in den Auspuff weiter. 160 PS Leistung bei 6000 und 210 Nm Drehmoment bei 3250 Umdrehungen bestätigten, dass man an der grundsätzlichen Konstruktion des mit hemisphärischen Brennräumen und V-förmig angeordneten und über Stossstangen und Kipphebel angesteuerten Ventilen nichts wesentliches anpassen musste.
Renntechnik unter dem Blech
Zwar griff man bei der Grundkarosse auf die Basis des Renault 5 zurück, doch wurde mit der Motorverpflanzung und der deutlichen Verbreiterung kaum ein Stein auf dem anderen belassen. Bei der Vorderradaufhängung konnte man mit übereinanderliegenden Dreieckslenkern und Torsionsstabfedern noch auf den R5 Alpine zurückgreifen, hinten aber gelangte eine Neukonstruktion mit dreiecksförmigen Doppelquerlenkern mit Schraubenfedern zum Einsatz, die vom längs und mittig eingebauten Vierzylinder über das Fünfganggetriebe aus dem Renault 30 TX angetrieben wurden.
Dicke Reifen der Dimension 190/95 VR 340 vorne und 220/55 VR 365 hinten sorgten für Seitenführung und sie entstammten der TRX-Linie von Michelin. Gelenkt wurde servolos via Zahnstange, gebremst über kräftige Scheiben an allen vier Rädern.
Individualität des Turbo 1
23 Zentimeter breiter geriet der Renault 5 Turbo als seine schächeren Serienbrüderchen und dies war in den wahrlich dominant geratenen Kotflügelverbreiterungen begründet, die Marcello Gandini elegant verpackt hatte. Im Gegensatz zur Stahlblechkarosserie des schmalen R5 waren Haube, Stossfänger und die hinteren Kotflügel in Kunststoff, Dach, Türen und Heckklappe in Aluminium ausgeführt. So erklärt sich denn auch das günstige Gewicht des fahrfertig 970 kg schweren Mittelmotor-Kompaktwagens.
Auch innen verströmte das Designhaus Bertone seinen Charme und sorgte für eine Formen- und Farborgie, wie sie nur in den Siebzigerjahren entstehen konnte. Das zweifarbige asymmetrische Lenkrad aus Kunststoff wirkte ungewöhnlich, die farblich kontrastierenden Teppiche und Kunststoffpolster taten ein übriges, um beim Betrachter das Herz stocken zu lassen. Auch das Cockpit war individuell gestaltet.
Doppelcharakter
Natürlich erregte der offiziell im Januar 1980 offiziell vorgestellte und serienfertige Renault 5 Turbo auch bei den Autoredaktoren viel Interesse. Die Automobil Revue berichtete trotzdem erst im Mai 1981 über ihre Test-Erfahrungen und betonte den Doppelcharakter des Turbo-Mittelmotorautos. Unter 3000 Umdrehungen sei der Wagen ausgesprochen schwachbrüstig geraten, darüber aber beschleunige das Fahrzeug aber fast rennmässig.
“Mit dem Renault 5 Turbo gehört man auf einigermassen übersichtlichen Strassen auch dann noch zu den Schnellsten, wenn man noch keineswegs am Limit fährt”, schrieben die AR-Tester und verschwiegen auch nicht, dass der Grenzbereich auch wegen des träge reagierenden Motors viel Aufmerksamkeit verlange.
Nicht ganz störungsfrei verlief damals der Test: Die Messungen wurden mit zwei Fahrzeugen durchgeführt, ein Kabelbrand löste einen Kurzschluss aus, das Gestänge zu Bypass-Ventil verabschiedete sich und diverse Schraubverschlüsse an der Motorabdeckung waren defekt. So ganz problemlos gestaltete sich die Fahrt also auch nach einem Jahr Produktion noch nicht.
Agiler als Quattro und 911
Die Zeitschrift “Auto Motor und Sport” verglich den Renault 5 Turbo im Sommer 1982 mit konzeptionell unterschiedlich aufgestellten Sportwagen wie Audi Quattro, Porsche 911, Porsche 944 und Mercedes-Benz 500 SL. Der Renault war fast in allen Disziplinen der Schnellste, gefolgt vom 911 SC. Bei der Beurteilung der Beherrschbarkeit wendete sich allerdings das Blatt, denn auch die AMS-Testfahrer monierten die starken Lastwechselreaktionen und die schwierig zu kontrollierende Agilität um die Mittelachse beim R5 Turbo. Die deutlichen Vorteile des Renaults bei Querbeschleunigung, Wedeln und Slalom bewiesen aber, dass die “Régie” mit dem Mittelmotorkonzept den richtigen Entscheid getroffen hatte.
Mit 7,4 Sekunden für den Sprint von 0 bis 100 km/h (7,2 hatte die AR gemessen, das Werk gab 6.9 Sekunden vor) brillierte der Franzose auch in der Standarddisziplin, mit 203 km/h zeigte sich die ausladende und wenig strömungsgünstig ausgelegte Form als mächtiger Luftwiderstand.
Abseits der öffentlichen Strassen
Aber Aerodynamik und Alltagstauglichkeit standen, obschon nicht komplett vergessen - immerhin verfügte der R5 sogar über Plätze für zwei Handtaschen im hinten liegenden Kofferraum, nicht zuoberst auf dem Pflichtenheft, sondern Sporterfolge. Und die erzielte der Turbo auch.
Jean Ragnotti, der treue Renault-Kämpfer, fuhr mit Beifahrer Jean-Marc Andrié als Erster bei der Rallye Monte Carlo ins Ziel. Ein Jahr darauf siegte er be der 26. Tour de Corse und ein Jahr darauf erneut. Für den letzten Sieg in der Rallye Weltmeisterschaft sorgte Joaquim Moutinho mit Edgar Fortes, als er 1986 die Rallye de Portugal für sich entschied.
Inzwischen hatte sich der Renault 5 Turbo schon lange vom Gruppe-4-Rallyegerät zum Gruppe-B-Rennwagen mit deutlich über 300 PS entwickelt, hatte gegen die inzwischen vierradangetriebene Konkurrenz von Peugeot, Audi oder Lancia aber trotzdem kaum mehr eine Chance. Diesen Zug hatte man verpasst, die Konkurrenz hatte zwar das Rezept - serienmässige Kompaktwagen-Karosserie als Silhouette und reinrassige Motorsporttechnik darunter - übernommen, mit dem Allradantrieb und noch höheren Leistungsdichten (auch dank mehr Hubraum) aber deutlich mehr vorgelegt.
In privater Hand fuhr der Renault neben der “WRC” viele nationale Siege und Meisterschaften ein, notabene vor allem in Frankreich und in der Schweiz.
Eingesetzt wurde der Renault 5 Turbo auch auf der Rundstrecke, am sichtbarsten im Markencup “Coupe d’Europe Renautl 5 Turbo Elf”, der als Nachfolgerserie zur Procar (BMW M1) gesehen werden könnte. Auch hier waren namhafte Fahrer am Start, darunter Walter Röhrl, Jean Ragnotti oder Jo Vonlanthen, aber auch jede Menge Nachwuchstalente und Leute, die sich gegen die etablierten Stars beweisen wollten. Die Fahrzeuge entsprachen weitgehend dem Strassenauto, selbst das Kunststofflenkrad war bei den ersten Rennen vorgeschrieben. Für Sicherheit sorgte ein Überrollkäfig, Hosenträgergurte und Feuerlöschers sowie ein Stromunterbrechter, für mehr Krawall eine Devil-Flammrohr und für mehr Grip Dunlop-Slicks auf 7/9 Zoll breiten Gottifelgen.
Und von vielen vergessen gab es auch noch eine IMSA-Ausführung des Renault “Le Car”, wie der R5 in den USA hiess. Beim Tod seines Fahrers Patrick Jacquemart endete aber auch der Einsatz.
Evolution und Vereinfachungen zum Turbo 2
Für die Gruppe 4 hatte Renault eigentlich nur 400 Autos herstellen müssen, doch bereits die erste Serie wurde mit über 1500 Fahrzeugen zum unerwarteten Erfolg, was sicherlich auch mit den für das Gebotene nicht überrissenen Preisen von DM 44’660 oder CHF 39’500 zu tun hatte.
Trotzdem sorgte man bei Renault 1982 für mehr Synergien mit der Serie, ersetzte im Interieur manche der individualistischen Ausprägungen durch Serien-R5-Technik, liess einige Leichtbauteile weg und konnte so den Preis senken, ohne die Fahrleistungen wesentlich zu schmälern.
So wurde der “Turbo” bis 1986 weitergebaut und zu den 1678 “Turbo 1” kamen 3084 “Turbo 2” dazu. Insgesamt verliessen zusammen mit den produzierten Renn-Basis-Varianten für den Kundensport total 5022 Exemplare des Mittelmotorwagens das Werk.
Rallye-Gene im Alltag
Dass man es mit einem für den Rennsport geborenen Wagen zu tun hat, spürt man schon schnell nach dem Einstieg, spätestens aber dann, wenn man den Aussenspiegel einrichtet und die breiten Kotflügeln hinten wahrnimmt. Entgegen der Befürchtungen startet der Motor einwandfrei und verfällt in einen ruhigen Leerlauf. Von hinten vernimmt man ein dumpfes Pochen, bei offenem Fenster hört man das Böllern vom Heck.
Die Sitzposition hinter dem nachgerüsteten Lederlenkrad stimmt, Pedale und Schalthebel sind genau richtig positioniert. Die Gänge lassen sich exakt schalten, nur vom Temperament spürt man anfänglich wenig. Bis der Garret-Lader richtig ins Atmen kommt, passiert gar gar nichts. Hat die Drehzahlmessernadel aber 3000 Umdrehungen überschritten, zieht ein zweiter Wind durch das Triebwerk und nach kurzer Zeit muss in den nächsten Gang gewechselt werden. Das macht Spass, der auch von der exakten, aber nicht besonders direkten und je nach Situation erstaunlich schwergängigen Lenkung nicht getrübt wird. Es ist die Handlichkeit, die echte Freude am Fahren macht. Gerade einmal 3,66 Meter Aussenlänge, kurze Überhänge und eine übersichtliche Kabine sowie gute Sitze - mit viel Seitenführung - erlauben ein exaktes Kontrollieren des Mittelmotorflitzers. Man glaubt gerne, dass die meisten Konkurrenten Mühe hatten, dem Franzosen zu folgen, wenn er von kundiger Hand auf kurvigen Strecken gemeistert wurde.
Der besorgte Blick nach hinten, ob wohl etwas brennen würde, ist heute unnötig. Zwar wird es immer noch recht warm vom Motorraum her, die schlimmsten Brandquellen, die so manchen R5 Turbo dem Feuer opferten, wurden über die Jahre aber sorgsam ausgeräumt.
Wir danken dem Besitzer Luciano Pecoraro für seine Bereitschaft, den roten Renault 5 Turbo von 1982 für ein Fotoshooting zur Verfügung zu stellen.
Produktion und Sondermodelle
Die Tabelle konnte dankenswerterweise dem Buch “La Renault 5 Turbo d'un réve á la réalité" von Frédérick Lhospied entnommen und erweitert/ergänzt werden.
Jahr/Spez | Turbo 1 | Turbo 2 | Turbo 2 "8221" | Cévennes | Tour de Corse | Maxi | Total |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Typ | Strasse | Strasse | Strasse | Renn Sport | Renn Sport | Renn Sport | |
FIA-Gruppe | 4 | B | B | ||||
Hubraum ccm | 1397 | 1397 | 1432 | 1397 | 1397 | 1527 | |
Leistung PS | 160 | 160 | 160 | 180 | 240 | 350 | |
Gewicht | 970 | 1000 | 1000 | 930 | 905 | ||
1980 | 804 | 804 | |||||
1981 | 546 | 12 | 558 | ||||
1982 | 328 | 117 | 8 | 20 | 473 | ||
1983 | 1345 | 1345 | |||||
1984 | 1297 | 200 | 13 | 1510 | |||
1985 | 182 | 7 | 189 | ||||
1986 | 143 | 143 | |||||
Total | 1678 | 3084 | 200 | 20 | 20 | 20 | 5022 |
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 27 / 1980 vom 26.Jun.1980 - Seite 17: Renault 5 Turbo - Hochleistungs-Zweisitzer mit 160-PS-Mittelmotor
- AR-Zeitung Nr. 23 / 1981 vom 28.Mai.1981 - Seite 23: Test Renault 5 Turbo
- AR-Zeitung Nr. 23 / 1981 vom 28.Mai.1981 - Seite 25: Probefahrt im Cup-R5 Turbo
- SwissClassics Revue Nr. 4/4 2004 - Seite 136: Renault 5 Turbo - der kleine Feind
- Auto Motor und Sport Heft 14/1981, ab Seite 34: Testbericht Renault 5 Turbo
- Auto Motor und Sport Heft 10/1982, ab Seite 8: Vergleich Audi Quattro, Mercedes 500 SL, Porsche 911 Sc, 944 und Renault 5 Turbo
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